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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.

"Jch will hier eines Fehlers gedenken, den vie-
"le Clienten begehn, wenn sie dem Richter ihre
"Sache empfehlen. Sie haben in der That die Ab-
"sicht, erkenntlich zu seyn, wie man es nennt, oder,
"legal zu reden, die Richter zu bestechen. Sie ver-
"sichern ihn dessen so wohl mündlich, als schriftlich;
"sie geben ihm aber weder mündlich, noch schriftlich
"etwas. Dieß ist ein großer Fehler! Et formu-
"la cadunt,
sagt der Jurist, welches der gemeine
"Mann von Wort zu Wort also ausdrückt: Wer
"nicht gut schmiert, fährt nicht gut! So behutsam
"man seyn muß, einem Richter zu sagen, was
"man denkt: so ungeschickt ist es doch, ihn nur
"mit Versprechungen aufzumuntern. Männer,
"die die Gerechtigkeit verauctioniren, müssen baa-
"res Geld sehen, oder sie sehn gar nichts. Wie
"wollen wir ihnen zumuthen, daß sie, was wir
"wünschen, thun, und sich nur auf unsre Groß-
"muth verlassen sollen? Trauen wir ihnen viel-
"leicht nicht, und glauben wir, daß unser Ge-
"schenk etwan vergebens angebracht seyn möchte?
"Es ist möglich; aber dergleichen Mistrauen müs-
"sen wir nicht an uns merken lassen, oder der
"Schade ist unersetzlich, den wir uns zuziehn.
"Wir müssen bey dem Richter etwas wagen, da
"wir etwas bitten; der Richter hat nicht Ursache,
"bey uns etwas zu wagen. Was soll der Richter
"für einen Vorwand haben, uns an unser Ver-
"sprechen zu erinnern, wenn er gethan hat, was
"wir wünschten, und wir das nicht erfüllen, was

"wir
Satyriſche Briefe.

„Jch will hier eines Fehlers gedenken, den vie-
„le Clienten begehn, wenn ſie dem Richter ihre
„Sache empfehlen. Sie haben in der That die Ab-
„ſicht, erkenntlich zu ſeyn, wie man es nennt, oder,
„legal zu reden, die Richter zu beſtechen. Sie ver-
„ſichern ihn deſſen ſo wohl muͤndlich, als ſchriftlich;
„ſie geben ihm aber weder muͤndlich, noch ſchriftlich
„etwas. Dieß iſt ein großer Fehler! Et formu-
„la cadunt,
ſagt der Juriſt, welches der gemeine
„Mann von Wort zu Wort alſo ausdruͤckt: Wer
„nicht gut ſchmiert, faͤhrt nicht gut! So behutſam
„man ſeyn muß, einem Richter zu ſagen, was
„man denkt: ſo ungeſchickt iſt es doch, ihn nur
„mit Verſprechungen aufzumuntern. Maͤnner,
„die die Gerechtigkeit verauctioniren, muͤſſen baa-
„res Geld ſehen, oder ſie ſehn gar nichts. Wie
„wollen wir ihnen zumuthen, daß ſie, was wir
„wuͤnſchen, thun, und ſich nur auf unſre Groß-
„muth verlaſſen ſollen? Trauen wir ihnen viel-
„leicht nicht, und glauben wir, daß unſer Ge-
„ſchenk etwan vergebens angebracht ſeyn moͤchte?
„Es iſt moͤglich; aber dergleichen Mistrauen muͤſ-
„ſen wir nicht an uns merken laſſen, oder der
„Schade iſt unerſetzlich, den wir uns zuziehn.
„Wir muͤſſen bey dem Richter etwas wagen, da
„wir etwas bitten; der Richter hat nicht Urſache,
„bey uns etwas zu wagen. Was ſoll der Richter
„fuͤr einen Vorwand haben, uns an unſer Ver-
„ſprechen zu erinnern, wenn er gethan hat, was
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[79/0107] Satyriſche Briefe. „Jch will hier eines Fehlers gedenken, den vie- „le Clienten begehn, wenn ſie dem Richter ihre „Sache empfehlen. Sie haben in der That die Ab- „ſicht, erkenntlich zu ſeyn, wie man es nennt, oder, „legal zu reden, die Richter zu beſtechen. Sie ver- „ſichern ihn deſſen ſo wohl muͤndlich, als ſchriftlich; „ſie geben ihm aber weder muͤndlich, noch ſchriftlich „etwas. Dieß iſt ein großer Fehler! Et formu- „la cadunt, ſagt der Juriſt, welches der gemeine „Mann von Wort zu Wort alſo ausdruͤckt: Wer „nicht gut ſchmiert, faͤhrt nicht gut! So behutſam „man ſeyn muß, einem Richter zu ſagen, was „man denkt: ſo ungeſchickt iſt es doch, ihn nur „mit Verſprechungen aufzumuntern. Maͤnner, „die die Gerechtigkeit verauctioniren, muͤſſen baa- „res Geld ſehen, oder ſie ſehn gar nichts. Wie „wollen wir ihnen zumuthen, daß ſie, was wir „wuͤnſchen, thun, und ſich nur auf unſre Groß- „muth verlaſſen ſollen? Trauen wir ihnen viel- „leicht nicht, und glauben wir, daß unſer Ge- „ſchenk etwan vergebens angebracht ſeyn moͤchte? „Es iſt moͤglich; aber dergleichen Mistrauen muͤſ- „ſen wir nicht an uns merken laſſen, oder der „Schade iſt unerſetzlich, den wir uns zuziehn. „Wir muͤſſen bey dem Richter etwas wagen, da „wir etwas bitten; der Richter hat nicht Urſache, „bey uns etwas zu wagen. Was ſoll der Richter „fuͤr einen Vorwand haben, uns an unſer Ver- „ſprechen zu erinnern, wenn er gethan hat, was „wir wuͤnſchten, und wir das nicht erfuͤllen, was „wir

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/107>, abgerufen am 23.11.2024.