Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

von Swifts letztem Willen.
macht binnen einem Jahre weit mehr Ketzer, als
Burnet in seinem ganzen Leben nicht gemacht hat.
Den Glöckner an dem Kirchspiele zu St. James
hält er für einen Qväcker, weil dieser ihm einmal
begegnet ist, ohne den Huth vor ihm abzunehmen;
und von unserm Bischoffe schwört er bey seiner See-
le, daß er ein Jacobite sey, weil dieser ihm un-
längst Nicolaus und nicht, Herr Nicolaus, ge-
rufen. Mit einem Worte, alle diejenigen hält er
für ungläubig, die ihm auf einige Art zuwider sind,
oder ihm nicht mit so vieler Ehrfurcht begegnen, als er
bey seinem ehrwürdigen Küsteramte fodern zu können
glaubt. Um deswillen verlange ich, daß er in mein
Tollhaus kommen soll, und, um seinen rühmlichen
Ehrgeiz recht zu befriedigen, soll Herr Nicolaus den
Rang über alle andre Narren haben.

Der Lord Lavat verdient, sein Nachbar zu
werden. Wenn die Ehrenstellen in der Welt nach
Verdiensten ausgetheilet würden, so wäre Lord La-
vat ein Kutscher. Er ist aber Lord, kraft seines
Urältervaters, welcher auch Lord war. Er ist sehr
beredt, wenn er auf die Tapferkeit und die Ver-
dienste seiner Vorältern zu reden kömmt; und wen
er für vernünftig halten soll, dessen Vorfahren
müssen wenigstens zu Wilhelm Conquestors Zei-
ten schon hochgebohrne Fuchsjäger gewesen seyn.
Aus dem Parlamente kömmt er allemal unzufrie-
den zurück, weil er, wie er vorgiebt, jederzeit über-
stimmt, und verhindert wird, seine heilsamen

Rath-

von Swifts letztem Willen.
macht binnen einem Jahre weit mehr Ketzer, als
Burnet in ſeinem ganzen Leben nicht gemacht hat.
Den Gloͤckner an dem Kirchſpiele zu St. James
haͤlt er fuͤr einen Qvaͤcker, weil dieſer ihm einmal
begegnet iſt, ohne den Huth vor ihm abzunehmen;
und von unſerm Biſchoffe ſchwoͤrt er bey ſeiner See-
le, daß er ein Jacobite ſey, weil dieſer ihm un-
laͤngſt Nicolaus und nicht, Herr Nicolaus, ge-
rufen. Mit einem Worte, alle diejenigen haͤlt er
fuͤr unglaͤubig, die ihm auf einige Art zuwider ſind,
oder ihm nicht mit ſo vieler Ehrfurcht begegnen, als er
bey ſeinem ehrwuͤrdigen Kuͤſteramte fodern zu koͤnnen
glaubt. Um deswillen verlange ich, daß er in mein
Tollhaus kommen ſoll, und, um ſeinen ruͤhmlichen
Ehrgeiz recht zu befriedigen, ſoll Herr Nicolaus den
Rang uͤber alle andre Narren haben.

Der Lord Lavat verdient, ſein Nachbar zu
werden. Wenn die Ehrenſtellen in der Welt nach
Verdienſten ausgetheilet wuͤrden, ſo waͤre Lord La-
vat ein Kutſcher. Er iſt aber Lord, kraft ſeines
Uraͤltervaters, welcher auch Lord war. Er iſt ſehr
beredt, wenn er auf die Tapferkeit und die Ver-
dienſte ſeiner Voraͤltern zu reden koͤmmt; und wen
er fuͤr vernuͤnftig halten ſoll, deſſen Vorfahren
muͤſſen wenigſtens zu Wilhelm Conqueſtors Zei-
ten ſchon hochgebohrne Fuchsjaͤger geweſen ſeyn.
Aus dem Parlamente koͤmmt er allemal unzufrie-
den zuruͤck, weil er, wie er vorgiebt, jederzeit uͤber-
ſtimmt, und verhindert wird, ſeine heilſamen

Rath-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div>
            <p><pb facs="#f0237" n="237"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von Swifts letztem Willen.</hi></fw><lb/>
macht binnen einem Jahre weit mehr Ketzer, als<lb/><hi rendition="#fr">Burnet</hi> in &#x017F;einem ganzen Leben nicht gemacht hat.<lb/>
Den Glo&#x0364;ckner an dem Kirch&#x017F;piele zu St. James<lb/>
ha&#x0364;lt er fu&#x0364;r einen Qva&#x0364;cker, weil die&#x017F;er ihm einmal<lb/>
begegnet i&#x017F;t, ohne den Huth vor ihm abzunehmen;<lb/>
und von un&#x017F;erm Bi&#x017F;choffe &#x017F;chwo&#x0364;rt er bey &#x017F;einer See-<lb/>
le, daß er ein Jacobite &#x017F;ey, weil die&#x017F;er ihm un-<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;t <hi rendition="#fr">Nicolaus</hi> und nicht, <hi rendition="#fr">Herr Nicolaus,</hi> ge-<lb/>
rufen. Mit einem Worte, alle diejenigen ha&#x0364;lt er<lb/>
fu&#x0364;r ungla&#x0364;ubig, die ihm auf einige Art zuwider &#x017F;ind,<lb/>
oder ihm nicht mit &#x017F;o vieler Ehrfurcht begegnen, als er<lb/>
bey &#x017F;einem ehrwu&#x0364;rdigen Ku&#x0364;&#x017F;teramte fodern zu ko&#x0364;nnen<lb/>
glaubt. Um deswillen verlange ich, daß er in mein<lb/>
Tollhaus kommen &#x017F;oll, und, um &#x017F;einen ru&#x0364;hmlichen<lb/>
Ehrgeiz recht zu befriedigen, &#x017F;oll Herr Nicolaus den<lb/>
Rang u&#x0364;ber alle andre Narren haben.</p><lb/>
            <p>Der Lord <hi rendition="#fr">Lavat</hi> verdient, &#x017F;ein Nachbar zu<lb/>
werden. Wenn die Ehren&#x017F;tellen in der Welt nach<lb/>
Verdien&#x017F;ten ausgetheilet wu&#x0364;rden, &#x017F;o wa&#x0364;re Lord La-<lb/>
vat ein Kut&#x017F;cher. Er i&#x017F;t aber Lord, kraft &#x017F;eines<lb/>
Ura&#x0364;ltervaters, welcher auch Lord war. Er i&#x017F;t &#x017F;ehr<lb/>
beredt, wenn er auf die Tapferkeit und die Ver-<lb/>
dien&#x017F;te &#x017F;einer Vora&#x0364;ltern zu reden ko&#x0364;mmt; und wen<lb/>
er fu&#x0364;r vernu&#x0364;nftig halten &#x017F;oll, de&#x017F;&#x017F;en Vorfahren<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wenig&#x017F;tens zu Wilhelm Conque&#x017F;tors Zei-<lb/>
ten &#x017F;chon hochgebohrne Fuchsja&#x0364;ger gewe&#x017F;en &#x017F;eyn.<lb/>
Aus dem Parlamente ko&#x0364;mmt er allemal unzufrie-<lb/>
den zuru&#x0364;ck, weil er, wie er vorgiebt, jederzeit u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;timmt, und verhindert wird, &#x017F;eine heil&#x017F;amen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Rath-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0237] von Swifts letztem Willen. macht binnen einem Jahre weit mehr Ketzer, als Burnet in ſeinem ganzen Leben nicht gemacht hat. Den Gloͤckner an dem Kirchſpiele zu St. James haͤlt er fuͤr einen Qvaͤcker, weil dieſer ihm einmal begegnet iſt, ohne den Huth vor ihm abzunehmen; und von unſerm Biſchoffe ſchwoͤrt er bey ſeiner See- le, daß er ein Jacobite ſey, weil dieſer ihm un- laͤngſt Nicolaus und nicht, Herr Nicolaus, ge- rufen. Mit einem Worte, alle diejenigen haͤlt er fuͤr unglaͤubig, die ihm auf einige Art zuwider ſind, oder ihm nicht mit ſo vieler Ehrfurcht begegnen, als er bey ſeinem ehrwuͤrdigen Kuͤſteramte fodern zu koͤnnen glaubt. Um deswillen verlange ich, daß er in mein Tollhaus kommen ſoll, und, um ſeinen ruͤhmlichen Ehrgeiz recht zu befriedigen, ſoll Herr Nicolaus den Rang uͤber alle andre Narren haben. Der Lord Lavat verdient, ſein Nachbar zu werden. Wenn die Ehrenſtellen in der Welt nach Verdienſten ausgetheilet wuͤrden, ſo waͤre Lord La- vat ein Kutſcher. Er iſt aber Lord, kraft ſeines Uraͤltervaters, welcher auch Lord war. Er iſt ſehr beredt, wenn er auf die Tapferkeit und die Ver- dienſte ſeiner Voraͤltern zu reden koͤmmt; und wen er fuͤr vernuͤnftig halten ſoll, deſſen Vorfahren muͤſſen wenigſtens zu Wilhelm Conqueſtors Zei- ten ſchon hochgebohrne Fuchsjaͤger geweſen ſeyn. Aus dem Parlamente koͤmmt er allemal unzufrie- den zuruͤck, weil er, wie er vorgiebt, jederzeit uͤber- ſtimmt, und verhindert wird, ſeine heilſamen Rath-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/237
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/237>, abgerufen am 27.11.2024.