Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.Zuerst sah das Ding noch grade so aus, wie Noch immer derselbe alte Wall und Graben, Ich sah hin, die Hände vor dem Leibe über- Zuerſt ſah das Ding noch grade ſo aus, wie Noch immer derſelbe alte Wall und Graben, Ich ſah hin, die Hände vor dem Leibe über- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0070" n="60"/> <p>Zuerſt ſah das Ding noch grade ſo aus, wie<lb/> es vor Jahren ausgeſehen hatte. Nur daß es heute<lb/> in anderer Beleuchtung, als an jenem Abſchiedstage<lb/> vor mir lag; nämlich im friſchen, hellen Tagesſchein,<lb/> ſo um zehn Uhr Morgens.</p><lb/> <p>Noch immer derſelbe alte Wall und Graben,<lb/> wie er ſich aus dem achtzehnten Jahrhundert in die<lb/> zweite Hälfte des neunzehnten wohl erhalten hatte.<lb/> Die alten Hecken im Viereck um das jetzige bäuer-<lb/> liche Anweſen, die alten Baumwipfel darüber. Nur<lb/> das Ziegeldach des Haupthauſes, das man ſonſt über<lb/> das Gezweig weg und durch es hindurch noch von<lb/> der Feldmark von Maiholzen aus geſehen hatte, er-<lb/> blickte man heute nicht mehr. Dieſes brachte mich<lb/> denn darauf, daß die Hecken doch wohl gewachſen<lb/> und die Baumkronen noch mehr über der Quakatzen-<lb/> burg ſich verdichtet haben müßten. Es mußte un-<lb/> bedingt im Sommer noch ſchattiger als ſonſt auf der<lb/> rothen Schanze geworden ſein, und um dieſes wür-<lb/> digen zu können, mußte man eben wie ich die Linie<lb/> gekreuzt haben, um noch einmal nach Hauſe zu kommen,<lb/> und ſonſt auch überhaupt jetzt dort zu Hauſe ſein,<lb/> wo es durchſchnittlich im Jahre recht heiß iſt, und<lb/> wo der Scha<supplied>t</supplied>ten manchmal ganz bedenklich mangelt.</p><lb/> <p>Ich ſah hin, die Hände vor dem Leibe über-<lb/> einandergelegt; und ich ſah mir Alles, da ich j<supplied>a</supplied><lb/> Zeit hatte, und Niemand auf der weiten Flur mich<lb/> ſtörte, und die Lerchen in den Lüften nicht ſtörten,<lb/> ſehr genau an, ehe ich den Graben des Grafen von<lb/> der Lauſitz überſchritt.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [60/0070]
Zuerſt ſah das Ding noch grade ſo aus, wie
es vor Jahren ausgeſehen hatte. Nur daß es heute
in anderer Beleuchtung, als an jenem Abſchiedstage
vor mir lag; nämlich im friſchen, hellen Tagesſchein,
ſo um zehn Uhr Morgens.
Noch immer derſelbe alte Wall und Graben,
wie er ſich aus dem achtzehnten Jahrhundert in die
zweite Hälfte des neunzehnten wohl erhalten hatte.
Die alten Hecken im Viereck um das jetzige bäuer-
liche Anweſen, die alten Baumwipfel darüber. Nur
das Ziegeldach des Haupthauſes, das man ſonſt über
das Gezweig weg und durch es hindurch noch von
der Feldmark von Maiholzen aus geſehen hatte, er-
blickte man heute nicht mehr. Dieſes brachte mich
denn darauf, daß die Hecken doch wohl gewachſen
und die Baumkronen noch mehr über der Quakatzen-
burg ſich verdichtet haben müßten. Es mußte un-
bedingt im Sommer noch ſchattiger als ſonſt auf der
rothen Schanze geworden ſein, und um dieſes wür-
digen zu können, mußte man eben wie ich die Linie
gekreuzt haben, um noch einmal nach Hauſe zu kommen,
und ſonſt auch überhaupt jetzt dort zu Hauſe ſein,
wo es durchſchnittlich im Jahre recht heiß iſt, und
wo der Schatten manchmal ganz bedenklich mangelt.
Ich ſah hin, die Hände vor dem Leibe über-
einandergelegt; und ich ſah mir Alles, da ich ja
Zeit hatte, und Niemand auf der weiten Flur mich
ſtörte, und die Lerchen in den Lüften nicht ſtörten,
ſehr genau an, ehe ich den Graben des Grafen von
der Lauſitz überſchritt.
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