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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
"Hofmeister mehr ehren sollen? Wie viel unglück-
"liche Folgen fließen aus dieser einzigen Qvelle,
"wenn die Kinder sich durch das Beyspiel der Ael-
"tern berechtiget halten, denjenigen zu verachten,
"der ihr Führer und Lehrer seyn soll!

"Die Besoldung, oder wie es in vielen vor-
"nehmen Häusern genannt wird, der Lohn, den
"man dem Hofmeister giebt, ist so kümmerlich und
"geringe, daß ein rechtschaffner Mann unmöglich
"Muth genug behalten kann, sein sklavisches Amt
"mit dem Eifer und der Munterkeit zu verwalten,
"die bey dieser Verrichtung so nöthig sind.

"Und, damit der Hofmeister sein Geld ja nicht
"mit Müßiggehen verdiene, so sind viele so sinn-
"reich, daß sie von ihm alle Wissenschaften, und
"über die Wissenschaften alle mögliche Handdienste
"fordern, und es gern sähen, wenn er Hofmeister,
"und Perükenmacher, und Hausvoigt, und Korn-
"schreiber zugleich wäre.

"Können dergleichen unbillige Aeltern sich es
"wohl befremden lassen, wenn ihre Kinder schlecht,
"und niederträchtig erzogen werden, da sie mit
"demjenigen, der sie erziehen soll, so niederträchtig,
"und eigennützig verfahren?

"Da ich dieses sage, so weis ich, daß ich alle
"diejenigen auf meiner Seite habe, denen in adli-

"chen
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Satyriſche Briefe.
„Hofmeiſter mehr ehren ſollen? Wie viel ungluͤck-
„liche Folgen fließen aus dieſer einzigen Qvelle,
„wenn die Kinder ſich durch das Beyſpiel der Ael-
„tern berechtiget halten, denjenigen zu verachten,
„der ihr Fuͤhrer und Lehrer ſeyn ſoll!

„Die Beſoldung, oder wie es in vielen vor-
„nehmen Haͤuſern genannt wird, der Lohn, den
„man dem Hofmeiſter giebt, iſt ſo kuͤmmerlich und
„geringe, daß ein rechtſchaffner Mann unmoͤglich
„Muth genug behalten kann, ſein ſklaviſches Amt
„mit dem Eifer und der Munterkeit zu verwalten,
„die bey dieſer Verrichtung ſo noͤthig ſind.

„Und, damit der Hofmeiſter ſein Geld ja nicht
„mit Muͤßiggehen verdiene, ſo ſind viele ſo ſinn-
„reich, daß ſie von ihm alle Wiſſenſchaften, und
„uͤber die Wiſſenſchaften alle moͤgliche Handdienſte
„fordern, und es gern ſaͤhen, wenn er Hofmeiſter,
„und Peruͤkenmacher, und Hausvoigt, und Korn-
„ſchreiber zugleich waͤre.

„Koͤnnen dergleichen unbillige Aeltern ſich es
„wohl befremden laſſen, wenn ihre Kinder ſchlecht,
„und niedertraͤchtig erzogen werden, da ſie mit
„demjenigen, der ſie erziehen ſoll, ſo niedertraͤchtig,
„und eigennuͤtzig verfahren?

„Da ich dieſes ſage, ſo weis ich, daß ich alle
„diejenigen auf meiner Seite habe, denen in adli-

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[5/0033] Satyriſche Briefe. „Hofmeiſter mehr ehren ſollen? Wie viel ungluͤck- „liche Folgen fließen aus dieſer einzigen Qvelle, „wenn die Kinder ſich durch das Beyſpiel der Ael- „tern berechtiget halten, denjenigen zu verachten, „der ihr Fuͤhrer und Lehrer ſeyn ſoll! „Die Beſoldung, oder wie es in vielen vor- „nehmen Haͤuſern genannt wird, der Lohn, den „man dem Hofmeiſter giebt, iſt ſo kuͤmmerlich und „geringe, daß ein rechtſchaffner Mann unmoͤglich „Muth genug behalten kann, ſein ſklaviſches Amt „mit dem Eifer und der Munterkeit zu verwalten, „die bey dieſer Verrichtung ſo noͤthig ſind. „Und, damit der Hofmeiſter ſein Geld ja nicht „mit Muͤßiggehen verdiene, ſo ſind viele ſo ſinn- „reich, daß ſie von ihm alle Wiſſenſchaften, und „uͤber die Wiſſenſchaften alle moͤgliche Handdienſte „fordern, und es gern ſaͤhen, wenn er Hofmeiſter, „und Peruͤkenmacher, und Hausvoigt, und Korn- „ſchreiber zugleich waͤre. „Koͤnnen dergleichen unbillige Aeltern ſich es „wohl befremden laſſen, wenn ihre Kinder ſchlecht, „und niedertraͤchtig erzogen werden, da ſie mit „demjenigen, der ſie erziehen ſoll, ſo niedertraͤchtig, „und eigennuͤtzig verfahren? „Da ich dieſes ſage, ſo weis ich, daß ich alle „diejenigen auf meiner Seite habe, denen in adli- „chen A 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/33>, abgerufen am 30.04.2024.