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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
"Vater, welcher so vorsichtig, als dienstfertig
"war, hat sich niemals in seiner Wahl betrogen.
"Der erste Blick, den er auf Sie that, entdeckte
"ihm alles das Gute, und die lobenswürdigen
"Eigenschaften, welche den Werth Jhrer Seele
"ausmachten. Er eilte, Sie aus dem Mangel
"zu reissen, welcher Sie in dem Hause Jhrer ar-
"men Aeltern niederdrückte; er nahm Sie zu sich,
"und liebte Sie bis an sein Ende, als sein eignes
"Kind. Da er mich beständig mit Jhrem from-
"men christlichen Wandel, mit Jhrer Treue, mit
"Jhrem Fleiße, und mit der Hoffnung unter-
"hielt, die Sie zu Jhrem künftigen Glücke von
"Sich blicken liessen: so würde ich vielleicht viel-
"mal Gelegenheit gehabt haben, über die Liebe
"meines Vaters gegen Sie eifersüchtig zu werden,
"wenn ichs nicht für einen Theil meiner Schul-
"digkeit angesehen hätte, Jhren Verdiensten
"Recht widerfahren zu lassen. Der unvermu-
"thete Tod meines Vaters hinderte ihn, dasjeni-
"ge zu Stande zu bringen, was er sich zu Jhrem
"Besten vorgenommen hatte. Alles, was er
"thun konnte, war dieses, daß er wenig Stun-
"den vor seinem Ende mir sagte, wie nah ihm
"dieses gienge, wie sehr er Sie liebte, und wie
"aufrichtig er wünschte, daß ich mich entschließen
"möchte, Jhnen, mein Herr, diejenige Freund-
"schaft zu erzeigen, die er Jhnen für Jhre redli-
"che Dienste schuldig zu seyn glaubte. Er sagte
"dieses, und noch vielmehr, als er starb. Der

redliche

Satyriſche Briefe.
„Vater, welcher ſo vorſichtig, als dienſtfertig
„war, hat ſich niemals in ſeiner Wahl betrogen.
„Der erſte Blick, den er auf Sie that, entdeckte
„ihm alles das Gute, und die lobenswuͤrdigen
„Eigenſchaften, welche den Werth Jhrer Seele
„ausmachten. Er eilte, Sie aus dem Mangel
„zu reiſſen, welcher Sie in dem Hauſe Jhrer ar-
„men Aeltern niederdruͤckte; er nahm Sie zu ſich,
„und liebte Sie bis an ſein Ende, als ſein eignes
„Kind. Da er mich beſtaͤndig mit Jhrem from-
„men chriſtlichen Wandel, mit Jhrer Treue, mit
„Jhrem Fleiße, und mit der Hoffnung unter-
„hielt, die Sie zu Jhrem kuͤnftigen Gluͤcke von
„Sich blicken lieſſen: ſo wuͤrde ich vielleicht viel-
„mal Gelegenheit gehabt haben, uͤber die Liebe
„meines Vaters gegen Sie eiferſuͤchtig zu werden,
„wenn ichs nicht fuͤr einen Theil meiner Schul-
„digkeit angeſehen haͤtte, Jhren Verdienſten
„Recht widerfahren zu laſſen. Der unvermu-
„thete Tod meines Vaters hinderte ihn, dasjeni-
„ge zu Stande zu bringen, was er ſich zu Jhrem
„Beſten vorgenommen hatte. Alles, was er
„thun konnte, war dieſes, daß er wenig Stun-
„den vor ſeinem Ende mir ſagte, wie nah ihm
„dieſes gienge, wie ſehr er Sie liebte, und wie
„aufrichtig er wuͤnſchte, daß ich mich entſchließen
„moͤchte, Jhnen, mein Herr, diejenige Freund-
„ſchaft zu erzeigen, die er Jhnen fuͤr Jhre redli-
„che Dienſte ſchuldig zu ſeyn glaubte. Er ſagte
„dieſes, und noch vielmehr, als er ſtarb. Der

redliche
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[222/0250] Satyriſche Briefe. „Vater, welcher ſo vorſichtig, als dienſtfertig „war, hat ſich niemals in ſeiner Wahl betrogen. „Der erſte Blick, den er auf Sie that, entdeckte „ihm alles das Gute, und die lobenswuͤrdigen „Eigenſchaften, welche den Werth Jhrer Seele „ausmachten. Er eilte, Sie aus dem Mangel „zu reiſſen, welcher Sie in dem Hauſe Jhrer ar- „men Aeltern niederdruͤckte; er nahm Sie zu ſich, „und liebte Sie bis an ſein Ende, als ſein eignes „Kind. Da er mich beſtaͤndig mit Jhrem from- „men chriſtlichen Wandel, mit Jhrer Treue, mit „Jhrem Fleiße, und mit der Hoffnung unter- „hielt, die Sie zu Jhrem kuͤnftigen Gluͤcke von „Sich blicken lieſſen: ſo wuͤrde ich vielleicht viel- „mal Gelegenheit gehabt haben, uͤber die Liebe „meines Vaters gegen Sie eiferſuͤchtig zu werden, „wenn ichs nicht fuͤr einen Theil meiner Schul- „digkeit angeſehen haͤtte, Jhren Verdienſten „Recht widerfahren zu laſſen. Der unvermu- „thete Tod meines Vaters hinderte ihn, dasjeni- „ge zu Stande zu bringen, was er ſich zu Jhrem „Beſten vorgenommen hatte. Alles, was er „thun konnte, war dieſes, daß er wenig Stun- „den vor ſeinem Ende mir ſagte, wie nah ihm „dieſes gienge, wie ſehr er Sie liebte, und wie „aufrichtig er wuͤnſchte, daß ich mich entſchließen „moͤchte, Jhnen, mein Herr, diejenige Freund- „ſchaft zu erzeigen, die er Jhnen fuͤr Jhre redli- „che Dienſte ſchuldig zu ſeyn glaubte. Er ſagte „dieſes, und noch vielmehr, als er ſtarb. Der redliche

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/250>, abgerufen am 23.11.2024.