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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Ein Traum
der Privilegien aber führte er einen großen Blasebalg
in der Hand, welchen er allemal zusammen drückte, so
oft er von der Liebe zum Vaterlande redete.

Einen Umstand kann ich nicht unberichtet las-
sen, weil er mir einige Nachricht von der Religion
unsers Charlatans gab. Auf der ersten Seite
des Theaters stund das Götzenbild eines Frauen-
zimmers, in eben der Gestalt, wie es ein großer
englischer Autor beschrieben hat; den ich aber nicht
nennen will, weil man sonst gar zu leicht errathen
würde, wem ich diese Erzählung zu danken habe.
Dieses Götzenbild trug eine Krone von Federspuh-
len, welche nach Art der Amerikaner in einer Run-
dung aufgesteift waren. An derselben hiengen
die Namen verschiedner alter und neuer Schrift-
steller, welche sie als Ketzer zum Tode verdammt
hatte, weil sie sich geweigert, sie als eine Gottheit
anzubeten. Jhr Kopf, welcher keine Augen hatte,
war ungeheuer, noch größer aber ihr Bauch, und
hierinnen habe ich nichts ähnlichers gesehen, als den
Abgott der alten Deutschen, welchen sie den dicken
Püster nennten, und dessen sich die Betrügerey der
heydnischen Priester zum Schrecken des Volks zu
bedienen wußte, wenn sie ihn durch ein geheimes
Triebwerk Feuer speyen ließen; ungeachtet er nur
ein Klotz war. Jhre Hände waren sehr stark und
plump. Jn der linken hielt sie ein Fernglas, wel-
ches sie aber nicht brauchen konnte, weil sie blind
war; gleichwohl merkte ich, daß sie es vor ihr Ge-
sicht hielt, um den Mangel der Augen zu verbergen.
Jn der rechten Hand hatte sie ein Gefäß voll Dinte,

das

Ein Traum
der Privilegien aber fuͤhrte er einen großen Blaſebalg
in der Hand, welchen er allemal zuſammen druͤckte, ſo
oft er von der Liebe zum Vaterlande redete.

Einen Umſtand kann ich nicht unberichtet laſ-
ſen, weil er mir einige Nachricht von der Religion
unſers Charlatans gab. Auf der erſten Seite
des Theaters ſtund das Goͤtzenbild eines Frauen-
zimmers, in eben der Geſtalt, wie es ein großer
engliſcher Autor beſchrieben hat; den ich aber nicht
nennen will, weil man ſonſt gar zu leicht errathen
wuͤrde, wem ich dieſe Erzaͤhlung zu danken habe.
Dieſes Goͤtzenbild trug eine Krone von Federſpuh-
len, welche nach Art der Amerikaner in einer Run-
dung aufgeſteift waren. An derſelben hiengen
die Namen verſchiedner alter und neuer Schrift-
ſteller, welche ſie als Ketzer zum Tode verdammt
hatte, weil ſie ſich geweigert, ſie als eine Gottheit
anzubeten. Jhr Kopf, welcher keine Augen hatte,
war ungeheuer, noch groͤßer aber ihr Bauch, und
hierinnen habe ich nichts aͤhnlichers geſehen, als den
Abgott der alten Deutſchen, welchen ſie den dicken
Puͤſter nennten, und deſſen ſich die Betruͤgerey der
heydniſchen Prieſter zum Schrecken des Volks zu
bedienen wußte, wenn ſie ihn durch ein geheimes
Triebwerk Feuer ſpeyen ließen; ungeachtet er nur
ein Klotz war. Jhre Haͤnde waren ſehr ſtark und
plump. Jn der linken hielt ſie ein Fernglas, wel-
ches ſie aber nicht brauchen konnte, weil ſie blind
war; gleichwohl merkte ich, daß ſie es vor ihr Ge-
ſicht hielt, um den Mangel der Augen zu verbergen.
Jn der rechten Hand hatte ſie ein Gefaͤß voll Dinte,

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[32/0032] Ein Traum der Privilegien aber fuͤhrte er einen großen Blaſebalg in der Hand, welchen er allemal zuſammen druͤckte, ſo oft er von der Liebe zum Vaterlande redete. Einen Umſtand kann ich nicht unberichtet laſ- ſen, weil er mir einige Nachricht von der Religion unſers Charlatans gab. Auf der erſten Seite des Theaters ſtund das Goͤtzenbild eines Frauen- zimmers, in eben der Geſtalt, wie es ein großer engliſcher Autor beſchrieben hat; den ich aber nicht nennen will, weil man ſonſt gar zu leicht errathen wuͤrde, wem ich dieſe Erzaͤhlung zu danken habe. Dieſes Goͤtzenbild trug eine Krone von Federſpuh- len, welche nach Art der Amerikaner in einer Run- dung aufgeſteift waren. An derſelben hiengen die Namen verſchiedner alter und neuer Schrift- ſteller, welche ſie als Ketzer zum Tode verdammt hatte, weil ſie ſich geweigert, ſie als eine Gottheit anzubeten. Jhr Kopf, welcher keine Augen hatte, war ungeheuer, noch groͤßer aber ihr Bauch, und hierinnen habe ich nichts aͤhnlichers geſehen, als den Abgott der alten Deutſchen, welchen ſie den dicken Puͤſter nennten, und deſſen ſich die Betruͤgerey der heydniſchen Prieſter zum Schrecken des Volks zu bedienen wußte, wenn ſie ihn durch ein geheimes Triebwerk Feuer ſpeyen ließen; ungeachtet er nur ein Klotz war. Jhre Haͤnde waren ſehr ſtark und plump. Jn der linken hielt ſie ein Fernglas, wel- ches ſie aber nicht brauchen konnte, weil ſie blind war; gleichwohl merkte ich, daß ſie es vor ihr Ge- ſicht hielt, um den Mangel der Augen zu verbergen. Jn der rechten Hand hatte ſie ein Gefaͤß voll Dinte, das

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/32>, abgerufen am 29.04.2024.