[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.eines deutschen Wörterbuchs läßt sich darauf todt schlagen, daß er ein Gelehrterist! So oft er jemanden auf seine grrammatischen Wahrheiten tracirt; So oft heißt es immer über das andre Wort: Prout nos docti loquimur! Denn das ist wohl zu merken, was er redet, das klingt, wie lateinisch, und mit niemanden spricht er deutsch, als mit seiner Magd, und mit dem Haus- knechte, denn diese gehören zum Pöbel. Der gute Vetter! Wenn er noch lange lebt: So bin ich nicht für seinen gelehrten Ruhm Bürge. Jch denke aber, er soll bald sterben. Denn das Unglück hat ihm ein lateinisches Programma zugeführt, in welchem er so viel himmelschreyende Schnitzer wider die Rei- nigkeit der alten römischen Sprache entdeckte, daß ihm gleich bey Lesung der ersten Seite alle Sinne vergiengen. Er ermannte sich doch, und las weiter; aber den Augenblick kriegte er den Krampf in Hän- den und Füßen, er keichte, und im Gesichte ward er ganz schwarz. Es ist noch wenig Hoffnung zu seiner Besserung da; und wenn das Ding so fort geht: So wird er noch an diesem ketzerischen Programma elendiglich ersticken müssen. Der gelehrte Mann! Der Hochedle, Veste, Rechtshochgelahrte Herr der
eines deutſchen Woͤrterbuchs laͤßt ſich darauf todt ſchlagen, daß er ein Gelehrteriſt! So oft er jemanden auf ſeine grrammatiſchen Wahrheiten tracirt; So oft heißt es immer uͤber das andre Wort: Prout nos docti loquimur! Denn das iſt wohl zu merken, was er redet, das klingt, wie lateiniſch, und mit niemanden ſpricht er deutſch, als mit ſeiner Magd, und mit dem Haus- knechte, denn dieſe gehoͤren zum Poͤbel. Der gute Vetter! Wenn er noch lange lebt: So bin ich nicht fuͤr ſeinen gelehrten Ruhm Buͤrge. Jch denke aber, er ſoll bald ſterben. Denn das Ungluͤck hat ihm ein lateiniſches Programma zugefuͤhrt, in welchem er ſo viel himmelſchreyende Schnitzer wider die Rei- nigkeit der alten roͤmiſchen Sprache entdeckte, daß ihm gleich bey Leſung der erſten Seite alle Sinne vergiengen. Er ermannte ſich doch, und las weiter; aber den Augenblick kriegte er den Krampf in Haͤn- den und Fuͤßen, er keichte, und im Geſichte ward er ganz ſchwarz. Es iſt noch wenig Hoffnung zu ſeiner Beſſerung da; und wenn das Ding ſo fort geht: So wird er noch an dieſem ketzeriſchen Programma elendiglich erſticken muͤſſen. Der gelehrte Mann! Der Hochedle, Veſte, Rechtshochgelahrte Herr der
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eines deutſchen Woͤrterbuchs
laͤßt ſich darauf todt ſchlagen, daß er ein Gelehrter
iſt! So oft er jemanden auf ſeine grrammatiſchen
Wahrheiten tracirt; So oft heißt es immer uͤber
das andre Wort: Prout nos docti loquimur!
Denn das iſt wohl zu merken, was er redet, das
klingt, wie lateiniſch, und mit niemanden ſpricht er
deutſch, als mit ſeiner Magd, und mit dem Haus-
knechte, denn dieſe gehoͤren zum Poͤbel. Der gute
Vetter! Wenn er noch lange lebt: So bin ich nicht
fuͤr ſeinen gelehrten Ruhm Buͤrge. Jch denke aber,
er ſoll bald ſterben. Denn das Ungluͤck hat ihm
ein lateiniſches Programma zugefuͤhrt, in welchem
er ſo viel himmelſchreyende Schnitzer wider die Rei-
nigkeit der alten roͤmiſchen Sprache entdeckte, daß
ihm gleich bey Leſung der erſten Seite alle Sinne
vergiengen. Er ermannte ſich doch, und las weiter;
aber den Augenblick kriegte er den Krampf in Haͤn-
den und Fuͤßen, er keichte, und im Geſichte ward er
ganz ſchwarz. Es iſt noch wenig Hoffnung zu ſeiner
Beſſerung da; und wenn das Ding ſo fort geht: So
wird er noch an dieſem ketzeriſchen Programma
elendiglich erſticken muͤſſen. Der gelehrte Mann!
Der Hochedle, Veſte, Rechtshochgelahrte Herr
D. Valentin Vanno, iſt mein Vetter, und auch ein
Gelehrter, denn er iſt Doctor! Das will ich ihm
zwar gar nicht nachgeſagt haben, daß er das geringſte
von der Rechtsgelehrſamkeit verſtehe, aber er iſt
doch Doctor. Sein ſeliger Herr Großvater, ein
Mann, der am Verſtande nicht geſtorben iſt, war
der
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