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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Jrus, eine lucianische Erzählung.
Jupiter hätte sich in des Ceraunius Mutter ver-
liebt, und in einen Ochsen verwandelt gehabt, um ih-
rer Liebe zu genießen. Nunmehr baute man ihm
Altäre; man schwur bey seinem Namen, und die
Priester waren beschäfftigt, in dem Eingeweide des
Opferviehes zu finden, daß der große Ceraunius,
dieser würdige Sohn des Jupiters, die einzige Stütze
von ganz Jthaka sey. Toxaris, sein ehemaliger
Nachbar, ein Mann, welchen das Glück, ein uner-
müdeter Fleiß, und eine vernünftige Sparsamkeit zu
einem reichen Bürger gemacht hatten, war das erste
Opfer seiner ungezähmten Begierde. Er hatte ihn
schon damals beneidet, als er noch Jrus hieß; und
nunmehr war es Zeit, daß er ihn empfinden ließ,
was derjenige vermöge, dessen Vater den Donner-
keil in Händen trage. Es traten Zeugen auf, wel-
che behaupteten, Toxaris habe die Götter geläug-
net, die Tempel beraubt, die Priester verspottet, und
durch ungerechtes Gut seine Schätze vermehrt. Er
ward ins Gefängniß geschmissen, und zu einem
schmählichen Tode verdammt. Seine geängstigte
Frau, seine unschuldigen Kinder warfen sich mit
Thränen zu den Füßen unsers unempfindlichen Ty-
rannen; aber umsonst. Toxaris mußte sterben,
und alle, die ihm angehörten, mußten ins Elend ge-
hen. Jrus blieb sein einziger Erbe. Noch etwas
fehlte ihm an seiner Glückseligkeit. Er wollte sich
vermählen. Die Vornehmsten des Landes waren
bemüht, in seine Verwandtschaft zu kommen. Me-
nippus
war allein so glücklich, daß Jrus auf seine
Tochter, Euforbia, die Augen warf. Er hoffte

durch

Jrus, eine lucianiſche Erzaͤhlung.
Jupiter haͤtte ſich in des Ceraunius Mutter ver-
liebt, und in einen Ochſen verwandelt gehabt, um ih-
rer Liebe zu genießen. Nunmehr baute man ihm
Altaͤre; man ſchwur bey ſeinem Namen, und die
Prieſter waren beſchaͤfftigt, in dem Eingeweide des
Opferviehes zu finden, daß der große Ceraunius,
dieſer wuͤrdige Sohn des Jupiters, die einzige Stuͤtze
von ganz Jthaka ſey. Toxaris, ſein ehemaliger
Nachbar, ein Mann, welchen das Gluͤck, ein uner-
muͤdeter Fleiß, und eine vernuͤnftige Sparſamkeit zu
einem reichen Buͤrger gemacht hatten, war das erſte
Opfer ſeiner ungezaͤhmten Begierde. Er hatte ihn
ſchon damals beneidet, als er noch Jrus hieß; und
nunmehr war es Zeit, daß er ihn empfinden ließ,
was derjenige vermoͤge, deſſen Vater den Donner-
keil in Haͤnden trage. Es traten Zeugen auf, wel-
che behaupteten, Toxaris habe die Goͤtter gelaͤug-
net, die Tempel beraubt, die Prieſter verſpottet, und
durch ungerechtes Gut ſeine Schaͤtze vermehrt. Er
ward ins Gefaͤngniß geſchmiſſen, und zu einem
ſchmaͤhlichen Tode verdammt. Seine geaͤngſtigte
Frau, ſeine unſchuldigen Kinder warfen ſich mit
Thraͤnen zu den Fuͤßen unſers unempfindlichen Ty-
rannen; aber umſonſt. Toxaris mußte ſterben,
und alle, die ihm angehoͤrten, mußten ins Elend ge-
hen. Jrus blieb ſein einziger Erbe. Noch etwas
fehlte ihm an ſeiner Gluͤckſeligkeit. Er wollte ſich
vermaͤhlen. Die Vornehmſten des Landes waren
bemuͤht, in ſeine Verwandtſchaft zu kommen. Me-
nippus
war allein ſo gluͤcklich, daß Jrus auf ſeine
Tochter, Euforbia, die Augen warf. Er hoffte

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[159/0233] Jrus, eine lucianiſche Erzaͤhlung. Jupiter haͤtte ſich in des Ceraunius Mutter ver- liebt, und in einen Ochſen verwandelt gehabt, um ih- rer Liebe zu genießen. Nunmehr baute man ihm Altaͤre; man ſchwur bey ſeinem Namen, und die Prieſter waren beſchaͤfftigt, in dem Eingeweide des Opferviehes zu finden, daß der große Ceraunius, dieſer wuͤrdige Sohn des Jupiters, die einzige Stuͤtze von ganz Jthaka ſey. Toxaris, ſein ehemaliger Nachbar, ein Mann, welchen das Gluͤck, ein uner- muͤdeter Fleiß, und eine vernuͤnftige Sparſamkeit zu einem reichen Buͤrger gemacht hatten, war das erſte Opfer ſeiner ungezaͤhmten Begierde. Er hatte ihn ſchon damals beneidet, als er noch Jrus hieß; und nunmehr war es Zeit, daß er ihn empfinden ließ, was derjenige vermoͤge, deſſen Vater den Donner- keil in Haͤnden trage. Es traten Zeugen auf, wel- che behaupteten, Toxaris habe die Goͤtter gelaͤug- net, die Tempel beraubt, die Prieſter verſpottet, und durch ungerechtes Gut ſeine Schaͤtze vermehrt. Er ward ins Gefaͤngniß geſchmiſſen, und zu einem ſchmaͤhlichen Tode verdammt. Seine geaͤngſtigte Frau, ſeine unſchuldigen Kinder warfen ſich mit Thraͤnen zu den Fuͤßen unſers unempfindlichen Ty- rannen; aber umſonſt. Toxaris mußte ſterben, und alle, die ihm angehoͤrten, mußten ins Elend ge- hen. Jrus blieb ſein einziger Erbe. Noch etwas fehlte ihm an ſeiner Gluͤckſeligkeit. Er wollte ſich vermaͤhlen. Die Vornehmſten des Landes waren bemuͤht, in ſeine Verwandtſchaft zu kommen. Me- nippus war allein ſo gluͤcklich, daß Jrus auf ſeine Tochter, Euforbia, die Augen warf. Er hoffte durch

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/233>, abgerufen am 24.11.2024.