[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.eines deutschen Wörterbuchs. senschaften mit ganzem Ernste widmen; die gutenSchriften der Alten und Neuern mit Aufmerksamkeit lesen; die höhern Wahrheiten durch eignes Nachden- ken untersuchen; sich bemühen, ihnen noch weiter nachzuforschen; auf das bloße Wort ihres Lehrers nichts treuherzig glauben; von der Gründlichkeit ei- nes jeden Satzes sich selbst überführen wollen; Sa- chen, die in der Welt zu nichts nütze sind, als höch- stens eine kritische Neugierigkeit zu befriedigen, für Kleinigkeiten halten, und sich auf solche Wissenschaf- ten legen, welche der menschlichen Gesellschaft wahren Nutzen bringen; und welche diese Wissenschaften auch wirklich zum Nutzen andrer anzuwenden suchen. Nur diese sollen den Namen eines Gelehrten verdie- nen? Das ist beynahe zu viel! Wenn das gelten soll: So stehe ich nicht dafür, daß ein Gelehrtenlexikon, welches itzt in zween Foliobänden kaum Platz hat, sich nicht binnen kurzer Zeit in einen mäßigen Octav- band verwandeln wird. Es fehlt wahrlich weiter nichts, als daß man noch von einem Gelehrten fo- dert, daß er bescheiden, ohne Eigenliebe, und eben so tugendhaft, als philosophisch, sey. Verlangt man noch dieses: Was für ein kleines Häuflein wird aus unsrer großen gelehrten Welt werden? Jch wünsche mir nicht, dieses Unglück zu erleben! Viel tausend Menschen würde man, auf solche Art, um ihre gelehrten Titel und Aemter bringen. Und da sie, außer ihrer gelehrten Miene, sonst nichts verstehen, wodurch sie sich nähren könnten, wie viel Bettler, wie viel müßiges Volk würden wir ins Land kriegen! Selbst M 5
eines deutſchen Woͤrterbuchs. ſenſchaften mit ganzem Ernſte widmen; die gutenSchriften der Alten und Neuern mit Aufmerkſamkeit leſen; die hoͤhern Wahrheiten durch eignes Nachden- ken unterſuchen; ſich bemuͤhen, ihnen noch weiter nachzuforſchen; auf das bloße Wort ihres Lehrers nichts treuherzig glauben; von der Gruͤndlichkeit ei- nes jeden Satzes ſich ſelbſt uͤberfuͤhren wollen; Sa- chen, die in der Welt zu nichts nuͤtze ſind, als hoͤch- ſtens eine kritiſche Neugierigkeit zu befriedigen, fuͤr Kleinigkeiten halten, und ſich auf ſolche Wiſſenſchaf- ten legen, welche der menſchlichen Geſellſchaft wahren Nutzen bringen; und welche dieſe Wiſſenſchaften auch wirklich zum Nutzen andrer anzuwenden ſuchen. Nur dieſe ſollen den Namen eines Gelehrten verdie- nen? Das iſt beynahe zu viel! Wenn das gelten ſoll: So ſtehe ich nicht dafuͤr, daß ein Gelehrtenlexikon, welches itzt in zween Foliobaͤnden kaum Platz hat, ſich nicht binnen kurzer Zeit in einen maͤßigen Octav- band verwandeln wird. Es fehlt wahrlich weiter nichts, als daß man noch von einem Gelehrten fo- dert, daß er beſcheiden, ohne Eigenliebe, und eben ſo tugendhaft, als philoſophiſch, ſey. Verlangt man noch dieſes: Was fuͤr ein kleines Haͤuflein wird aus unſrer großen gelehrten Welt werden? Jch wuͤnſche mir nicht, dieſes Ungluͤck zu erleben! Viel tauſend Menſchen wuͤrde man, auf ſolche Art, um ihre gelehrten Titel und Aemter bringen. Und da ſie, außer ihrer gelehrten Miene, ſonſt nichts verſtehen, wodurch ſie ſich naͤhren koͤnnten, wie viel Bettler, wie viel muͤßiges Volk wuͤrden wir ins Land kriegen! Selbſt M 5
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ſenſchaften mit ganzem Ernſte widmen; die guten
Schriften der Alten und Neuern mit Aufmerkſamkeit
leſen; die hoͤhern Wahrheiten durch eignes Nachden-
ken unterſuchen; ſich bemuͤhen, ihnen noch weiter
nachzuforſchen; auf das bloße Wort ihres Lehrers
nichts treuherzig glauben; von der Gruͤndlichkeit ei-
nes jeden Satzes ſich ſelbſt uͤberfuͤhren wollen; Sa-
chen, die in der Welt zu nichts nuͤtze ſind, als hoͤch-
ſtens eine kritiſche Neugierigkeit zu befriedigen, fuͤr
Kleinigkeiten halten, und ſich auf ſolche Wiſſenſchaf-
ten legen, welche der menſchlichen Geſellſchaft wahren
Nutzen bringen; und welche dieſe Wiſſenſchaften auch
wirklich zum Nutzen andrer anzuwenden ſuchen.
Nur dieſe ſollen den Namen eines Gelehrten verdie-
nen? Das iſt beynahe zu viel! Wenn das gelten ſoll:
So ſtehe ich nicht dafuͤr, daß ein Gelehrtenlexikon,
welches itzt in zween Foliobaͤnden kaum Platz hat,
ſich nicht binnen kurzer Zeit in einen maͤßigen Octav-
band verwandeln wird. Es fehlt wahrlich weiter
nichts, als daß man noch von einem Gelehrten fo-
dert, daß er beſcheiden, ohne Eigenliebe, und eben ſo
tugendhaft, als philoſophiſch, ſey. Verlangt man
noch dieſes: Was fuͤr ein kleines Haͤuflein wird
aus unſrer großen gelehrten Welt werden? Jch
wuͤnſche mir nicht, dieſes Ungluͤck zu erleben! Viel
tauſend Menſchen wuͤrde man, auf ſolche Art, um ihre
gelehrten Titel und Aemter bringen. Und da ſie,
außer ihrer gelehrten Miene, ſonſt nichts verſtehen,
wodurch ſie ſich naͤhren koͤnnten, wie viel Bettler,
wie viel muͤßiges Volk wuͤrden wir ins Land kriegen!
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