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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

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Vorbericht.
Die Vorsicht, mit welcher man in alten Zeiten sich
des Eides bediente, war Ursache, daß er sich in sei-
nem wahren Werthe erhielt. Je behutsamer man
war, die Eide zuzulassen, destomehr Ehrfurcht be-
hielt man für dieselben im Gerichte. Jtzt sind unsre
Richter weit nachsehender, und ich weis nicht, ist es
die Bosheit der Menschen, oder ist es eine andre
Ursache, welche das Uebel beynahe unvermeidlich
macht, daß man vor den meisten Gerichtsbänken fast
mehr von Eiden, als von Sporteln, reden hört.
Jch hatte wahrgenommen, daß ein unverschämter
Leichtsinn bey Ablegung eines Eides gewissermaaßen
zu einer Art des Wohlstandes geworden war. Frau-
enzimmer, welche sich würden geschämt haben, ih-
rem Bräutigame vor dem Altar anders, als mit ei-
ner ehrbaren und gesetzten Miene die Versicherung
ihrer Treue zu geben, hüpften mit dem flatterhaften
Leichtsinne einer Coqvette vor den Richterstuhl, und
schwuren mit lachenden Mienen den schrecklichsten Eid.
Männer, und Männer deren Amt vielmals erfodert,
daß sie selbst andre vor dem Meyneide warnen müssen,
verrichteten diese Handlung mit einer so frechen Sorg-
losigkeit, daß sie um nichts bekümmert zu seyn schienen,
als wie sie ihre Füße wohl stellen, den Huth unterm
Arme anständig halten, und den Mantel auf eine

galante

Vorbericht.
Die Vorſicht, mit welcher man in alten Zeiten ſich
des Eides bediente, war Urſache, daß er ſich in ſei-
nem wahren Werthe erhielt. Je behutſamer man
war, die Eide zuzulaſſen, deſtomehr Ehrfurcht be-
hielt man fuͤr dieſelben im Gerichte. Jtzt ſind unſre
Richter weit nachſehender, und ich weis nicht, iſt es
die Bosheit der Menſchen, oder iſt es eine andre
Urſache, welche das Uebel beynahe unvermeidlich
macht, daß man vor den meiſten Gerichtsbaͤnken faſt
mehr von Eiden, als von Sporteln, reden hoͤrt.
Jch hatte wahrgenommen, daß ein unverſchaͤmter
Leichtſinn bey Ablegung eines Eides gewiſſermaaßen
zu einer Art des Wohlſtandes geworden war. Frau-
enzimmer, welche ſich wuͤrden geſchaͤmt haben, ih-
rem Braͤutigame vor dem Altar anders, als mit ei-
ner ehrbaren und geſetzten Miene die Verſicherung
ihrer Treue zu geben, huͤpften mit dem flatterhaften
Leichtſinne einer Coqvette vor den Richterſtuhl, und
ſchwuren mit lachenden Mienen den ſchrecklichſten Eid.
Maͤnner, und Maͤnner deren Amt vielmals erfodert,
daß ſie ſelbſt andre vor dem Meyneide warnen muͤſſen,
verrichteten dieſe Handlung mit einer ſo frechen Sorg-
loſigkeit, daß ſie um nichts bekuͤmmert zu ſeyn ſchienen,
als wie ſie ihre Fuͤße wohl ſtellen, den Huth unterm
Arme anſtaͤndig halten, und den Mantel auf eine

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[29/0029] Vorbericht. Die Vorſicht, mit welcher man in alten Zeiten ſich des Eides bediente, war Urſache, daß er ſich in ſei- nem wahren Werthe erhielt. Je behutſamer man war, die Eide zuzulaſſen, deſtomehr Ehrfurcht be- hielt man fuͤr dieſelben im Gerichte. Jtzt ſind unſre Richter weit nachſehender, und ich weis nicht, iſt es die Bosheit der Menſchen, oder iſt es eine andre Urſache, welche das Uebel beynahe unvermeidlich macht, daß man vor den meiſten Gerichtsbaͤnken faſt mehr von Eiden, als von Sporteln, reden hoͤrt. Jch hatte wahrgenommen, daß ein unverſchaͤmter Leichtſinn bey Ablegung eines Eides gewiſſermaaßen zu einer Art des Wohlſtandes geworden war. Frau- enzimmer, welche ſich wuͤrden geſchaͤmt haben, ih- rem Braͤutigame vor dem Altar anders, als mit ei- ner ehrbaren und geſetzten Miene die Verſicherung ihrer Treue zu geben, huͤpften mit dem flatterhaften Leichtſinne einer Coqvette vor den Richterſtuhl, und ſchwuren mit lachenden Mienen den ſchrecklichſten Eid. Maͤnner, und Maͤnner deren Amt vielmals erfodert, daß ſie ſelbſt andre vor dem Meyneide warnen muͤſſen, verrichteten dieſe Handlung mit einer ſo frechen Sorg- loſigkeit, daß ſie um nichts bekuͤmmert zu ſeyn ſchienen, als wie ſie ihre Fuͤße wohl ſtellen, den Huth unterm Arme anſtaͤndig halten, und den Mantel auf eine galante

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/29>, abgerufen am 21.11.2024.