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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Geheime Nachricht
nische Nation für pedantisch, weil sie zugelassen
hat, daß der Versmacher Dryden in der Abtey
Westmünster begraben worden sey. Wenn Lord
Pallbrow noch zwey Jahre in seiner Dummheit
hingeht: So ist nichts gewisser, wenigstens nichts
wahrscheinlicher, als daß noch gar ein Freygeist
aus ihm wird. Er soll also ins Tollhaus, und
zwar so bald, als nur möglich.

Jhre Hochwürden, der Bischoff O-Carry
verdient auch ein Plätzchen darinnen. Jch glaube
auch, seine Gemeine werde ihn nicht sehr vermissen,
weil sie ihn sehr selten, als Bischoff, zu sehen be-
kömmt. Sein Capellan hat alle bischöffliche Bemü-
hungen; Jhro Hochmögenden aber lassen sich aus Be-
scheidenheit nur an der Besoldung und den Acciden-
tien begnügen. Er schachert wie ein portugiesischer
Jude. Er assecurirt Schiffe, und wenn man
glaubt, er sitze in seiner Studierstube, so steht er
auf dem Boden, und sieht sich nach dem Winde
um. Er leiht seine Capitalien mit großer Vorsicht,
und mit weit besserm Nutzen aus, als irgend ein
Kaufmann auf der Börse thun kann. Jch bin sei-
netwegen oft in Sorgen gewesen, weil ich weis,
daß auch der vorsichtigste Wuchrer unglücklich
seyn kann. Es würde ein sehr wichtiger Punkt in
unsrer Kirchenhistorie werden, wenn ihn einmal ein
Wechselgläubiger bis auf die Kanzel verfolgen soll-
te, oder wenn dieser hochwürdige Mann Banke-
rott machte, und in den Schuldthurm gesperrt

würde.

Geheime Nachricht
niſche Nation fuͤr pedantiſch, weil ſie zugelaſſen
hat, daß der Versmacher Dryden in der Abtey
Weſtmuͤnſter begraben worden ſey. Wenn Lord
Pallbrow noch zwey Jahre in ſeiner Dummheit
hingeht: So iſt nichts gewiſſer, wenigſtens nichts
wahrſcheinlicher, als daß noch gar ein Freygeiſt
aus ihm wird. Er ſoll alſo ins Tollhaus, und
zwar ſo bald, als nur moͤglich.

Jhre Hochwuͤrden, der Biſchoff O-Carry
verdient auch ein Plaͤtzchen darinnen. Jch glaube
auch, ſeine Gemeine werde ihn nicht ſehr vermiſſen,
weil ſie ihn ſehr ſelten, als Biſchoff, zu ſehen be-
koͤmmt. Sein Capellan hat alle biſchoͤffliche Bemuͤ-
hungen; Jhro Hochmoͤgenden aber laſſen ſich aus Be-
ſcheidenheit nur an der Beſoldung und den Acciden-
tien begnuͤgen. Er ſchachert wie ein portugieſiſcher
Jude. Er aſſecurirt Schiffe, und wenn man
glaubt, er ſitze in ſeiner Studierſtube, ſo ſteht er
auf dem Boden, und ſieht ſich nach dem Winde
um. Er leiht ſeine Capitalien mit großer Vorſicht,
und mit weit beſſerm Nutzen aus, als irgend ein
Kaufmann auf der Boͤrſe thun kann. Jch bin ſei-
netwegen oft in Sorgen geweſen, weil ich weis,
daß auch der vorſichtigſte Wuchrer ungluͤcklich
ſeyn kann. Es wuͤrde ein ſehr wichtiger Punkt in
unſrer Kirchenhiſtorie werden, wenn ihn einmal ein
Wechſelglaͤubiger bis auf die Kanzel verfolgen ſoll-
te, oder wenn dieſer hochwuͤrdige Mann Banke-
rott machte, und in den Schuldthurm geſperrt

wuͤrde.
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[240/0240] Geheime Nachricht niſche Nation fuͤr pedantiſch, weil ſie zugelaſſen hat, daß der Versmacher Dryden in der Abtey Weſtmuͤnſter begraben worden ſey. Wenn Lord Pallbrow noch zwey Jahre in ſeiner Dummheit hingeht: So iſt nichts gewiſſer, wenigſtens nichts wahrſcheinlicher, als daß noch gar ein Freygeiſt aus ihm wird. Er ſoll alſo ins Tollhaus, und zwar ſo bald, als nur moͤglich. Jhre Hochwuͤrden, der Biſchoff O-Carry verdient auch ein Plaͤtzchen darinnen. Jch glaube auch, ſeine Gemeine werde ihn nicht ſehr vermiſſen, weil ſie ihn ſehr ſelten, als Biſchoff, zu ſehen be- koͤmmt. Sein Capellan hat alle biſchoͤffliche Bemuͤ- hungen; Jhro Hochmoͤgenden aber laſſen ſich aus Be- ſcheidenheit nur an der Beſoldung und den Acciden- tien begnuͤgen. Er ſchachert wie ein portugieſiſcher Jude. Er aſſecurirt Schiffe, und wenn man glaubt, er ſitze in ſeiner Studierſtube, ſo ſteht er auf dem Boden, und ſieht ſich nach dem Winde um. Er leiht ſeine Capitalien mit großer Vorſicht, und mit weit beſſerm Nutzen aus, als irgend ein Kaufmann auf der Boͤrſe thun kann. Jch bin ſei- netwegen oft in Sorgen geweſen, weil ich weis, daß auch der vorſichtigſte Wuchrer ungluͤcklich ſeyn kann. Es wuͤrde ein ſehr wichtiger Punkt in unſrer Kirchenhiſtorie werden, wenn ihn einmal ein Wechſelglaͤubiger bis auf die Kanzel verfolgen ſoll- te, oder wenn dieſer hochwuͤrdige Mann Banke- rott machte, und in den Schuldthurm geſperrt wuͤrde.

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/240>, abgerufen am 23.11.2024.