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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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des Dörfleins Qverleqvitsch.

George Greif, eines Bauers Sohn, legte sich
auf die Rechte, und advocirte in einem Städtlein,
ohnweit Magdeburg. Man hat, als etwas beson-
ders an ihm wahrnehmen wollen, daß er sehr lange
Finger, und im Gesichte eine so dicke Haut gehabt,
daß er niemals roth geworden ist.

Antonius Cuntz, gleichfalls einer der Rechte,
wollte in Erfurt Doctor werden, und disputirte des-
wegen de capillamento Vlpiani, wobey er auf der
Catheder die Wichtigkeit seines Satzes mit solcher
Heftigkeit vertheidigte, daß er sich etwas im Leibe
zersprengte, und kurz drauf starb.

Balthaser Wurzel, ein Arzt und geschickter
Mann. Wenn ein Bauer Blähungen hatte, so
wußte er gleich, wie sie auf griechisch hießen. Er
erfand viele Universalmedicinen und Lebenstinctu-
ren, starb aber in seinen besten Jahren, und vermach-
te der Bürgerschaft zu Zwencka einen halben Acker
Landes zu einem neuen Kirchhofe.

Martin Pinsel, ministerii candidatus, war des
alten Martin Pinsels, Pfarrers zu Qverleqvitsch,
Herr Sohn. Seine Mutter that in ihrer Schwan-
gerschaft ein Gelübde, wenn ihr der Himmel einen
Sohn geben würde, so sollte er ein Pfarrer werden.
Jhr Wunsch ward zu allerseits Vergnügen erfüllt,
und der junge Pinsel von seinem Herrn Vater zu al-
len guten Wissenschaften und Künsten angehalten.
Er hatte aber einen schweren Kopf, eine stotternde
Sprache, und ein langsames Gedächtniß, bezeigte
auch wenig Lust zum Studieren, sondern wollte
schlechterdings ein Grobschmied werden. Allein die

Mut-
G 4
des Doͤrfleins Qverleqvitſch.

George Greif, eines Bauers Sohn, legte ſich
auf die Rechte, und advocirte in einem Staͤdtlein,
ohnweit Magdeburg. Man hat, als etwas beſon-
ders an ihm wahrnehmen wollen, daß er ſehr lange
Finger, und im Geſichte eine ſo dicke Haut gehabt,
daß er niemals roth geworden iſt.

Antonius Cuntz, gleichfalls einer der Rechte,
wollte in Erfurt Doctor werden, und diſputirte des-
wegen de capillamento Vlpiani, wobey er auf der
Catheder die Wichtigkeit ſeines Satzes mit ſolcher
Heftigkeit vertheidigte, daß er ſich etwas im Leibe
zerſprengte, und kurz drauf ſtarb.

Balthaſer Wurzel, ein Arzt und geſchickter
Mann. Wenn ein Bauer Blaͤhungen hatte, ſo
wußte er gleich, wie ſie auf griechiſch hießen. Er
erfand viele Univerſalmedicinen und Lebenstinctu-
ren, ſtarb aber in ſeinen beſten Jahren, und vermach-
te der Buͤrgerſchaft zu Zwencka einen halben Acker
Landes zu einem neuen Kirchhofe.

Martin Pinſel, miniſterii candidatus, war des
alten Martin Pinſels, Pfarrers zu Qverleqvitſch,
Herr Sohn. Seine Mutter that in ihrer Schwan-
gerſchaft ein Geluͤbde, wenn ihr der Himmel einen
Sohn geben wuͤrde, ſo ſollte er ein Pfarrer werden.
Jhr Wunſch ward zu allerſeits Vergnuͤgen erfuͤllt,
und der junge Pinſel von ſeinem Herrn Vater zu al-
len guten Wiſſenſchaften und Kuͤnſten angehalten.
Er hatte aber einen ſchweren Kopf, eine ſtotternde
Sprache, und ein langſames Gedaͤchtniß, bezeigte
auch wenig Luſt zum Studieren, ſondern wollte
ſchlechterdings ein Grobſchmied werden. Allein die

Mut-
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[103/0177] des Doͤrfleins Qverleqvitſch. George Greif, eines Bauers Sohn, legte ſich auf die Rechte, und advocirte in einem Staͤdtlein, ohnweit Magdeburg. Man hat, als etwas beſon- ders an ihm wahrnehmen wollen, daß er ſehr lange Finger, und im Geſichte eine ſo dicke Haut gehabt, daß er niemals roth geworden iſt. Antonius Cuntz, gleichfalls einer der Rechte, wollte in Erfurt Doctor werden, und diſputirte des- wegen de capillamento Vlpiani, wobey er auf der Catheder die Wichtigkeit ſeines Satzes mit ſolcher Heftigkeit vertheidigte, daß er ſich etwas im Leibe zerſprengte, und kurz drauf ſtarb. Balthaſer Wurzel, ein Arzt und geſchickter Mann. Wenn ein Bauer Blaͤhungen hatte, ſo wußte er gleich, wie ſie auf griechiſch hießen. Er erfand viele Univerſalmedicinen und Lebenstinctu- ren, ſtarb aber in ſeinen beſten Jahren, und vermach- te der Buͤrgerſchaft zu Zwencka einen halben Acker Landes zu einem neuen Kirchhofe. Martin Pinſel, miniſterii candidatus, war des alten Martin Pinſels, Pfarrers zu Qverleqvitſch, Herr Sohn. Seine Mutter that in ihrer Schwan- gerſchaft ein Geluͤbde, wenn ihr der Himmel einen Sohn geben wuͤrde, ſo ſollte er ein Pfarrer werden. Jhr Wunſch ward zu allerſeits Vergnuͤgen erfuͤllt, und der junge Pinſel von ſeinem Herrn Vater zu al- len guten Wiſſenſchaften und Kuͤnſten angehalten. Er hatte aber einen ſchweren Kopf, eine ſtotternde Sprache, und ein langſames Gedaͤchtniß, bezeigte auch wenig Luſt zum Studieren, ſondern wollte ſchlechterdings ein Grobſchmied werden. Allein die Mut- G 4

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/177>, abgerufen am 21.11.2024.