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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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von den abgeschiednen Seelen.
mehr anfeuerten, und so oft ein Schlag geschah,
so oft bezeigten sie durch ein leichtsinniges Hände-
klopfen ihren Beyfall; j[verlorenes Material - Zeichen fehlt] ich sah so gar, daß ei-
nige unter ihnen den [verlorenes Material - 2 Zeichen fehlen]mpfern Geld zuwarfen,
wodurch sie dieselben ganz wütend zu machen wuß-
tend. Einige der Zuschauer lachten, und diese
schienen mir am meisten unparteyisch zu seyn, weil
sie beide für unsinnig hielten. Andre waren be-
müht, die Streitenden auseinander zu reißen, aber,
sie bemühten sich nur vergebens, und verschiedne
waren so unglücklich, daß sie von ihnen in dieser
Unordnung für ihre guten Absichten empfindliche
Stöße bekamen. Die meisten nahmen Antheil
an dieser Zerrüttung, und es schien beynahe ein
allgemeiner Krieg zu werden. Ein jeder schlug
seinen Nachbar in die Augen, ohne ihn zu kennen,
oder zu wissen, warum? Verschiedne, welche man
vorher gar nicht gesehen noch gekannt hatte, und
welche ganz ruhig hätten bleiben können, verließen
ihren Ort, eilten hinzu, und holten sich Schläge, nur
in der Absicht, damit man sie kennen lernen möch-
te, und sie schienen recht vergnügt zu seyn, wenn
sie sahen, daß man auch über sie lachte.

Endlich wurden unsre beiden Fechter, welche alle
diese Unruhe veranlaßt hatten, ihres Streits müde.
Sie giengen von einander, und ich war so verwegen,
den Ueberwinder, welcher den andern von seinem gu-
ten Geschmacke so handgreiflich überführt hatte, zu
fragen, was die Ursache ihres hitzigen Kampfs ge-
wesen sey. Vermuthlich, sagte ich zu ihm, haben Sie,
mein Herr, Sich des wahren Wohls Jhres Vaterlan-

des
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von den abgeſchiednen Seelen.
mehr anfeuerten, und ſo oft ein Schlag geſchah,
ſo oft bezeigten ſie durch ein leichtſinniges Haͤnde-
klopfen ihren Beyfall; j[verlorenes Material – Zeichen fehlt] ich ſah ſo gar, daß ei-
nige unter ihnen den [verlorenes Material – 2 Zeichen fehlen]mpfern Geld zuwarfen,
wodurch ſie dieſelben ganz wuͤtend zu machen wuß-
tend. Einige der Zuſchauer lachten, und dieſe
ſchienen mir am meiſten unparteyiſch zu ſeyn, weil
ſie beide fuͤr unſinnig hielten. Andre waren be-
muͤht, die Streitenden auseinander zu reißen, aber,
ſie bemuͤhten ſich nur vergebens, und verſchiedne
waren ſo ungluͤcklich, daß ſie von ihnen in dieſer
Unordnung fuͤr ihre guten Abſichten empfindliche
Stoͤße bekamen. Die meiſten nahmen Antheil
an dieſer Zerruͤttung, und es ſchien beynahe ein
allgemeiner Krieg zu werden. Ein jeder ſchlug
ſeinen Nachbar in die Augen, ohne ihn zu kennen,
oder zu wiſſen, warum? Verſchiedne, welche man
vorher gar nicht geſehen noch gekannt hatte, und
welche ganz ruhig haͤtten bleiben koͤnnen, verließen
ihren Ort, eilten hinzu, und holten ſich Schlaͤge, nur
in der Abſicht, damit man ſie kennen lernen moͤch-
te, und ſie ſchienen recht vergnuͤgt zu ſeyn, wenn
ſie ſahen, daß man auch uͤber ſie lachte.

Endlich wurden unſre beiden Fechter, welche alle
dieſe Unruhe veranlaßt hatten, ihres Streits muͤde.
Sie giengen von einander, und ich war ſo verwegen,
den Ueberwinder, welcher den andern von ſeinem gu-
ten Geſchmacke ſo handgreiflich uͤberfuͤhrt hatte, zu
fragen, was die Urſache ihres hitzigen Kampfs ge-
weſen ſey. Vermuthlich, ſagte ich zu ihm, haben Sie,
mein Herr, Sich des wahren Wohls Jhres Vaterlan-

des
C 5
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[41/0041] von den abgeſchiednen Seelen. mehr anfeuerten, und ſo oft ein Schlag geſchah, ſo oft bezeigten ſie durch ein leichtſinniges Haͤnde- klopfen ihren Beyfall; j_ ich ſah ſo gar, daß ei- nige unter ihnen den __mpfern Geld zuwarfen, wodurch ſie dieſelben ganz wuͤtend zu machen wuß- tend. Einige der Zuſchauer lachten, und dieſe ſchienen mir am meiſten unparteyiſch zu ſeyn, weil ſie beide fuͤr unſinnig hielten. Andre waren be- muͤht, die Streitenden auseinander zu reißen, aber, ſie bemuͤhten ſich nur vergebens, und verſchiedne waren ſo ungluͤcklich, daß ſie von ihnen in dieſer Unordnung fuͤr ihre guten Abſichten empfindliche Stoͤße bekamen. Die meiſten nahmen Antheil an dieſer Zerruͤttung, und es ſchien beynahe ein allgemeiner Krieg zu werden. Ein jeder ſchlug ſeinen Nachbar in die Augen, ohne ihn zu kennen, oder zu wiſſen, warum? Verſchiedne, welche man vorher gar nicht geſehen noch gekannt hatte, und welche ganz ruhig haͤtten bleiben koͤnnen, verließen ihren Ort, eilten hinzu, und holten ſich Schlaͤge, nur in der Abſicht, damit man ſie kennen lernen moͤch- te, und ſie ſchienen recht vergnuͤgt zu ſeyn, wenn ſie ſahen, daß man auch uͤber ſie lachte. Endlich wurden unſre beiden Fechter, welche alle dieſe Unruhe veranlaßt hatten, ihres Streits muͤde. Sie giengen von einander, und ich war ſo verwegen, den Ueberwinder, welcher den andern von ſeinem gu- ten Geſchmacke ſo handgreiflich uͤberfuͤhrt hatte, zu fragen, was die Urſache ihres hitzigen Kampfs ge- weſen ſey. Vermuthlich, ſagte ich zu ihm, haben Sie, mein Herr, Sich des wahren Wohls Jhres Vaterlan- des C 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/41>, abgerufen am 29.04.2024.