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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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und Wissenschaften.
chischen Liebeserklärung nimmermehr unempfindlich
bleiben können. Daß ich ebräisch ohne Punkte
verstehe, das ist das wenigste, dessen ich mich rüh-
men kann. Die Redekunst hatte mich recht bezau-
bert. Die Regeln und Muster, die ich mir er-
wählte, waren zwar nach dem neusten, jedoch nach
meinem Geschmacke. Besonders in den Figuren
war ich sehr stark. Jch wußte alle ihre Vor- und
Zunamen, und meine Reden, die ich hielt, bestun-
den in nichts, als Fragen, und Anmerkungen. Die
Erlernung der Logik war meine ernsthafteste Be-
schäfftigung. Zwar die gemeine Art, zu denken, hat
mir niemals gefallen wollen. Sie ist gar zu deut-
lich, und die Kunstwörter sind zu sehr gespart.
Wenn ich jemanden, als ein Gelehrter, überzeugen
will, so muß meine Ueberzeugung kunstmäßig seyn,
und ich mag denken, was ich will, so denke ich in
forma.
Meiner Abschiedsrede kann ich mich ohne
einige Selbstliebe nicht erinnern. Jch handelte von
den Rauchfängen der alten Griechen, und insonder-
heit der Lacedämonier. Jn welcher Sprache ich
dieselbe eigentlich gehalten habe; solches kann ich
Jhnen nicht sagen. Wenn ich Jhre Ohren nicht
beleidigte, so würde ich sie Ebraico-Latino-Grae-
cam
nennen. Dieses letzte Meisterstück meiner Fä-
higkeit mochte wohl Ursache seyn, daß man mir ein
vortreffliches Schulzeugniß gab. Jch werde es
mit nach Leipzig bringen, und also die Ehre haben,
Jhnen Brief und Siegel über meine Geschicklichkeit
zu zeigen.

Bis
Erster Theil. H

und Wiſſenſchaften.
chiſchen Liebeserklaͤrung nimmermehr unempfindlich
bleiben koͤnnen. Daß ich ebraͤiſch ohne Punkte
verſtehe, das iſt das wenigſte, deſſen ich mich ruͤh-
men kann. Die Redekunſt hatte mich recht bezau-
bert. Die Regeln und Muſter, die ich mir er-
waͤhlte, waren zwar nach dem neuſten, jedoch nach
meinem Geſchmacke. Beſonders in den Figuren
war ich ſehr ſtark. Jch wußte alle ihre Vor- und
Zunamen, und meine Reden, die ich hielt, beſtun-
den in nichts, als Fragen, und Anmerkungen. Die
Erlernung der Logik war meine ernſthafteſte Be-
ſchaͤfftigung. Zwar die gemeine Art, zu denken, hat
mir niemals gefallen wollen. Sie iſt gar zu deut-
lich, und die Kunſtwoͤrter ſind zu ſehr geſpart.
Wenn ich jemanden, als ein Gelehrter, uͤberzeugen
will, ſo muß meine Ueberzeugung kunſtmaͤßig ſeyn,
und ich mag denken, was ich will, ſo denke ich in
forma.
Meiner Abſchiedsrede kann ich mich ohne
einige Selbſtliebe nicht erinnern. Jch handelte von
den Rauchfaͤngen der alten Griechen, und inſonder-
heit der Lacedaͤmonier. Jn welcher Sprache ich
dieſelbe eigentlich gehalten habe; ſolches kann ich
Jhnen nicht ſagen. Wenn ich Jhre Ohren nicht
beleidigte, ſo wuͤrde ich ſie Ebraico-Latino-Grae-
cam
nennen. Dieſes letzte Meiſterſtuͤck meiner Faͤ-
higkeit mochte wohl Urſache ſeyn, daß man mir ein
vortreffliches Schulzeugniß gab. Jch werde es
mit nach Leipzig bringen, und alſo die Ehre haben,
Jhnen Brief und Siegel uͤber meine Geſchicklichkeit
zu zeigen.

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[113/0187] und Wiſſenſchaften. chiſchen Liebeserklaͤrung nimmermehr unempfindlich bleiben koͤnnen. Daß ich ebraͤiſch ohne Punkte verſtehe, das iſt das wenigſte, deſſen ich mich ruͤh- men kann. Die Redekunſt hatte mich recht bezau- bert. Die Regeln und Muſter, die ich mir er- waͤhlte, waren zwar nach dem neuſten, jedoch nach meinem Geſchmacke. Beſonders in den Figuren war ich ſehr ſtark. Jch wußte alle ihre Vor- und Zunamen, und meine Reden, die ich hielt, beſtun- den in nichts, als Fragen, und Anmerkungen. Die Erlernung der Logik war meine ernſthafteſte Be- ſchaͤfftigung. Zwar die gemeine Art, zu denken, hat mir niemals gefallen wollen. Sie iſt gar zu deut- lich, und die Kunſtwoͤrter ſind zu ſehr geſpart. Wenn ich jemanden, als ein Gelehrter, uͤberzeugen will, ſo muß meine Ueberzeugung kunſtmaͤßig ſeyn, und ich mag denken, was ich will, ſo denke ich in forma. Meiner Abſchiedsrede kann ich mich ohne einige Selbſtliebe nicht erinnern. Jch handelte von den Rauchfaͤngen der alten Griechen, und inſonder- heit der Lacedaͤmonier. Jn welcher Sprache ich dieſelbe eigentlich gehalten habe; ſolches kann ich Jhnen nicht ſagen. Wenn ich Jhre Ohren nicht beleidigte, ſo wuͤrde ich ſie Ebraico-Latino-Grae- cam nennen. Dieſes letzte Meiſterſtuͤck meiner Faͤ- higkeit mochte wohl Urſache ſeyn, daß man mir ein vortreffliches Schulzeugniß gab. Jch werde es mit nach Leipzig bringen, und alſo die Ehre haben, Jhnen Brief und Siegel uͤber meine Geſchicklichkeit zu zeigen. Bis Erſter Theil. H

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/187>, abgerufen am 21.11.2024.