kel die unglücklichen Folgen eines übereilten, und zu hitzigen Urtheils empfinden. Die Seufzer der Nachwelt bewegen ihn schon itzt; er ist aufmerk- sam, und unpartheyisch, damit nicht sein Anden- ken noch in späten Jahren verflucht werde.
Wird es Sie nunmehr bald gereuen, Gnädiger Herr, daß Sie auf den Einfall gekommen sind, sich die Unwissenheit eines jungen Richters zu Nu- tze zu machen? Ueberlegen Sie, was ich Jhnen so aufrichtig geschrieben habe, und ändern Sie es noch, wenn es möglich ist.
Niemand ist strenger, als ein junger Raths- herr, der als Richter die galanten Sünden bestra- fen soll, die er gestern selbst begieng, da er noch nicht Rathsherr war; Niemand ist grimmiger, als ein junger Officier, der in Friedenszeit zum erstenmale vor den Augen seiner gnädigen Ma- ma, und Fräulein Schwester commandirt; Nie- mand ist partheyischer, als ein junger Commissar, der zum erstenmale Gelegenheit sucht, zu zeigen, daß er gerecht sey! Drey Geschöpfe, Gnädiger Herr, vor denen ich alle meine Feinde warne! Jch werde mich freuen, wenn ich erfahre, daß Sie meine Freymüthigkeit nicht beleidigt hat. Jch hoffe die- ses von Jhrer Freundschaft, und bin etc.
Jch
Satyriſche Briefe.
kel die ungluͤcklichen Folgen eines uͤbereilten, und zu hitzigen Urtheils empfinden. Die Seufzer der Nachwelt bewegen ihn ſchon itzt; er iſt aufmerk- ſam, und unpartheyiſch, damit nicht ſein Anden- ken noch in ſpaͤten Jahren verflucht werde.
Wird es Sie nunmehr bald gereuen, Gnaͤdiger Herr, daß Sie auf den Einfall gekommen ſind, ſich die Unwiſſenheit eines jungen Richters zu Nu- tze zu machen? Ueberlegen Sie, was ich Jhnen ſo aufrichtig geſchrieben habe, und aͤndern Sie es noch, wenn es moͤglich iſt.
Niemand iſt ſtrenger, als ein junger Raths- herr, der als Richter die galanten Suͤnden beſtra- fen ſoll, die er geſtern ſelbſt begieng, da er noch nicht Rathsherr war; Niemand iſt grimmiger, als ein junger Officier, der in Friedenszeit zum erſtenmale vor den Augen ſeiner gnaͤdigen Ma- ma, und Fraͤulein Schweſter commandirt; Nie- mand iſt partheyiſcher, als ein junger Commiſſar, der zum erſtenmale Gelegenheit ſucht, zu zeigen, daß er gerecht ſey! Drey Geſchoͤpfe, Gnaͤdiger Herr, vor denen ich alle meine Feinde warne! Jch werde mich freuen, wenn ich erfahre, daß Sie meine Freymuͤthigkeit nicht beleidigt hat. Jch hoffe die- ſes von Jhrer Freundſchaft, und bin ꝛc.
Jch
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><divtype="letter"><p><pbfacs="#f0201"n="173"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/>
kel die ungluͤcklichen Folgen eines uͤbereilten, und<lb/>
zu hitzigen Urtheils empfinden. Die Seufzer der<lb/>
Nachwelt bewegen ihn ſchon itzt; er iſt aufmerk-<lb/>ſam, und unpartheyiſch, damit nicht ſein Anden-<lb/>
ken noch in ſpaͤten Jahren verflucht werde.</p><lb/><p>Wird es Sie nunmehr bald gereuen, Gnaͤdiger<lb/>
Herr, daß Sie auf den Einfall gekommen ſind,<lb/>ſich die Unwiſſenheit eines jungen Richters zu Nu-<lb/>
tze zu machen? Ueberlegen Sie, was ich Jhnen<lb/>ſo aufrichtig geſchrieben habe, und aͤndern Sie es<lb/>
noch, wenn es moͤglich iſt.</p><lb/><p>Niemand iſt ſtrenger, als ein junger Raths-<lb/>
herr, der als Richter die galanten Suͤnden beſtra-<lb/>
fen ſoll, die er geſtern ſelbſt begieng, da er noch<lb/>
nicht Rathsherr war; Niemand iſt grimmiger,<lb/>
als ein junger Officier, der in Friedenszeit zum<lb/>
erſtenmale vor den Augen ſeiner gnaͤdigen Ma-<lb/>
ma, und Fraͤulein Schweſter commandirt; Nie-<lb/>
mand iſt partheyiſcher, als ein junger Commiſſar,<lb/>
der zum erſtenmale Gelegenheit ſucht, zu zeigen, daß<lb/>
er gerecht ſey! Drey Geſchoͤpfe, Gnaͤdiger Herr,<lb/>
vor denen ich alle meine Feinde warne! Jch werde<lb/>
mich freuen, wenn ich erfahre, daß Sie meine<lb/>
Freymuͤthigkeit nicht beleidigt hat. Jch hoffe die-<lb/>ſes von Jhrer Freundſchaft, und bin ꝛc.</p></div></body></floatingText><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[173/0201]
Satyriſche Briefe.
kel die ungluͤcklichen Folgen eines uͤbereilten, und
zu hitzigen Urtheils empfinden. Die Seufzer der
Nachwelt bewegen ihn ſchon itzt; er iſt aufmerk-
ſam, und unpartheyiſch, damit nicht ſein Anden-
ken noch in ſpaͤten Jahren verflucht werde.
Wird es Sie nunmehr bald gereuen, Gnaͤdiger
Herr, daß Sie auf den Einfall gekommen ſind,
ſich die Unwiſſenheit eines jungen Richters zu Nu-
tze zu machen? Ueberlegen Sie, was ich Jhnen
ſo aufrichtig geſchrieben habe, und aͤndern Sie es
noch, wenn es moͤglich iſt.
Niemand iſt ſtrenger, als ein junger Raths-
herr, der als Richter die galanten Suͤnden beſtra-
fen ſoll, die er geſtern ſelbſt begieng, da er noch
nicht Rathsherr war; Niemand iſt grimmiger,
als ein junger Officier, der in Friedenszeit zum
erſtenmale vor den Augen ſeiner gnaͤdigen Ma-
ma, und Fraͤulein Schweſter commandirt; Nie-
mand iſt partheyiſcher, als ein junger Commiſſar,
der zum erſtenmale Gelegenheit ſucht, zu zeigen, daß
er gerecht ſey! Drey Geſchoͤpfe, Gnaͤdiger Herr,
vor denen ich alle meine Feinde warne! Jch werde
mich freuen, wenn ich erfahre, daß Sie meine
Freymuͤthigkeit nicht beleidigt hat. Jch hoffe die-
ſes von Jhrer Freundſchaft, und bin ꝛc.
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/201>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.