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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Eine Todtenliste
Einwohnern brachte. Diesen Umstand führe ich
um deswillen hier an, weil er die wahre Ursache
meiner damaligen Tiefsinnigkeit ist, welche ich nicht
einmal dem redlichen Abelin, und meinem guten
Freunde, Magister Eduarden, vertraute; denn ich
schämte mich, wie ein Gelehrter, wenn er einen Do-
natschnitzer gemacht hat. Jch komme wieder auf
unsre Sigridinn. Diese bezeigte Grausamkeit
war ihrer Natur so sehr zuwider, als der Abschied
vieler von ihren Anbetern. Jhr Herz war eben so
so wohl vom Fleische, als die Herzen andrer Frauen-
zimmer. Allein, Seufzer, verliebte Flüche, zärtli-
che Verzweiflungen uud Disputationen von Pan-
toffeln, waren freylich die Mittel nicht, durch wel-
che man dieselbe gewinnen konnte. Ein Band, ein
Kopfputz, eine neue Mode aus Hamburg, konnte
diese Spröde so zahm machen, als ein Lamm. Jch
verschweige es nur aus Hochachtung gegen meine
ehemalige Schöne, und kraft tragender Amtspflicht,
was ich in unserm Kirchenbuche gefunden habe.
Der hollsteinische Edelmann ist noch vielen bekannt;
er hätte freylich sein Wort halten sollen; doch hat
er auch allemal bezahlt, als ein ehrlicher Cavalier.
Doch genug! Wäre ich nicht Küster, so dürfte ich
mehr reden.

Was ich bisher erzählt habe, das macht den
Lebenslauf meiner Heldinn bis in ihr dreyßigstes
Jahr aus. Nunmehr kömmt der andre Aufzug,
und die Rolle, welche sie darinnen bis in ihr vier-
zigstes Jahr gespielt hat, ist nicht weniger merkwür-
dig, als die vorige. Mich dünkt, das dreyßigste

Jahr

Eine Todtenliſte
Einwohnern brachte. Dieſen Umſtand fuͤhre ich
um deswillen hier an, weil er die wahre Urſache
meiner damaligen Tiefſinnigkeit iſt, welche ich nicht
einmal dem redlichen Abelin, und meinem guten
Freunde, Magiſter Eduarden, vertraute; denn ich
ſchaͤmte mich, wie ein Gelehrter, wenn er einen Do-
natſchnitzer gemacht hat. Jch komme wieder auf
unſre Sigridinn. Dieſe bezeigte Grauſamkeit
war ihrer Natur ſo ſehr zuwider, als der Abſchied
vieler von ihren Anbetern. Jhr Herz war eben ſo
ſo wohl vom Fleiſche, als die Herzen andrer Frauen-
zimmer. Allein, Seufzer, verliebte Fluͤche, zaͤrtli-
che Verzweiflungen uud Diſputationen von Pan-
toffeln, waren freylich die Mittel nicht, durch wel-
che man dieſelbe gewinnen konnte. Ein Band, ein
Kopfputz, eine neue Mode aus Hamburg, konnte
dieſe Sproͤde ſo zahm machen, als ein Lamm. Jch
verſchweige es nur aus Hochachtung gegen meine
ehemalige Schoͤne, und kraft tragender Amtspflicht,
was ich in unſerm Kirchenbuche gefunden habe.
Der hollſteiniſche Edelmann iſt noch vielen bekannt;
er haͤtte freylich ſein Wort halten ſollen; doch hat
er auch allemal bezahlt, als ein ehrlicher Cavalier.
Doch genug! Waͤre ich nicht Kuͤſter, ſo duͤrfte ich
mehr reden.

Was ich bisher erzaͤhlt habe, das macht den
Lebenslauf meiner Heldinn bis in ihr dreyßigſtes
Jahr aus. Nunmehr koͤmmt der andre Aufzug,
und die Rolle, welche ſie darinnen bis in ihr vier-
zigſtes Jahr geſpielt hat, iſt nicht weniger merkwuͤr-
dig, als die vorige. Mich duͤnkt, das dreyßigſte

Jahr
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[174/0248] Eine Todtenliſte Einwohnern brachte. Dieſen Umſtand fuͤhre ich um deswillen hier an, weil er die wahre Urſache meiner damaligen Tiefſinnigkeit iſt, welche ich nicht einmal dem redlichen Abelin, und meinem guten Freunde, Magiſter Eduarden, vertraute; denn ich ſchaͤmte mich, wie ein Gelehrter, wenn er einen Do- natſchnitzer gemacht hat. Jch komme wieder auf unſre Sigridinn. Dieſe bezeigte Grauſamkeit war ihrer Natur ſo ſehr zuwider, als der Abſchied vieler von ihren Anbetern. Jhr Herz war eben ſo ſo wohl vom Fleiſche, als die Herzen andrer Frauen- zimmer. Allein, Seufzer, verliebte Fluͤche, zaͤrtli- che Verzweiflungen uud Diſputationen von Pan- toffeln, waren freylich die Mittel nicht, durch wel- che man dieſelbe gewinnen konnte. Ein Band, ein Kopfputz, eine neue Mode aus Hamburg, konnte dieſe Sproͤde ſo zahm machen, als ein Lamm. Jch verſchweige es nur aus Hochachtung gegen meine ehemalige Schoͤne, und kraft tragender Amtspflicht, was ich in unſerm Kirchenbuche gefunden habe. Der hollſteiniſche Edelmann iſt noch vielen bekannt; er haͤtte freylich ſein Wort halten ſollen; doch hat er auch allemal bezahlt, als ein ehrlicher Cavalier. Doch genug! Waͤre ich nicht Kuͤſter, ſo duͤrfte ich mehr reden. Was ich bisher erzaͤhlt habe, das macht den Lebenslauf meiner Heldinn bis in ihr dreyßigſtes Jahr aus. Nunmehr koͤmmt der andre Aufzug, und die Rolle, welche ſie darinnen bis in ihr vier- zigſtes Jahr geſpielt hat, iſt nicht weniger merkwuͤr- dig, als die vorige. Mich duͤnkt, das dreyßigſte Jahr

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/248>, abgerufen am 24.11.2024.