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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Trauerrede eines Wittwers.
merten Wittwers: So wird Jhnen doch dieser Trauer-
mantel, und dieser lange Flor von meiner Betrübniß
zeugen können. Jch bin eben so sehr gerührt, als an-
dre, welche der Himmel in meine Umstände versetzt
hat: Nur darinnen unterscheide ich mich von jenen,
daß ich meine Regungen durch kein Tuch zu verber-
gen suche. Hierdurch machen Sie mich Jhnen so ver-
bindlich, daß ich meine Wünsche verdoppeln werde,
Jhnen bey einer gleichen Gelegenheit eben so gefäl-
lig seyn zu können.

Meine Liebe hat sich mit einer Krankheit angefan-
gen, womit die meisten unsers Geschlechts befallen
werden. Mir ist es einerley, ob man sie Milzsucht,
oder Fieber, oder gar den verliebten Schwindel
heißt; so viel weis ich noch, daß ich damals meine
Freunde beredete, ich sey bezaubert, und dieses war
allerdings nicht unwahrscheinlich. Ein Blick, ein
einziger Blick von einer Person, die ich meine Grau-
same nannte, brachte mich in die äußerste Verwir-
rung. Jch sah, ich seufzte, und auf einmal empfand
ich eine Gewalt in mir, welche mich alles Nachden-
kens beraubte. Mein Geblüt kam in ein heftiges
Wallen, ich ward unruhig, und gieng des Tages
wohl hundertmal, diejenigen Hände zu küssen, wel-
che mich, wie ich klagte, gefesselt hielten. Jch küßte
sie, und dieses brachte meine Bezauberung aufs höch-
ste. Jch verlor die Sprache, wenigstens diejenige,
welche man bey gesunden Leuten hört. Jch redete
von nichts, als von Sterben, von Entzückungen, von
Cometen, von Blitzen, von Sonnen, von Opfern;

ja,

Trauerrede eines Wittwers.
merten Wittwers: So wird Jhnen doch dieſer Trauer-
mantel, und dieſer lange Flor von meiner Betruͤbniß
zeugen koͤnnen. Jch bin eben ſo ſehr geruͤhrt, als an-
dre, welche der Himmel in meine Umſtaͤnde verſetzt
hat: Nur darinnen unterſcheide ich mich von jenen,
daß ich meine Regungen durch kein Tuch zu verber-
gen ſuche. Hierdurch machen Sie mich Jhnen ſo ver-
bindlich, daß ich meine Wuͤnſche verdoppeln werde,
Jhnen bey einer gleichen Gelegenheit eben ſo gefaͤl-
lig ſeyn zu koͤnnen.

Meine Liebe hat ſich mit einer Krankheit angefan-
gen, womit die meiſten unſers Geſchlechts befallen
werden. Mir iſt es einerley, ob man ſie Milzſucht,
oder Fieber, oder gar den verliebten Schwindel
heißt; ſo viel weis ich noch, daß ich damals meine
Freunde beredete, ich ſey bezaubert, und dieſes war
allerdings nicht unwahrſcheinlich. Ein Blick, ein
einziger Blick von einer Perſon, die ich meine Grau-
ſame nannte, brachte mich in die aͤußerſte Verwir-
rung. Jch ſah, ich ſeufzte, und auf einmal empfand
ich eine Gewalt in mir, welche mich alles Nachden-
kens beraubte. Mein Gebluͤt kam in ein heftiges
Wallen, ich ward unruhig, und gieng des Tages
wohl hundertmal, diejenigen Haͤnde zu kuͤſſen, wel-
che mich, wie ich klagte, gefeſſelt hielten. Jch kuͤßte
ſie, und dieſes brachte meine Bezauberung aufs hoͤch-
ſte. Jch verlor die Sprache, wenigſtens diejenige,
welche man bey geſunden Leuten hoͤrt. Jch redete
von nichts, als von Sterben, von Entzuͤckungen, von
Cometen, von Blitzen, von Sonnen, von Opfern;

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[75/0149] Trauerrede eines Wittwers. merten Wittwers: So wird Jhnen doch dieſer Trauer- mantel, und dieſer lange Flor von meiner Betruͤbniß zeugen koͤnnen. Jch bin eben ſo ſehr geruͤhrt, als an- dre, welche der Himmel in meine Umſtaͤnde verſetzt hat: Nur darinnen unterſcheide ich mich von jenen, daß ich meine Regungen durch kein Tuch zu verber- gen ſuche. Hierdurch machen Sie mich Jhnen ſo ver- bindlich, daß ich meine Wuͤnſche verdoppeln werde, Jhnen bey einer gleichen Gelegenheit eben ſo gefaͤl- lig ſeyn zu koͤnnen. Meine Liebe hat ſich mit einer Krankheit angefan- gen, womit die meiſten unſers Geſchlechts befallen werden. Mir iſt es einerley, ob man ſie Milzſucht, oder Fieber, oder gar den verliebten Schwindel heißt; ſo viel weis ich noch, daß ich damals meine Freunde beredete, ich ſey bezaubert, und dieſes war allerdings nicht unwahrſcheinlich. Ein Blick, ein einziger Blick von einer Perſon, die ich meine Grau- ſame nannte, brachte mich in die aͤußerſte Verwir- rung. Jch ſah, ich ſeufzte, und auf einmal empfand ich eine Gewalt in mir, welche mich alles Nachden- kens beraubte. Mein Gebluͤt kam in ein heftiges Wallen, ich ward unruhig, und gieng des Tages wohl hundertmal, diejenigen Haͤnde zu kuͤſſen, wel- che mich, wie ich klagte, gefeſſelt hielten. Jch kuͤßte ſie, und dieſes brachte meine Bezauberung aufs hoͤch- ſte. Jch verlor die Sprache, wenigſtens diejenige, welche man bey geſunden Leuten hoͤrt. Jch redete von nichts, als von Sterben, von Entzuͤckungen, von Cometen, von Blitzen, von Sonnen, von Opfern; ja,

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/149>, abgerufen am 21.11.2024.