Frau. Jch werde nicht eine Minute ruhig seyn, bis ich solche habe. Rathen Sie mir, aufrichtig rathen Sie mir, und, wo möglich, so, wie ich wünsche. Jhr Rath soll den Ausspruch thun. Setzen Sie Sich an meine Stelle. Was würden wohl Sie thun? Jch bin etc. etc.
Was ich thun würde, mein gutes Fräulein? Das weiß ich in der That selbst nicht. Sie sind ein allerliebstes Mädchen. Jch glaube nicht, daß ausser Jhnen noch ein Frauenzimmer in der Welt seyn kann, welches dem wunderbaren Einfalle mei- nes redlichen Vaters einen so freundschaftlichen An- strich geben würde. Aber gestehen Sie es nur, gestehen Sie es wenigstens aus Freundschaft zu mir, daß man auch mitten unter den Schwachhei- ten meines alten Vaters den vernünftigen, den rechtschaffnen Mann erblickt. Es würde seiner Einsicht wenig zur Ehre gereichen, wenn er gegen Jhre Person, und gegen Jhren tugendhaften Cha- rakter weniger Hochachtung bezeigt hätte. Er ist von Jhren Verdiensten so überzeugt, daß er sich und seine Jahre vergißt, um Jhnen seine Hand an- zubieten. Der rechtschaffne Alte! Was ihn vor den Augen der Welt lächerlich machen könnte, das macht ihn vor meinen Augen immer ehrwürdiger. Wäre mein Vater dreissig Jahre jünger, so würde ich aus Liebe zu ihm, und aus Freundschaft gegen Sie, mir alle Mühe geben, Sie zu bereden, daß
Sie
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Satyriſche Briefe.
Frau. Jch werde nicht eine Minute ruhig ſeyn, bis ich ſolche habe. Rathen Sie mir, aufrichtig rathen Sie mir, und, wo moͤglich, ſo, wie ich wuͤnſche. Jhr Rath ſoll den Ausſpruch thun. Setzen Sie Sich an meine Stelle. Was wuͤrden wohl Sie thun? Jch bin ꝛc. ꝛc.
Was ich thun wuͤrde, mein gutes Fraͤulein? Das weiß ich in der That ſelbſt nicht. Sie ſind ein allerliebſtes Maͤdchen. Jch glaube nicht, daß auſſer Jhnen noch ein Frauenzimmer in der Welt ſeyn kann, welches dem wunderbaren Einfalle mei- nes redlichen Vaters einen ſo freundſchaftlichen An- ſtrich geben wuͤrde. Aber geſtehen Sie es nur, geſtehen Sie es wenigſtens aus Freundſchaft zu mir, daß man auch mitten unter den Schwachhei- ten meines alten Vaters den vernuͤnftigen, den rechtſchaffnen Mann erblickt. Es wuͤrde ſeiner Einſicht wenig zur Ehre gereichen, wenn er gegen Jhre Perſon, und gegen Jhren tugendhaften Cha- rakter weniger Hochachtung bezeigt haͤtte. Er iſt von Jhren Verdienſten ſo uͤberzeugt, daß er ſich und ſeine Jahre vergißt, um Jhnen ſeine Hand an- zubieten. Der rechtſchaffne Alte! Was ihn vor den Augen der Welt laͤcherlich machen koͤnnte, das macht ihn vor meinen Augen immer ehrwuͤrdiger. Waͤre mein Vater dreiſſig Jahre juͤnger, ſo wuͤrde ich aus Liebe zu ihm, und aus Freundſchaft gegen Sie, mir alle Muͤhe geben, Sie zu bereden, daß
Sie
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Satyriſche Briefe.
Frau. Jch werde nicht eine Minute ruhig ſeyn,
bis ich ſolche habe. Rathen Sie mir, aufrichtig
rathen Sie mir, und, wo moͤglich, ſo, wie ich
wuͤnſche. Jhr Rath ſoll den Ausſpruch thun.
Setzen Sie Sich an meine Stelle. Was wuͤrden
wohl Sie thun? Jch bin ꝛc. ꝛc.
Was ich thun wuͤrde, mein gutes Fraͤulein?
Das weiß ich in der That ſelbſt nicht. Sie
ſind ein allerliebſtes Maͤdchen. Jch glaube nicht, daß
auſſer Jhnen noch ein Frauenzimmer in der Welt
ſeyn kann, welches dem wunderbaren Einfalle mei-
nes redlichen Vaters einen ſo freundſchaftlichen An-
ſtrich geben wuͤrde. Aber geſtehen Sie es nur,
geſtehen Sie es wenigſtens aus Freundſchaft zu
mir, daß man auch mitten unter den Schwachhei-
ten meines alten Vaters den vernuͤnftigen, den
rechtſchaffnen Mann erblickt. Es wuͤrde ſeiner
Einſicht wenig zur Ehre gereichen, wenn er gegen
Jhre Perſon, und gegen Jhren tugendhaften Cha-
rakter weniger Hochachtung bezeigt haͤtte. Er iſt
von Jhren Verdienſten ſo uͤberzeugt, daß er ſich
und ſeine Jahre vergißt, um Jhnen ſeine Hand an-
zubieten. Der rechtſchaffne Alte! Was ihn vor
den Augen der Welt laͤcherlich machen koͤnnte, das
macht ihn vor meinen Augen immer ehrwuͤrdiger.
Waͤre mein Vater dreiſſig Jahre juͤnger, ſo wuͤrde
ich aus Liebe zu ihm, und aus Freundſchaft gegen
Sie, mir alle Muͤhe geben, Sie zu bereden, daß
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/319>, abgerufen am 26.11.2024.
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