[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.Trauerrede Sie besuchte Gesellschaften, welche ihr zu dieser Ab-sicht dienlich waren, und kehrte allezeit mit einer triumphirenden Miene zurück, wenn sie merkte, daß sie den schmeichlerischen Beyfall eines artigen Herrn erhalten, und eine eifersüchtige Nachbarinn in Un- ruhe gesetzt hatte. So kostbar dieser Aufwand war, so sorgfältig war Aus
Trauerrede Sie beſuchte Geſellſchaften, welche ihr zu dieſer Ab-ſicht dienlich waren, und kehrte allezeit mit einer triumphirenden Miene zuruͤck, wenn ſie merkte, daß ſie den ſchmeichleriſchen Beyfall eines artigen Herrn erhalten, und eine eiferſuͤchtige Nachbarinn in Un- ruhe geſetzt hatte. So koſtbar dieſer Aufwand war, ſo ſorgfaͤltig war Aus
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Trauerrede
Sie beſuchte Geſellſchaften, welche ihr zu dieſer Ab-
ſicht dienlich waren, und kehrte allezeit mit einer
triumphirenden Miene zuruͤck, wenn ſie merkte, daß
ſie den ſchmeichleriſchen Beyfall eines artigen Herrn
erhalten, und eine eiferſuͤchtige Nachbarinn in Un-
ruhe geſetzt hatte.
So koſtbar dieſer Aufwand war, ſo ſorgfaͤltig war
meine geſchickte Frau, denſelben durch verſchiedne
Arten der Sparſamkeit einigermaaßen zu erſetzen.
Niemals ſchien ihr das Geſinde boshafter zu ſeyn,
als wenn die Zeit herankam, da es ſeinen Lohn fo-
dern konnte. Sie war recht ſinnreich in Erfindung der
Urſachen, ſolchen zu verkuͤmmern, und konnte es mit
einer wunderbaren Standhaftigkeit anſehen, wenn
ein Dienſtbothe mit leeren Haͤnden von ihr ziehen
mußte. Nichts auf der Welt war ihrer Natur ſo
zuwider, als die flehende Stimme eines Armen.
Hierinnen erzeigte ſie ſich, als eine gute Buͤrgerinn,
indem der Befehl wider die Bettler dasjenige Geſetz
war, welches ſie am liebſten mit einer unverbruͤchli-
chen Sorgfalt beobachtete. Jch habe es nicht, ohne
geruͤhrt zu werden, anhoͤren koͤnnen, ſo oft ſie einen
Duͤrftigen, der um eine geringe Gabe bat, mit dem
heftigſten Eifer uͤber ſeine Faulheit, ſein luͤderliches
Leben, und ſeine niedertraͤchtige Auffuͤhrung von ſich
ſtieß. Wenn ich zuweilen dieſes Bezeigen fuͤr un-
freundlich halten wollte: So wußte mir meine gute
Wirthinn die ſchweren Zeiten ſehr lebhaft zu Gemuͤ-
the zu fuͤhren.
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