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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Noten ohne Text.
Umständen, oder aus der Arzneykunst, oder aus
den bürgerlichen Rechten dazu wählen wollen.
Eine Abhandlung von dem leeren Raume sollte sich
auch nicht unrecht dazu schicken, denn dergleichen
Betrachtungen werden nicht sehr gelesen, und solche
Texte braucht ein Notenautor, wie ich bin, am
liebsten. Jch wollte wünschen, daß sich bald wie-
der ein Komet sehen ließe. Meine Noten sollten
sich ganz vortrefflich ausnehmen, wenn sie unter ei-
ner Abhandlung davon stünden. Man wird zwar
darinnen nicht ein einziges Wort von Kometen fin-
den. Aber desto besser wäre es; denn natürlicher
Weise haben dergleichen Noten, wie die meinigen
sind, ohnedem mit dem Texte weiter kein Verhält-
niß, als das, welches ihnen der Setzer giebt. Mit
einem Worte; mit dem Texte mag ich gar nichts zu
thun haben, den überlasse ich kleinen Geistern. Jch
bin ein Gelehrter, und zwar ein Gelehrter bey Jah-
ren, darum schreibe ich Noten; denn das ist ein
wichtiges Werk! Jch erstaune, wenn ich zurücke
sehe, und eine unzählbare Menge Männer hinter
mir erblicke, welche sich so viele Jahre lang mit so vie-
ler Sorge, auf so verschiedne Art, um den Na-
men eines Gelehrten bemüht haben, von mir aber in
einer Zeit von zween Tagen, auf die beqvemlichste
Art von der Welt, und ohne meinem Verstande und
Nachdenken die geringste Gewalt anzuthun, einge-
holt, ja weit übertroffen sind. Allen meinen En-
keln will ich es anrathen. Noten sollen sie machen!
Und, wollen sie es so hoch bringen, wie ihr Groß-
vater, so machen sie Noten ohne Text! Eine Sache,

wel-

Noten ohne Text.
Umſtaͤnden, oder aus der Arzneykunſt, oder aus
den buͤrgerlichen Rechten dazu waͤhlen wollen.
Eine Abhandlung von dem leeren Raume ſollte ſich
auch nicht unrecht dazu ſchicken, denn dergleichen
Betrachtungen werden nicht ſehr geleſen, und ſolche
Texte braucht ein Notenautor, wie ich bin, am
liebſten. Jch wollte wuͤnſchen, daß ſich bald wie-
der ein Komet ſehen ließe. Meine Noten ſollten
ſich ganz vortrefflich ausnehmen, wenn ſie unter ei-
ner Abhandlung davon ſtuͤnden. Man wird zwar
darinnen nicht ein einziges Wort von Kometen fin-
den. Aber deſto beſſer waͤre es; denn natuͤrlicher
Weiſe haben dergleichen Noten, wie die meinigen
ſind, ohnedem mit dem Texte weiter kein Verhaͤlt-
niß, als das, welches ihnen der Setzer giebt. Mit
einem Worte; mit dem Texte mag ich gar nichts zu
thun haben, den uͤberlaſſe ich kleinen Geiſtern. Jch
bin ein Gelehrter, und zwar ein Gelehrter bey Jah-
ren, darum ſchreibe ich Noten; denn das iſt ein
wichtiges Werk! Jch erſtaune, wenn ich zuruͤcke
ſehe, und eine unzaͤhlbare Menge Maͤnner hinter
mir erblicke, welche ſich ſo viele Jahre lang mit ſo vie-
ler Sorge, auf ſo verſchiedne Art, um den Na-
men eines Gelehrten bemuͤht haben, von mir aber in
einer Zeit von zween Tagen, auf die beqvemlichſte
Art von der Welt, und ohne meinem Verſtande und
Nachdenken die geringſte Gewalt anzuthun, einge-
holt, ja weit uͤbertroffen ſind. Allen meinen En-
keln will ich es anrathen. Noten ſollen ſie machen!
Und, wollen ſie es ſo hoch bringen, wie ihr Groß-
vater, ſo machen ſie Noten ohne Text! Eine Sache,

wel-
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[111/0111] Noten ohne Text. Umſtaͤnden, oder aus der Arzneykunſt, oder aus den buͤrgerlichen Rechten dazu waͤhlen wollen. Eine Abhandlung von dem leeren Raume ſollte ſich auch nicht unrecht dazu ſchicken, denn dergleichen Betrachtungen werden nicht ſehr geleſen, und ſolche Texte braucht ein Notenautor, wie ich bin, am liebſten. Jch wollte wuͤnſchen, daß ſich bald wie- der ein Komet ſehen ließe. Meine Noten ſollten ſich ganz vortrefflich ausnehmen, wenn ſie unter ei- ner Abhandlung davon ſtuͤnden. Man wird zwar darinnen nicht ein einziges Wort von Kometen fin- den. Aber deſto beſſer waͤre es; denn natuͤrlicher Weiſe haben dergleichen Noten, wie die meinigen ſind, ohnedem mit dem Texte weiter kein Verhaͤlt- niß, als das, welches ihnen der Setzer giebt. Mit einem Worte; mit dem Texte mag ich gar nichts zu thun haben, den uͤberlaſſe ich kleinen Geiſtern. Jch bin ein Gelehrter, und zwar ein Gelehrter bey Jah- ren, darum ſchreibe ich Noten; denn das iſt ein wichtiges Werk! Jch erſtaune, wenn ich zuruͤcke ſehe, und eine unzaͤhlbare Menge Maͤnner hinter mir erblicke, welche ſich ſo viele Jahre lang mit ſo vie- ler Sorge, auf ſo verſchiedne Art, um den Na- men eines Gelehrten bemuͤht haben, von mir aber in einer Zeit von zween Tagen, auf die beqvemlichſte Art von der Welt, und ohne meinem Verſtande und Nachdenken die geringſte Gewalt anzuthun, einge- holt, ja weit uͤbertroffen ſind. Allen meinen En- keln will ich es anrathen. Noten ſollen ſie machen! Und, wollen ſie es ſo hoch bringen, wie ihr Groß- vater, ſo machen ſie Noten ohne Text! Eine Sache, wel-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/111>, abgerufen am 15.05.2024.