Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Satyrische Briefe.
"die Erhaltung meines Vaters Jhrer Geschicklich-
"keit und Sorgfalt zu danken gehabt. Bin ich
"Jhnen seitdem so gleichgültig geworden, daß Sie
"Sich die Mühe nicht geben wollen, von mir, we-
"gen meiner eignen Person, eine gleiche Verbind-
"lichkeit zu verdienen? Sie waren in vorigen Zei-
"ten aufmerksam auf mich, und wenn Sie mir nicht
"zu viel geschmeichelt haben: so hatte ich das Glück,
"Jhnen zu gefallen. Jch verwahre Jhre schrift-
"liche Versicherung davon noch sehr sorgfältig; und,
"so oft ich sie durchlese, empfinde ich einen gewissen
"Stolz in mir, welcher sich durch das billige Ur-
"theil der Welt rechtfertiget, die von Jhrem Ver-
"stande und Jhrer Einsicht überzeugt ist. Eine
"Person, die Sie für Jhre Freundinn, und ich für
"vernünftig hielt, die aber uns beide betrogen hat,
"war Ursache, daß ich mich verleiten ließ, Jhr
"freundschaftliches Suchen zu misbrauchen, und
"Jhnen eine Antwort zu schreiben, deren ich mich
"noch mehr schämen würde, wenn ich nicht wüßte,
"daß sie in den Händen eines vernünftigen Man-
"nes wäre. Jch verlange meinen Fehler nicht zu
"entschuldigen, den ich sonst der Bosheit unsrer
"gefährlichen Freundinn ganz zur Last legen könn-
"te. Jch will es gestehn, ich habe mich übereilt,
"und ich kann es Jhnen gar nicht verdenken, wenn
"Sie seit der Zeit geglaubt haben, ich sey Jhrer
"Freundschaft und Liebe unwürdig. Verlangen
"Sie noch mehr Reue über ein Vergehen, das ich
"alle Stunden bereue, wenn ich daran gedenke?

"Kom-

Satyriſche Briefe.
„die Erhaltung meines Vaters Jhrer Geſchicklich-
„keit und Sorgfalt zu danken gehabt. Bin ich
„Jhnen ſeitdem ſo gleichguͤltig geworden, daß Sie
„Sich die Muͤhe nicht geben wollen, von mir, we-
„gen meiner eignen Perſon, eine gleiche Verbind-
„lichkeit zu verdienen? Sie waren in vorigen Zei-
„ten aufmerkſam auf mich, und wenn Sie mir nicht
„zu viel geſchmeichelt haben: ſo hatte ich das Gluͤck,
„Jhnen zu gefallen. Jch verwahre Jhre ſchrift-
„liche Verſicherung davon noch ſehr ſorgfaͤltig; und,
„ſo oft ich ſie durchleſe, empfinde ich einen gewiſſen
„Stolz in mir, welcher ſich durch das billige Ur-
„theil der Welt rechtfertiget, die von Jhrem Ver-
„ſtande und Jhrer Einſicht uͤberzeugt iſt. Eine
„Perſon, die Sie fuͤr Jhre Freundinn, und ich fuͤr
„vernuͤnftig hielt, die aber uns beide betrogen hat,
„war Urſache, daß ich mich verleiten ließ, Jhr
„freundſchaftliches Suchen zu misbrauchen, und
„Jhnen eine Antwort zu ſchreiben, deren ich mich
„noch mehr ſchaͤmen wuͤrde, wenn ich nicht wuͤßte,
„daß ſie in den Haͤnden eines vernuͤnftigen Man-
„nes waͤre. Jch verlange meinen Fehler nicht zu
„entſchuldigen, den ich ſonſt der Bosheit unſrer
„gefaͤhrlichen Freundinn ganz zur Laſt legen koͤnn-
„te. Jch will es geſtehn, ich habe mich uͤbereilt,
„und ich kann es Jhnen gar nicht verdenken, wenn
„Sie ſeit der Zeit geglaubt haben, ich ſey Jhrer
„Freundſchaft und Liebe unwuͤrdig. Verlangen
„Sie noch mehr Reue uͤber ein Vergehen, das ich
„alle Stunden bereue, wenn ich daran gedenke?

„Kom-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <p><pb facs="#f0264" n="236"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi></fw><lb/>
&#x201E;die Erhaltung meines Vaters Jhrer Ge&#x017F;chicklich-<lb/>
&#x201E;keit und Sorgfalt zu danken gehabt. Bin ich<lb/>
&#x201E;Jhnen &#x017F;eitdem &#x017F;o gleichgu&#x0364;ltig geworden, daß Sie<lb/>
&#x201E;Sich die Mu&#x0364;he nicht geben wollen, von mir, we-<lb/>
&#x201E;gen meiner eignen Per&#x017F;on, eine gleiche Verbind-<lb/>
&#x201E;lichkeit zu verdienen? Sie waren in vorigen Zei-<lb/>
&#x201E;ten aufmerk&#x017F;am auf mich, und wenn Sie mir nicht<lb/>
&#x201E;zu viel ge&#x017F;chmeichelt haben: &#x017F;o hatte ich das Glu&#x0364;ck,<lb/>
&#x201E;Jhnen zu gefallen. Jch verwahre Jhre &#x017F;chrift-<lb/>
&#x201E;liche Ver&#x017F;icherung davon noch &#x017F;ehr &#x017F;orgfa&#x0364;ltig; und,<lb/>
&#x201E;&#x017F;o oft ich &#x017F;ie durchle&#x017F;e, empfinde ich einen gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x201E;Stolz in mir, welcher &#x017F;ich durch das billige Ur-<lb/>
&#x201E;theil der Welt rechtfertiget, die von Jhrem Ver-<lb/>
&#x201E;&#x017F;tande und Jhrer Ein&#x017F;icht u&#x0364;berzeugt i&#x017F;t. Eine<lb/>
&#x201E;Per&#x017F;on, die Sie fu&#x0364;r Jhre Freundinn, und ich fu&#x0364;r<lb/>
&#x201E;vernu&#x0364;nftig hielt, die aber uns beide betrogen hat,<lb/>
&#x201E;war Ur&#x017F;ache, daß ich mich verleiten ließ, Jhr<lb/>
&#x201E;freund&#x017F;chaftliches Suchen zu misbrauchen, und<lb/>
&#x201E;Jhnen eine Antwort zu &#x017F;chreiben, deren ich mich<lb/>
&#x201E;noch mehr &#x017F;cha&#x0364;men wu&#x0364;rde, wenn ich nicht wu&#x0364;ßte,<lb/>
&#x201E;daß &#x017F;ie in den Ha&#x0364;nden eines vernu&#x0364;nftigen Man-<lb/>
&#x201E;nes wa&#x0364;re. Jch verlange meinen Fehler nicht zu<lb/>
&#x201E;ent&#x017F;chuldigen, den ich &#x017F;on&#x017F;t der Bosheit un&#x017F;rer<lb/>
&#x201E;gefa&#x0364;hrlichen Freundinn ganz zur La&#x017F;t legen ko&#x0364;nn-<lb/>
&#x201E;te. Jch will es ge&#x017F;tehn, ich habe mich u&#x0364;bereilt,<lb/>
&#x201E;und ich kann es Jhnen gar nicht verdenken, wenn<lb/>
&#x201E;Sie &#x017F;eit der Zeit geglaubt haben, ich &#x017F;ey Jhrer<lb/>
&#x201E;Freund&#x017F;chaft und Liebe unwu&#x0364;rdig. Verlangen<lb/>
&#x201E;Sie noch mehr Reue u&#x0364;ber ein Vergehen, das ich<lb/>
&#x201E;alle Stunden bereue, wenn ich daran gedenke?<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Kom-</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0264] Satyriſche Briefe. „die Erhaltung meines Vaters Jhrer Geſchicklich- „keit und Sorgfalt zu danken gehabt. Bin ich „Jhnen ſeitdem ſo gleichguͤltig geworden, daß Sie „Sich die Muͤhe nicht geben wollen, von mir, we- „gen meiner eignen Perſon, eine gleiche Verbind- „lichkeit zu verdienen? Sie waren in vorigen Zei- „ten aufmerkſam auf mich, und wenn Sie mir nicht „zu viel geſchmeichelt haben: ſo hatte ich das Gluͤck, „Jhnen zu gefallen. Jch verwahre Jhre ſchrift- „liche Verſicherung davon noch ſehr ſorgfaͤltig; und, „ſo oft ich ſie durchleſe, empfinde ich einen gewiſſen „Stolz in mir, welcher ſich durch das billige Ur- „theil der Welt rechtfertiget, die von Jhrem Ver- „ſtande und Jhrer Einſicht uͤberzeugt iſt. Eine „Perſon, die Sie fuͤr Jhre Freundinn, und ich fuͤr „vernuͤnftig hielt, die aber uns beide betrogen hat, „war Urſache, daß ich mich verleiten ließ, Jhr „freundſchaftliches Suchen zu misbrauchen, und „Jhnen eine Antwort zu ſchreiben, deren ich mich „noch mehr ſchaͤmen wuͤrde, wenn ich nicht wuͤßte, „daß ſie in den Haͤnden eines vernuͤnftigen Man- „nes waͤre. Jch verlange meinen Fehler nicht zu „entſchuldigen, den ich ſonſt der Bosheit unſrer „gefaͤhrlichen Freundinn ganz zur Laſt legen koͤnn- „te. Jch will es geſtehn, ich habe mich uͤbereilt, „und ich kann es Jhnen gar nicht verdenken, wenn „Sie ſeit der Zeit geglaubt haben, ich ſey Jhrer „Freundſchaft und Liebe unwuͤrdig. Verlangen „Sie noch mehr Reue uͤber ein Vergehen, das ich „alle Stunden bereue, wenn ich daran gedenke? „Kom-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/264
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/264>, abgerufen am 25.11.2024.