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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
"gemacht. Rund vorbey, Herr Doctor, der
"Bissen ist für ihn zu fett! Bedenken Sie, Lott-
"chen, was Sie thun? Hat Jhnen die Natur
"darum so schöne Hände gegeben, daß sie Pillen
"damit drehen sollen? Wollen Sie ihren göttli-
"chen Mund von einem elenden Kerl küssen lassen,
"der den ganzen Tag das Uringlas vor der Nase
"hat? Pfuy, Lottchen, Sie riechen schon nach
"todten Körpern; gewiß, Sie riechen schon dar-
"nach! Was wird künftig werden, wenn Sie
"selbst mit helfen müssen Hunde würgen, oder ar-
"me Sünder anatomiren? Wie ist es möglich ge-
"wesen, daß Sie nur einen Augenblick haben
"zweifeln können, Jhren krummbeinigten Liebhaber
"mit einer langen Nase heimzuschicken? Schicken
"Sie ihn den Augenblick fort, folgen Sie mir!
"Sie verdienen ein besseres Glück, verstehn Sie
"mich, Schönstes Lottchen, ein bessres Glück!
"Morgen Nachmittage werde ich bey Jhnen seyn.
"O wie viel habe ich Jhnen da zu sagen, recht
"viel zu sagen! Leben Sie wohl. Jch küsse Sie
"tausendmal in Gedanken; Stirne, Augen, Ba-
"cken, Mund, Brust, Hand, alles küsse ich Jh-
"nen, und Jhrem Wurmkrämer breche ich noch
"seinen griechischen Hals. Leben Sie wohl."

Dieser Brief setzte mich ganz ausser mir.
Bey der närrischen Eigenliebe, die ich für mich,
meine Schönheit, und Verdienste hatte, hielt
ich ihn für eine völlige Liebeserklärung, für einen

Eh-
N

Satyriſche Briefe.
„gemacht. Rund vorbey, Herr Doctor, der
„Biſſen iſt fuͤr ihn zu fett! Bedenken Sie, Lott-
„chen, was Sie thun? Hat Jhnen die Natur
„darum ſo ſchoͤne Haͤnde gegeben, daß ſie Pillen
„damit drehen ſollen? Wollen Sie ihren goͤttli-
„chen Mund von einem elenden Kerl kuͤſſen laſſen,
„der den ganzen Tag das Uringlas vor der Naſe
„hat? Pfuy, Lottchen, Sie riechen ſchon nach
„todten Koͤrpern; gewiß, Sie riechen ſchon dar-
„nach! Was wird kuͤnftig werden, wenn Sie
„ſelbſt mit helfen muͤſſen Hunde wuͤrgen, oder ar-
„me Suͤnder anatomiren? Wie iſt es moͤglich ge-
„weſen, daß Sie nur einen Augenblick haben
„zweifeln koͤnnen, Jhren krummbeinigten Liebhaber
„mit einer langen Naſe heimzuſchicken? Schicken
„Sie ihn den Augenblick fort, folgen Sie mir!
„Sie verdienen ein beſſeres Gluͤck, verſtehn Sie
„mich, Schoͤnſtes Lottchen, ein beſſres Gluͤck!
„Morgen Nachmittage werde ich bey Jhnen ſeyn.
„O wie viel habe ich Jhnen da zu ſagen, recht
„viel zu ſagen! Leben Sie wohl. Jch kuͤſſe Sie
„tauſendmal in Gedanken; Stirne, Augen, Ba-
„cken, Mund, Bruſt, Hand, alles kuͤſſe ich Jh-
„nen, und Jhrem Wurmkraͤmer breche ich noch
„ſeinen griechiſchen Hals. Leben Sie wohl.„

Dieſer Brief ſetzte mich ganz auſſer mir.
Bey der naͤrriſchen Eigenliebe, die ich fuͤr mich,
meine Schoͤnheit, und Verdienſte hatte, hielt
ich ihn fuͤr eine voͤllige Liebeserklaͤrung, fuͤr einen

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[193/0221] Satyriſche Briefe. „gemacht. Rund vorbey, Herr Doctor, der „Biſſen iſt fuͤr ihn zu fett! Bedenken Sie, Lott- „chen, was Sie thun? Hat Jhnen die Natur „darum ſo ſchoͤne Haͤnde gegeben, daß ſie Pillen „damit drehen ſollen? Wollen Sie ihren goͤttli- „chen Mund von einem elenden Kerl kuͤſſen laſſen, „der den ganzen Tag das Uringlas vor der Naſe „hat? Pfuy, Lottchen, Sie riechen ſchon nach „todten Koͤrpern; gewiß, Sie riechen ſchon dar- „nach! Was wird kuͤnftig werden, wenn Sie „ſelbſt mit helfen muͤſſen Hunde wuͤrgen, oder ar- „me Suͤnder anatomiren? Wie iſt es moͤglich ge- „weſen, daß Sie nur einen Augenblick haben „zweifeln koͤnnen, Jhren krummbeinigten Liebhaber „mit einer langen Naſe heimzuſchicken? Schicken „Sie ihn den Augenblick fort, folgen Sie mir! „Sie verdienen ein beſſeres Gluͤck, verſtehn Sie „mich, Schoͤnſtes Lottchen, ein beſſres Gluͤck! „Morgen Nachmittage werde ich bey Jhnen ſeyn. „O wie viel habe ich Jhnen da zu ſagen, recht „viel zu ſagen! Leben Sie wohl. Jch kuͤſſe Sie „tauſendmal in Gedanken; Stirne, Augen, Ba- „cken, Mund, Bruſt, Hand, alles kuͤſſe ich Jh- „nen, und Jhrem Wurmkraͤmer breche ich noch „ſeinen griechiſchen Hals. Leben Sie wohl.„ Dieſer Brief ſetzte mich ganz auſſer mir. Bey der naͤrriſchen Eigenliebe, die ich fuͤr mich, meine Schoͤnheit, und Verdienſte hatte, hielt ich ihn fuͤr eine voͤllige Liebeserklaͤrung, fuͤr einen Eh- N

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/221>, abgerufen am 23.11.2024.