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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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ein Schooßhündchen.

Sie soll neidisch seyn. Man will es daraus
schließen, daß sie in einen heftigen Eifer geräth,
wenn sich ein fremder Hund ins Haus schleicht.
Jst denn dieses neidisch? Jst es nicht eine Probe
ihrer Wachsamkeit? Jeder Hund muß den andern
am besten kennen. Vermuthlich sieht sie, daß diese
fremden Hunde nur die tückische Absicht haben, aus-
zuforschen, was in einem Hause vorgehe, um bey
der nächsten Zusammenkunft hämische Erzählungen
davon zu machen.

Noch eins fällt mir ein. Es wollte vor eini-
gen Tagen ein guter Freund behaupten, Amourette
sey dumm. Jch lachte darüber; er aber blieb da-
bey. Er wollte wissen, daß sie vielmals ganz tief-
sinnig, und ohne Gedanken läge, und sich zum öf-
tern so weit vergäße, daß sie nicht einmal auf die
äußerliche Reinlichkeit ihres Felles genugsam be-
dacht wäre. Du irrest dich, mein Freund, sagte
ich zu ihm. Dieses ist kein Zeichen einer Dumm-
heit. Amourette ist tiefsinnig, und denkt vielleicht
auf eine Wahrheit. Wer weis, ob sie nicht die
Quadratur des Zirkels untersucht, oder gar mit ei-
ner philosophischen Spitzfindigkeit beschäfftigt ist?
Jch werde in dieser Muthmaaßung dadurch bestär-
ket, weil sie ihre Gedanken nicht deutlich von sich
geben kann, und ich unlängst selber gesehen habe,
daß sie mit dem Kopfe wider die Wand anlief.
Sind dieses nicht Spuren einer abstracten Gelehr-
samkeit?

Es
D 5
ein Schooßhuͤndchen.

Sie ſoll neidiſch ſeyn. Man will es daraus
ſchließen, daß ſie in einen heftigen Eifer geraͤth,
wenn ſich ein fremder Hund ins Haus ſchleicht.
Jſt denn dieſes neidiſch? Jſt es nicht eine Probe
ihrer Wachſamkeit? Jeder Hund muß den andern
am beſten kennen. Vermuthlich ſieht ſie, daß dieſe
fremden Hunde nur die tuͤckiſche Abſicht haben, aus-
zuforſchen, was in einem Hauſe vorgehe, um bey
der naͤchſten Zuſammenkunft haͤmiſche Erzaͤhlungen
davon zu machen.

Noch eins faͤllt mir ein. Es wollte vor eini-
gen Tagen ein guter Freund behaupten, Amourette
ſey dumm. Jch lachte daruͤber; er aber blieb da-
bey. Er wollte wiſſen, daß ſie vielmals ganz tief-
ſinnig, und ohne Gedanken laͤge, und ſich zum oͤf-
tern ſo weit vergaͤße, daß ſie nicht einmal auf die
aͤußerliche Reinlichkeit ihres Felles genugſam be-
dacht waͤre. Du irreſt dich, mein Freund, ſagte
ich zu ihm. Dieſes iſt kein Zeichen einer Dumm-
heit. Amourette iſt tiefſinnig, und denkt vielleicht
auf eine Wahrheit. Wer weis, ob ſie nicht die
Quadratur des Zirkels unterſucht, oder gar mit ei-
ner philoſophiſchen Spitzfindigkeit beſchaͤfftigt iſt?
Jch werde in dieſer Muthmaaßung dadurch beſtaͤr-
ket, weil ſie ihre Gedanken nicht deutlich von ſich
geben kann, und ich unlaͤngſt ſelber geſehen habe,
daß ſie mit dem Kopfe wider die Wand anlief.
Sind dieſes nicht Spuren einer abſtracten Gelehr-
ſamkeit?

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D 5
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[57/0131] ein Schooßhuͤndchen. Sie ſoll neidiſch ſeyn. Man will es daraus ſchließen, daß ſie in einen heftigen Eifer geraͤth, wenn ſich ein fremder Hund ins Haus ſchleicht. Jſt denn dieſes neidiſch? Jſt es nicht eine Probe ihrer Wachſamkeit? Jeder Hund muß den andern am beſten kennen. Vermuthlich ſieht ſie, daß dieſe fremden Hunde nur die tuͤckiſche Abſicht haben, aus- zuforſchen, was in einem Hauſe vorgehe, um bey der naͤchſten Zuſammenkunft haͤmiſche Erzaͤhlungen davon zu machen. Noch eins faͤllt mir ein. Es wollte vor eini- gen Tagen ein guter Freund behaupten, Amourette ſey dumm. Jch lachte daruͤber; er aber blieb da- bey. Er wollte wiſſen, daß ſie vielmals ganz tief- ſinnig, und ohne Gedanken laͤge, und ſich zum oͤf- tern ſo weit vergaͤße, daß ſie nicht einmal auf die aͤußerliche Reinlichkeit ihres Felles genugſam be- dacht waͤre. Du irreſt dich, mein Freund, ſagte ich zu ihm. Dieſes iſt kein Zeichen einer Dumm- heit. Amourette iſt tiefſinnig, und denkt vielleicht auf eine Wahrheit. Wer weis, ob ſie nicht die Quadratur des Zirkels unterſucht, oder gar mit ei- ner philoſophiſchen Spitzfindigkeit beſchaͤfftigt iſt? Jch werde in dieſer Muthmaaßung dadurch beſtaͤr- ket, weil ſie ihre Gedanken nicht deutlich von ſich geben kann, und ich unlaͤngſt ſelber geſehen habe, daß ſie mit dem Kopfe wider die Wand anlief. Sind dieſes nicht Spuren einer abſtracten Gelehr- ſamkeit? Es D 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/131>, abgerufen am 21.11.2024.