Sie können Sich vorstellen, daß der Herr Hofrath die Lust verlohr, noch einmal um so ein närrisches Ding, als ich war, anzuhalten. Er verheirathete sich anderwärts, und ich war mit mei- nem und seinem Entschlusse wohl zufrieden. Es vergieng mehr als ein Jahr, ohne daß sich Je- mand um meine Liebe ernstlich bewarb. Denn die kleinen zärtlichen Kläffer rechne ich nicht, wel- che um mich herum sprangen, und seufzten. Jch sahe ihre Seufzer als eine Art Sporteln an, wel- che mir eben so wohl gehörten, als meinem Va- ter die Sporteln, die ihm seine gedemüthigten Bauern brachten. Jch würde unzufrieden gewe- sen seyn, wenn mich nicht diese kleinen süssen Ge- würme angebetet hätten. Jch wußte sie aber mit der Majestät einer Göttinn so zahm, und so sehr in ihrer Tiefe zu erhalten, daß sich keiner un- terstand, zu vertraut zu reden; und es kostete mich nur ein Machtwort, nur einen gebietrischen Blick, so waren sie in ihr erstes Nichts verwandelt. Jch brauchte sie, die Zärtlichkeit meines Lieutenants in der Bewegung und lebhaft zu erhalten, von dem es mir schien, daß er zuweilen desto kaltsinni- ger ward, je vertrauter ich gegen ihn that. Es hatte seine gute Wirkung, und folgender Brief brachte ihn auf einmal ganz wieder zu mir.
Made-
Satyriſche Briefe.
Sie koͤnnen Sich vorſtellen, daß der Herr Hofrath die Luſt verlohr, noch einmal um ſo ein naͤrriſches Ding, als ich war, anzuhalten. Er verheirathete ſich anderwaͤrts, und ich war mit mei- nem und ſeinem Entſchluſſe wohl zufrieden. Es vergieng mehr als ein Jahr, ohne daß ſich Je- mand um meine Liebe ernſtlich bewarb. Denn die kleinen zaͤrtlichen Klaͤffer rechne ich nicht, wel- che um mich herum ſprangen, und ſeufzten. Jch ſahe ihre Seufzer als eine Art Sporteln an, wel- che mir eben ſo wohl gehoͤrten, als meinem Va- ter die Sporteln, die ihm ſeine gedemuͤthigten Bauern brachten. Jch wuͤrde unzufrieden gewe- ſen ſeyn, wenn mich nicht dieſe kleinen ſuͤſſen Ge- wuͤrme angebetet haͤtten. Jch wußte ſie aber mit der Majeſtaͤt einer Goͤttinn ſo zahm, und ſo ſehr in ihrer Tiefe zu erhalten, daß ſich keiner un- terſtand, zu vertraut zu reden; und es koſtete mich nur ein Machtwort, nur einen gebietriſchen Blick, ſo waren ſie in ihr erſtes Nichts verwandelt. Jch brauchte ſie, die Zaͤrtlichkeit meines Lieutenants in der Bewegung und lebhaft zu erhalten, von dem es mir ſchien, daß er zuweilen deſto kaltſinni- ger ward, je vertrauter ich gegen ihn that. Es hatte ſeine gute Wirkung, und folgender Brief brachte ihn auf einmal ganz wieder zu mir.
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Satyriſche Briefe.
Sie koͤnnen Sich vorſtellen, daß der Herr
Hofrath die Luſt verlohr, noch einmal um ſo ein
naͤrriſches Ding, als ich war, anzuhalten. Er
verheirathete ſich anderwaͤrts, und ich war mit mei-
nem und ſeinem Entſchluſſe wohl zufrieden. Es
vergieng mehr als ein Jahr, ohne daß ſich Je-
mand um meine Liebe ernſtlich bewarb. Denn
die kleinen zaͤrtlichen Klaͤffer rechne ich nicht, wel-
che um mich herum ſprangen, und ſeufzten. Jch
ſahe ihre Seufzer als eine Art Sporteln an, wel-
che mir eben ſo wohl gehoͤrten, als meinem Va-
ter die Sporteln, die ihm ſeine gedemuͤthigten
Bauern brachten. Jch wuͤrde unzufrieden gewe-
ſen ſeyn, wenn mich nicht dieſe kleinen ſuͤſſen Ge-
wuͤrme angebetet haͤtten. Jch wußte ſie aber
mit der Majeſtaͤt einer Goͤttinn ſo zahm, und ſo
ſehr in ihrer Tiefe zu erhalten, daß ſich keiner un-
terſtand, zu vertraut zu reden; und es koſtete mich
nur ein Machtwort, nur einen gebietriſchen Blick,
ſo waren ſie in ihr erſtes Nichts verwandelt. Jch
brauchte ſie, die Zaͤrtlichkeit meines Lieutenants
in der Bewegung und lebhaft zu erhalten, von dem
es mir ſchien, daß er zuweilen deſto kaltſinni-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/216>, abgerufen am 23.11.2024.
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