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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Eine Todtenliste
lich starb er, und hinterließ seine Schätze einem Vet-
ter, welcher unserm Horn die Augen mit Freuden
zudrückte. Seinem letzten Willen zu Folge mußte
ihm ein Leichenstein gesetzt werden, auf den dasje-
nige kommen sollte, was er in seinem Leben rühm-
liches gethan hatte. Es steht also weiter nichts
darauf, als dieses, daß er gestorben sey.

Nilson Scribbens. Dieser gelehrte Mann
hatte eine ganz besondre Natur. Unter andern
war es merkwürdig, daß bey ihm seine Gelehrsam-
keit den Sitz im Magen hatte. So bald ihn hun-
gerte; So bald fieng er auch an, Bücher zu schrei-
ben. Aus der Größe seiner Schriften konnte man
deutlich abnehmen, wie lange er gefastet hatte. Ein
Tractätchen von zween oder dreyen Bogen war ein
untrügliches Merkmaal, daß er binnen vier und
zwanzig Stunden nichts zu essen gehabt, und wenn
der Hunger recht nagend war, so schrieb er auch
Werke zu ganzen Alphabeten. Jn der großen
Theurung im Jahre 1689, schrieb er die Universal-
chronicke aller Nordscheine, welche sich seit dem To-
de König Knuts hatten sehen lassen, in zwölf Bän-
den, großquart, mit Figuren, nebst einer Vorrede
wider die unbußfertigen Atheisten. Dieses gelehr-
te Werk fängt schon an, rar zu werden, weil es
gleich in den ersten Jahren stark verbraucht wor-
den ist.

Johann Kyle, ein Advocat, und geübter
Mann, welcher alle casus in terminis gehabt
hatte. Seinen Clienten konnte er es gleich an den
Kleidern ansehen, ob sie gerechte Sache hatten, oder

nicht.

Eine Todtenliſte
lich ſtarb er, und hinterließ ſeine Schaͤtze einem Vet-
ter, welcher unſerm Horn die Augen mit Freuden
zudruͤckte. Seinem letzten Willen zu Folge mußte
ihm ein Leichenſtein geſetzt werden, auf den dasje-
nige kommen ſollte, was er in ſeinem Leben ruͤhm-
liches gethan hatte. Es ſteht alſo weiter nichts
darauf, als dieſes, daß er geſtorben ſey.

Nilſon Scribbens. Dieſer gelehrte Mann
hatte eine ganz beſondre Natur. Unter andern
war es merkwuͤrdig, daß bey ihm ſeine Gelehrſam-
keit den Sitz im Magen hatte. So bald ihn hun-
gerte; So bald fieng er auch an, Buͤcher zu ſchrei-
ben. Aus der Groͤße ſeiner Schriften konnte man
deutlich abnehmen, wie lange er gefaſtet hatte. Ein
Tractaͤtchen von zween oder dreyen Bogen war ein
untruͤgliches Merkmaal, daß er binnen vier und
zwanzig Stunden nichts zu eſſen gehabt, und wenn
der Hunger recht nagend war, ſo ſchrieb er auch
Werke zu ganzen Alphabeten. Jn der großen
Theurung im Jahre 1689, ſchrieb er die Univerſal-
chronicke aller Nordſcheine, welche ſich ſeit dem To-
de Koͤnig Knuts hatten ſehen laſſen, in zwoͤlf Baͤn-
den, großquart, mit Figuren, nebſt einer Vorrede
wider die unbußfertigen Atheiſten. Dieſes gelehr-
te Werk faͤngt ſchon an, rar zu werden, weil es
gleich in den erſten Jahren ſtark verbraucht wor-
den iſt.

Johann Kyle, ein Advocat, und geuͤbter
Mann, welcher alle caſus in terminis gehabt
hatte. Seinen Clienten konnte er es gleich an den
Kleidern anſehen, ob ſie gerechte Sache hatten, oder

nicht.
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[170/0244] Eine Todtenliſte lich ſtarb er, und hinterließ ſeine Schaͤtze einem Vet- ter, welcher unſerm Horn die Augen mit Freuden zudruͤckte. Seinem letzten Willen zu Folge mußte ihm ein Leichenſtein geſetzt werden, auf den dasje- nige kommen ſollte, was er in ſeinem Leben ruͤhm- liches gethan hatte. Es ſteht alſo weiter nichts darauf, als dieſes, daß er geſtorben ſey. Nilſon Scribbens. Dieſer gelehrte Mann hatte eine ganz beſondre Natur. Unter andern war es merkwuͤrdig, daß bey ihm ſeine Gelehrſam- keit den Sitz im Magen hatte. So bald ihn hun- gerte; So bald fieng er auch an, Buͤcher zu ſchrei- ben. Aus der Groͤße ſeiner Schriften konnte man deutlich abnehmen, wie lange er gefaſtet hatte. Ein Tractaͤtchen von zween oder dreyen Bogen war ein untruͤgliches Merkmaal, daß er binnen vier und zwanzig Stunden nichts zu eſſen gehabt, und wenn der Hunger recht nagend war, ſo ſchrieb er auch Werke zu ganzen Alphabeten. Jn der großen Theurung im Jahre 1689, ſchrieb er die Univerſal- chronicke aller Nordſcheine, welche ſich ſeit dem To- de Koͤnig Knuts hatten ſehen laſſen, in zwoͤlf Baͤn- den, großquart, mit Figuren, nebſt einer Vorrede wider die unbußfertigen Atheiſten. Dieſes gelehr- te Werk faͤngt ſchon an, rar zu werden, weil es gleich in den erſten Jahren ſtark verbraucht wor- den iſt. Johann Kyle, ein Advocat, und geuͤbter Mann, welcher alle caſus in terminis gehabt hatte. Seinen Clienten konnte er es gleich an den Kleidern anſehen, ob ſie gerechte Sache hatten, oder nicht.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/244>, abgerufen am 24.11.2024.