dige Tante. Jch würde ganz ohne Trost seyn, wenn Sie mich nur einen Augenblick an Jhrem unveränderten Wohlwollen zweifeln ließen. Das können Sie nicht thun; Sie sind zu gütig dazu, ich weiß es, und werde dafür niemals aufhören, zu seyn u. s. w.
Gnädiges Fräulein,
Jch wage es, Jhnen eine Sache zu entdecken, die Jhnen nicht mehr so unbekannt seyn könnte, wenn Sie die Gütigkeit gehabt hätten, seit einigen Monaten auf meine zärtliche Achtung gegen Sie etwas aufmerksamer zu seyn. Jch liebe Sie, un- endlich liebe ich Sie. Lassen Sie Jhren Verdien- sten Gerechtigkeit wiederfahren, und glauben Sie, Gnädiges Fräulein, daß ich die Heftigkeit meiner Neigung gegen Sie noch mehr Jhrem tugendhaf- ten Charakter als Jhrer Schönheit zu danken habe; so groß auch die Vorzüge sind, die Sie durch die letztere vor vielen Jhres Standes und Jhres Ge- schlechts erlangt haben. Dieses ernsthafte Bekennt- niß würde manchem Fräulein übertrieben klingen; bey Jhnen aber darf ich diesen Vorwurf nicht be- fürchten. Sie sind von dem Werthe der Tugend, die Jhnen selbst so eigen ist, überzeugt; wie viel habe ich bey Jhnen gewonnen, wenn ich Sie über- zeugen kann, daß auch ich diesen Werth kenne! Jch kann es alsdann sichrer wagen, Jhnen mein Herz und meine Hand anzubieten. Durch den Tod mei-
ner
Satyriſche Briefe.
dige Tante. Jch wuͤrde ganz ohne Troſt ſeyn, wenn Sie mich nur einen Augenblick an Jhrem unveraͤnderten Wohlwollen zweifeln ließen. Das koͤnnen Sie nicht thun; Sie ſind zu guͤtig dazu, ich weiß es, und werde dafuͤr niemals aufhoͤren, zu ſeyn u. ſ. w.
Gnaͤdiges Fraͤulein,
Jch wage es, Jhnen eine Sache zu entdecken, die Jhnen nicht mehr ſo unbekannt ſeyn koͤnnte, wenn Sie die Guͤtigkeit gehabt haͤtten, ſeit einigen Monaten auf meine zaͤrtliche Achtung gegen Sie etwas aufmerkſamer zu ſeyn. Jch liebe Sie, un- endlich liebe ich Sie. Laſſen Sie Jhren Verdien- ſten Gerechtigkeit wiederfahren, und glauben Sie, Gnaͤdiges Fraͤulein, daß ich die Heftigkeit meiner Neigung gegen Sie noch mehr Jhrem tugendhaf- ten Charakter als Jhrer Schoͤnheit zu danken habe; ſo groß auch die Vorzuͤge ſind, die Sie durch die letztere vor vielen Jhres Standes und Jhres Ge- ſchlechts erlangt haben. Dieſes ernſthafte Bekennt- niß wuͤrde manchem Fraͤulein uͤbertrieben klingen; bey Jhnen aber darf ich dieſen Vorwurf nicht be- fuͤrchten. Sie ſind von dem Werthe der Tugend, die Jhnen ſelbſt ſo eigen iſt, uͤberzeugt; wie viel habe ich bey Jhnen gewonnen, wenn ich Sie uͤber- zeugen kann, daß auch ich dieſen Werth kenne! Jch kann es alsdann ſichrer wagen, Jhnen mein Herz und meine Hand anzubieten. Durch den Tod mei-
ner
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><divtype="letter"><p><pbfacs="#f0326"n="298"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/>
dige Tante. Jch wuͤrde ganz ohne Troſt ſeyn,<lb/>
wenn Sie mich nur einen Augenblick an Jhrem<lb/>
unveraͤnderten Wohlwollen zweifeln ließen. Das<lb/>
koͤnnen Sie nicht thun; Sie ſind zu guͤtig dazu, ich<lb/>
weiß es, und werde dafuͤr niemals aufhoͤren, zu<lb/>ſeyn u. ſ. w.</p></div><lb/><divtype="letter"><salute><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Gnaͤdiges Fraͤulein,</hi></hi></salute><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch wage es, Jhnen eine Sache zu entdecken, die<lb/>
Jhnen nicht mehr ſo unbekannt ſeyn koͤnnte,<lb/>
wenn Sie die Guͤtigkeit gehabt haͤtten, ſeit einigen<lb/>
Monaten auf meine zaͤrtliche Achtung gegen Sie<lb/>
etwas aufmerkſamer zu ſeyn. Jch liebe Sie, un-<lb/>
endlich liebe ich Sie. Laſſen Sie Jhren Verdien-<lb/>ſten Gerechtigkeit wiederfahren, und glauben Sie,<lb/>
Gnaͤdiges Fraͤulein, daß ich die Heftigkeit meiner<lb/>
Neigung gegen Sie noch mehr Jhrem tugendhaf-<lb/>
ten Charakter als Jhrer Schoͤnheit zu danken habe;<lb/>ſo groß auch die Vorzuͤge ſind, die Sie durch die<lb/>
letztere vor vielen Jhres Standes und Jhres Ge-<lb/>ſchlechts erlangt haben. Dieſes ernſthafte Bekennt-<lb/>
niß wuͤrde manchem Fraͤulein uͤbertrieben klingen;<lb/>
bey Jhnen aber darf ich dieſen Vorwurf nicht be-<lb/>
fuͤrchten. Sie ſind von dem Werthe der Tugend,<lb/>
die Jhnen ſelbſt ſo eigen iſt, uͤberzeugt; wie viel<lb/>
habe ich bey Jhnen gewonnen, wenn ich Sie uͤber-<lb/>
zeugen kann, daß auch ich dieſen Werth kenne! Jch<lb/>
kann es alsdann ſichrer wagen, Jhnen mein Herz<lb/>
und meine Hand anzubieten. Durch den Tod mei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ner</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[298/0326]
Satyriſche Briefe.
dige Tante. Jch wuͤrde ganz ohne Troſt ſeyn,
wenn Sie mich nur einen Augenblick an Jhrem
unveraͤnderten Wohlwollen zweifeln ließen. Das
koͤnnen Sie nicht thun; Sie ſind zu guͤtig dazu, ich
weiß es, und werde dafuͤr niemals aufhoͤren, zu
ſeyn u. ſ. w.
Gnaͤdiges Fraͤulein,
Jch wage es, Jhnen eine Sache zu entdecken, die
Jhnen nicht mehr ſo unbekannt ſeyn koͤnnte,
wenn Sie die Guͤtigkeit gehabt haͤtten, ſeit einigen
Monaten auf meine zaͤrtliche Achtung gegen Sie
etwas aufmerkſamer zu ſeyn. Jch liebe Sie, un-
endlich liebe ich Sie. Laſſen Sie Jhren Verdien-
ſten Gerechtigkeit wiederfahren, und glauben Sie,
Gnaͤdiges Fraͤulein, daß ich die Heftigkeit meiner
Neigung gegen Sie noch mehr Jhrem tugendhaf-
ten Charakter als Jhrer Schoͤnheit zu danken habe;
ſo groß auch die Vorzuͤge ſind, die Sie durch die
letztere vor vielen Jhres Standes und Jhres Ge-
ſchlechts erlangt haben. Dieſes ernſthafte Bekennt-
niß wuͤrde manchem Fraͤulein uͤbertrieben klingen;
bey Jhnen aber darf ich dieſen Vorwurf nicht be-
fuͤrchten. Sie ſind von dem Werthe der Tugend,
die Jhnen ſelbſt ſo eigen iſt, uͤberzeugt; wie viel
habe ich bey Jhnen gewonnen, wenn ich Sie uͤber-
zeugen kann, daß auch ich dieſen Werth kenne! Jch
kann es alsdann ſichrer wagen, Jhnen mein Herz
und meine Hand anzubieten. Durch den Tod mei-
ner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/326>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.