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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
"Appellationen, die er eingewendet hat, sind reji-
"cirt, und er ist so weit getrieben, daß bereits der
"Termin zur Hülfe anberaumt worden. Was
"soll Sempronius thun? Soll er bezahlen? Die
"Gesetze, die Urthel, die Billigkeit wollen es ha-
"ben. Kleinigkeiten! Er hat einen Advocaten,
"der Gesetze, und Urthel, und Billigkeit übersieht.
"Er bezahlt nicht, und findet einen Weg, daß zu
"nochmaliger Untersuchung dieser Sache eine be-
"sondre Eommission niedergesetzt wird. Der
"neue Commissar, ein Mann von Erfahrung,
"wirft die Acten bey Seite, und untersucht, in
"was für einer Verbindung Sempronius mit dem-
"jenigen steht, der sein Obrer und Mäcenat ist.
"Er findet die Verbindung also: Sempronius hat
"einen Bruder, Titius; die Frau des Titius, Cal-
"purnia, hat eine Schwester, deren Mann, Ca-
"jus, seinen jüngsten Sohn, Lälius, zum Schrei-
"ben und Rechnen angehalten, und so weit gebracht,
"daß er in einer gewissen Herrschaft Kornschrei-
"ber geworden, und vor drey Wochen die Tibur-
"tia, ein Mädchen geheirathet hat, das Jhro Ex-
"cellenz, der Obre und Mäcenat des neuerwehl-
"ten Commissars, fünf Jahre lang, als ein schönes
"und artiges Mädchen gefunden hat, und noch al-
"so findet. Aus diesem allen fertigt der Commis-
"sar seinen Stammbaum, und weil er das nur vor
"kurzen verheirathete Mädchen als ein documen-
"tum noviter repertum
billig ansieht: so wird
"das bisherige Verfahren aufgehoben, und Klä-

ger,
J

Satyriſche Briefe.
„Appellationen, die er eingewendet hat, ſind reji-
„cirt, und er iſt ſo weit getrieben, daß bereits der
„Termin zur Huͤlfe anberaumt worden. Was
„ſoll Sempronius thun? Soll er bezahlen? Die
„Geſetze, die Urthel, die Billigkeit wollen es ha-
„ben. Kleinigkeiten! Er hat einen Advocaten,
„der Geſetze, und Urthel, und Billigkeit uͤberſieht.
„Er bezahlt nicht, und findet einen Weg, daß zu
„nochmaliger Unterſuchung dieſer Sache eine be-
„ſondre Eommiſſion niedergeſetzt wird. Der
„neue Commiſſar, ein Mann von Erfahrung,
„wirft die Acten bey Seite, und unterſucht, in
„was fuͤr einer Verbindung Sempronius mit dem-
„jenigen ſteht, der ſein Obrer und Maͤcenat iſt.
„Er findet die Verbindung alſo: Sempronius hat
„einen Bruder, Titius; die Frau des Titius, Cal-
„purnia, hat eine Schweſter, deren Mann, Ca-
„jus, ſeinen juͤngſten Sohn, Laͤlius, zum Schrei-
„ben und Rechnen angehalten, und ſo weit gebracht,
„daß er in einer gewiſſen Herrſchaft Kornſchrei-
„ber geworden, und vor drey Wochen die Tibur-
„tia, ein Maͤdchen geheirathet hat, das Jhro Ex-
„cellenz, der Obre und Maͤcenat des neuerwehl-
„ten Commiſſars, fuͤnf Jahre lang, als ein ſchoͤnes
„und artiges Maͤdchen gefunden hat, und noch al-
„ſo findet. Aus dieſem allen fertigt der Commiſ-
„ſar ſeinen Stammbaum, und weil er das nur vor
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„tum noviter repertum
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[129/0157] Satyriſche Briefe. „Appellationen, die er eingewendet hat, ſind reji- „cirt, und er iſt ſo weit getrieben, daß bereits der „Termin zur Huͤlfe anberaumt worden. Was „ſoll Sempronius thun? Soll er bezahlen? Die „Geſetze, die Urthel, die Billigkeit wollen es ha- „ben. Kleinigkeiten! Er hat einen Advocaten, „der Geſetze, und Urthel, und Billigkeit uͤberſieht. „Er bezahlt nicht, und findet einen Weg, daß zu „nochmaliger Unterſuchung dieſer Sache eine be- „ſondre Eommiſſion niedergeſetzt wird. Der „neue Commiſſar, ein Mann von Erfahrung, „wirft die Acten bey Seite, und unterſucht, in „was fuͤr einer Verbindung Sempronius mit dem- „jenigen ſteht, der ſein Obrer und Maͤcenat iſt. „Er findet die Verbindung alſo: Sempronius hat „einen Bruder, Titius; die Frau des Titius, Cal- „purnia, hat eine Schweſter, deren Mann, Ca- „jus, ſeinen juͤngſten Sohn, Laͤlius, zum Schrei- „ben und Rechnen angehalten, und ſo weit gebracht, „daß er in einer gewiſſen Herrſchaft Kornſchrei- „ber geworden, und vor drey Wochen die Tibur- „tia, ein Maͤdchen geheirathet hat, das Jhro Ex- „cellenz, der Obre und Maͤcenat des neuerwehl- „ten Commiſſars, fuͤnf Jahre lang, als ein ſchoͤnes „und artiges Maͤdchen gefunden hat, und noch al- „ſo findet. Aus dieſem allen fertigt der Commiſ- „ſar ſeinen Stammbaum, und weil er das nur vor „kurzen verheirathete Maͤdchen als ein documen- „tum noviter repertum billig anſieht: ſo wird „das bisherige Verfahren aufgehoben, und Klaͤ- ger, J

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/157>, abgerufen am 23.11.2024.