[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.Versuch Es läuft wider meine Pflicht, wird ein ge- Ver-
Verſuch Es laͤuft wider meine Pflicht, wird ein ge- Ver-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0200" n="200"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Verſuch</hi> </hi> </fw><lb/> <p><hi rendition="#fr">Es laͤuft wider meine Pflicht,</hi> wird ein ge-<lb/> wiſſenhafter Richter ſprechen, wenn ihm der Be-<lb/> klagte Geſchenke anbietet. Ein vernuͤnftiger Be-<lb/> klagter aber wird es gar leicht begreifen, daß des<lb/> gewiſſenhaften Richters ſeine Frau Liebſte nicht in<lb/><hi rendition="#fr">Pflichten ſteht;</hi> und ſich daher mit ſeinen Ge-<lb/> ſchenken zu dieſer wenden, wenn er anders, von ih-<lb/> rem Manne, ein <hi rendition="#fr">pflichtengemaͤßes Urthel</hi> ver-<lb/> langt. Jch habe einen Schoͤſſer gekannt, wel-<lb/> cher das Expensbuch beſtaͤndig vor ſich liegen hatte,<lb/> und daher von ſich ſelbſt ruͤhmte, <hi rendition="#fr">daß er ſeine<lb/> Pflicht niemals aus den Augen ließe,</hi> denn<lb/> er glaubte, nur um deswillen ſey er ein verpflichte-<lb/> ter Schoͤſſer, daß er ſeinen Bauern liquidiren<lb/> koͤnne. <hi rendition="#aq">Ex officio</hi> arbeiten, wuͤrde ein Schulmann<lb/> vielleicht durch: <hi rendition="#fr">pflichtgemaͤß arbeiten,</hi> uͤberſe-<lb/> tzen. Aber das waͤre ein erſchrecklicher Schnitzer<lb/> wider den juriſtiſchen Donat. Wer es gruͤndlicher<lb/> lernen will, was das bedeutet, den will ich an einen<lb/> gewiſſen Amtmann weiſen. Wenn dieſer uͤber<lb/> die nahrloſen Zeiten und den Verfall der Sporteln<lb/> klagt: So ſpricht er allemal: „Ein ehrlicher Mann<lb/> „kann es faſt nicht mehr ausſtehen. Lauter Arbeit<lb/> „<hi rendition="#aq">ex officio!</hi> Bald Armenſachen! Bald Bericht<lb/> „wegen brandbeſchaͤdigter Unterthanen! Bald we-<lb/> „gen herrſchaftlicher Sachen! Alles <hi rendition="#aq">ex officio!</hi>„<lb/> Sachen alſo, davon in der Taxordnung nichts ſteht,<lb/> ſind Sachen <hi rendition="#aq">ex officio,</hi> und freylich ſind dergleichen<lb/> Arbeiten bis in den Tod verhaßt.</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Ver-</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [200/0200]
Verſuch
Es laͤuft wider meine Pflicht, wird ein ge-
wiſſenhafter Richter ſprechen, wenn ihm der Be-
klagte Geſchenke anbietet. Ein vernuͤnftiger Be-
klagter aber wird es gar leicht begreifen, daß des
gewiſſenhaften Richters ſeine Frau Liebſte nicht in
Pflichten ſteht; und ſich daher mit ſeinen Ge-
ſchenken zu dieſer wenden, wenn er anders, von ih-
rem Manne, ein pflichtengemaͤßes Urthel ver-
langt. Jch habe einen Schoͤſſer gekannt, wel-
cher das Expensbuch beſtaͤndig vor ſich liegen hatte,
und daher von ſich ſelbſt ruͤhmte, daß er ſeine
Pflicht niemals aus den Augen ließe, denn
er glaubte, nur um deswillen ſey er ein verpflichte-
ter Schoͤſſer, daß er ſeinen Bauern liquidiren
koͤnne. Ex officio arbeiten, wuͤrde ein Schulmann
vielleicht durch: pflichtgemaͤß arbeiten, uͤberſe-
tzen. Aber das waͤre ein erſchrecklicher Schnitzer
wider den juriſtiſchen Donat. Wer es gruͤndlicher
lernen will, was das bedeutet, den will ich an einen
gewiſſen Amtmann weiſen. Wenn dieſer uͤber
die nahrloſen Zeiten und den Verfall der Sporteln
klagt: So ſpricht er allemal: „Ein ehrlicher Mann
„kann es faſt nicht mehr ausſtehen. Lauter Arbeit
„ex officio! Bald Armenſachen! Bald Bericht
„wegen brandbeſchaͤdigter Unterthanen! Bald we-
„gen herrſchaftlicher Sachen! Alles ex officio!„
Sachen alſo, davon in der Taxordnung nichts ſteht,
ſind Sachen ex officio, und freylich ſind dergleichen
Arbeiten bis in den Tod verhaßt.
Ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |