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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
Jch zankte mit dem Himmel, und hätte doch
mir allein den Vorwurf machen sollen, daß ich so
närrisch gewesen, den Schmeicheleyen eines Men-
schen zu glauben, dessen Stand über den meinigen
war, der bey seinen Jahren mit seiner Lebensart
durch die Gewohnheit gerechtfertiget, und von
der Welt gebilliget wird, wenn er ein hochmüthi-
ges Bürgermädchen, eine Närrinn, wie ich, betrog,
sie zum Zeitvertreib um ihren guten Namen brach-
te, oder zum Spase, auf beständig unglücklich
machte. Wie vielmal hatte ich ehedem über die
Thorheit derer gelacht, welche sich auf eine solche
Art verführen lassen! Hätte ich nicht besser auf
meiner Hut seyn sollen? War ich etwan vorneh-
mer, schöner, reicher, als andre, die sich in der-
gleichen Unglück gestürzt hatten? Keins von al-
len. Der Hochmuth machte, daß ich für mög-
lich hielte, beständig geliebt, und immer angebe-
tet zu werden. Es ist schändlich, wenn Männer,
die es für ihr erstes Gesetz halten, ihre Ehre zu
vertheidigen, auf eine so unehrliche Art ein unschul-
diges Mädchen unglücklich machen, und oft eine
ganze Familie in Schande bringen. Ein Mäd-
chen aber, das sich von ihnen bestricken läßt, ver-
dient weniger Mitleid, da sie hätte an dem Exem-
pel andrer lernen können, daß man ihr nur dar-
um schmeichelte, um einiges Vergnügen zu
haben, und sie auf eine lustige Art elend zu
machen.

Nun

Satyriſche Briefe.
Jch zankte mit dem Himmel, und haͤtte doch
mir allein den Vorwurf machen ſollen, daß ich ſo
naͤrriſch geweſen, den Schmeicheleyen eines Men-
ſchen zu glauben, deſſen Stand uͤber den meinigen
war, der bey ſeinen Jahren mit ſeiner Lebensart
durch die Gewohnheit gerechtfertiget, und von
der Welt gebilliget wird, wenn er ein hochmuͤthi-
ges Buͤrgermaͤdchen, eine Naͤrrinn, wie ich, betrog,
ſie zum Zeitvertreib um ihren guten Namen brach-
te, oder zum Spaſe, auf beſtaͤndig ungluͤcklich
machte. Wie vielmal hatte ich ehedem uͤber die
Thorheit derer gelacht, welche ſich auf eine ſolche
Art verfuͤhren laſſen! Haͤtte ich nicht beſſer auf
meiner Hut ſeyn ſollen? War ich etwan vorneh-
mer, ſchoͤner, reicher, als andre, die ſich in der-
gleichen Ungluͤck geſtuͤrzt hatten? Keins von al-
len. Der Hochmuth machte, daß ich fuͤr moͤg-
lich hielte, beſtaͤndig geliebt, und immer angebe-
tet zu werden. Es iſt ſchaͤndlich, wenn Maͤnner,
die es fuͤr ihr erſtes Geſetz halten, ihre Ehre zu
vertheidigen, auf eine ſo unehrliche Art ein unſchul-
diges Maͤdchen ungluͤcklich machen, und oft eine
ganze Familie in Schande bringen. Ein Maͤd-
chen aber, das ſich von ihnen beſtricken laͤßt, ver-
dient weniger Mitleid, da ſie haͤtte an dem Exem-
pel andrer lernen koͤnnen, daß man ihr nur dar-
um ſchmeichelte, um einiges Vergnuͤgen zu
haben, und ſie auf eine luſtige Art elend zu
machen.

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[210/0238] Satyriſche Briefe. Jch zankte mit dem Himmel, und haͤtte doch mir allein den Vorwurf machen ſollen, daß ich ſo naͤrriſch geweſen, den Schmeicheleyen eines Men- ſchen zu glauben, deſſen Stand uͤber den meinigen war, der bey ſeinen Jahren mit ſeiner Lebensart durch die Gewohnheit gerechtfertiget, und von der Welt gebilliget wird, wenn er ein hochmuͤthi- ges Buͤrgermaͤdchen, eine Naͤrrinn, wie ich, betrog, ſie zum Zeitvertreib um ihren guten Namen brach- te, oder zum Spaſe, auf beſtaͤndig ungluͤcklich machte. Wie vielmal hatte ich ehedem uͤber die Thorheit derer gelacht, welche ſich auf eine ſolche Art verfuͤhren laſſen! Haͤtte ich nicht beſſer auf meiner Hut ſeyn ſollen? War ich etwan vorneh- mer, ſchoͤner, reicher, als andre, die ſich in der- gleichen Ungluͤck geſtuͤrzt hatten? Keins von al- len. Der Hochmuth machte, daß ich fuͤr moͤg- lich hielte, beſtaͤndig geliebt, und immer angebe- tet zu werden. Es iſt ſchaͤndlich, wenn Maͤnner, die es fuͤr ihr erſtes Geſetz halten, ihre Ehre zu vertheidigen, auf eine ſo unehrliche Art ein unſchul- diges Maͤdchen ungluͤcklich machen, und oft eine ganze Familie in Schande bringen. Ein Maͤd- chen aber, das ſich von ihnen beſtricken laͤßt, ver- dient weniger Mitleid, da ſie haͤtte an dem Exem- pel andrer lernen koͤnnen, daß man ihr nur dar- um ſchmeichelte, um einiges Vergnuͤgen zu haben, und ſie auf eine luſtige Art elend zu machen. Nun

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/238>, abgerufen am 23.11.2024.