[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.der Satyre. chen, und Lisette muß der unschuldige Gegenstandseiner ausschweifenden Einfälle seyn. Aber Li- sette thut verliebt, sie wirft ihre schielenden Blicke mit einer wollüstigen Frechheit in der Kirche herum. Nunmehr wird sie lächerlich; nunmehr giebt sie die schönste Gelegenheit zu einer Satyre. Eine der gemeinsten Regeln ist diese: Die Sa- Gemeiniglich verstehen wir unter dem Worte geiz,
der Satyre. chen, und Liſette muß der unſchuldige Gegenſtandſeiner ausſchweifenden Einfaͤlle ſeyn. Aber Li- ſette thut verliebt, ſie wirft ihre ſchielenden Blicke mit einer wolluͤſtigen Frechheit in der Kirche herum. Nunmehr wird ſie laͤcherlich; nunmehr giebt ſie die ſchoͤnſte Gelegenheit zu einer Satyre. Eine der gemeinſten Regeln iſt dieſe: Die Sa- Gemeiniglich verſtehen wir unter dem Worte geiz,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0215" n="141"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Satyre.</hi></fw><lb/> chen, und Liſette muß der unſchuldige Gegenſtand<lb/> ſeiner ausſchweifenden Einfaͤlle ſeyn. Aber Li-<lb/> ſette thut verliebt, ſie wirft ihre ſchielenden Blicke<lb/> mit einer wolluͤſtigen Frechheit in der Kirche herum.<lb/> Nunmehr wird ſie laͤcherlich; nunmehr giebt ſie die<lb/> ſchoͤnſte Gelegenheit zu einer Satyre.</p><lb/> <p>Eine der gemeinſten Regeln iſt dieſe: Die Sa-<lb/> tyre ſoll die Laſter tadeln, nicht aber die Perſo-<lb/> nen. Jch muß dieſer Regel Beyfall geben, und<lb/> ſie ſcheint aus demjenigen Satze zu fließen, welchen<lb/> ich oben zum Grunde gelegt habe. Dennoch aber<lb/> halte ich auch diejenigen nicht fuͤr ſtrafbar, welche<lb/> ihre Gedanken bey Verfertigung der Satyre auf<lb/> eine gewiſſe Perſon richten. Meine Begriffe, mei-<lb/> ne Ausdruͤckungen, meine ganze Arbeit wird viel<lb/> lebhafter ſeyn, wenn ich ein Urbild vor mir ſehe.<lb/> Jch tadle alsdann nicht die Perſon, ich tadle das<lb/> Laſter, welches dieſe an ſich hat. Leſe ich den Ab-<lb/> riß, welcher von dem leoniſchen Doctor in den Be-<lb/> luſtigungen gemacht worden iſt: So werde ich viel-<lb/> mehr geruͤhrt, wenn ich an Arganten denke; und<lb/> vielleicht hat der Verfaſſer auch an ihn gedacht, um<lb/> das Bild eines leoniſchen Doctors recht nach dem<lb/> Leben zu ſchildern. Deswegen aber darf ich nicht<lb/> ſagen, daß dieſes eine Satyre auf Arganten ſey. Sie<lb/> geht auf alle diejenigen, welche eben ſo, wie unſer<lb/> Argant, ihre faule Unwiſſenheit unter dem Doctor-<lb/> huthe verbergen wollen.</p><lb/> <p>Gemeiniglich verſtehen wir unter dem Worte<lb/><hi rendition="#fr">Laſter</hi> nur die drey Hauptfehler, den Ehrgeiz, Geld-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">geiz,</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [141/0215]
der Satyre.
chen, und Liſette muß der unſchuldige Gegenſtand
ſeiner ausſchweifenden Einfaͤlle ſeyn. Aber Li-
ſette thut verliebt, ſie wirft ihre ſchielenden Blicke
mit einer wolluͤſtigen Frechheit in der Kirche herum.
Nunmehr wird ſie laͤcherlich; nunmehr giebt ſie die
ſchoͤnſte Gelegenheit zu einer Satyre.
Eine der gemeinſten Regeln iſt dieſe: Die Sa-
tyre ſoll die Laſter tadeln, nicht aber die Perſo-
nen. Jch muß dieſer Regel Beyfall geben, und
ſie ſcheint aus demjenigen Satze zu fließen, welchen
ich oben zum Grunde gelegt habe. Dennoch aber
halte ich auch diejenigen nicht fuͤr ſtrafbar, welche
ihre Gedanken bey Verfertigung der Satyre auf
eine gewiſſe Perſon richten. Meine Begriffe, mei-
ne Ausdruͤckungen, meine ganze Arbeit wird viel
lebhafter ſeyn, wenn ich ein Urbild vor mir ſehe.
Jch tadle alsdann nicht die Perſon, ich tadle das
Laſter, welches dieſe an ſich hat. Leſe ich den Ab-
riß, welcher von dem leoniſchen Doctor in den Be-
luſtigungen gemacht worden iſt: So werde ich viel-
mehr geruͤhrt, wenn ich an Arganten denke; und
vielleicht hat der Verfaſſer auch an ihn gedacht, um
das Bild eines leoniſchen Doctors recht nach dem
Leben zu ſchildern. Deswegen aber darf ich nicht
ſagen, daß dieſes eine Satyre auf Arganten ſey. Sie
geht auf alle diejenigen, welche eben ſo, wie unſer
Argant, ihre faule Unwiſſenheit unter dem Doctor-
huthe verbergen wollen.
Gemeiniglich verſtehen wir unter dem Worte
Laſter nur die drey Hauptfehler, den Ehrgeiz, Geld-
geiz,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |