[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.Satyrische Briefe. wie heute. Unmöglich ist es Jhr Ernst, daß Siediesen schematischen Mann heirathen wollen. Ver- zeihn Sie mir diesen Ausdruck; mein Bruder nennte ihn so, und lachte erschrecklich dazu. Es muß wohl ein artiges Wort seyn; denn mein Bru- der ist witzig, wie der Henker! Wie gesagt, Jhr Ernst kann es unmöglich seyn, oder Sie sollten mich sehr dauern. Bedenken Sie einmal, was soll das für eine Zucht werden? Einen Tag, wie den andern, beständig ordentlich, das ist ja gar unerträglich! Soll ich Jhnen einmal wahrsagen? Wollen Sie wissen, wie es gehen wird? Hier ha- ben Sie Jhren Lebenslauf: Früh um sechs Uhr steht die junge Frau auf, Um sieben Uhr wird Thee, oder Caffee ge- Um Y 3
Satyriſche Briefe. wie heute. Unmoͤglich iſt es Jhr Ernſt, daß Siedieſen ſchematiſchen Mann heirathen wollen. Ver- zeihn Sie mir dieſen Ausdruck; mein Bruder nennte ihn ſo, und lachte erſchrecklich dazu. Es muß wohl ein artiges Wort ſeyn; denn mein Bru- der iſt witzig, wie der Henker! Wie geſagt, Jhr Ernſt kann es unmoͤglich ſeyn, oder Sie ſollten mich ſehr dauern. Bedenken Sie einmal, was ſoll das fuͤr eine Zucht werden? Einen Tag, wie den andern, beſtaͤndig ordentlich, das iſt ja gar unertraͤglich! Soll ich Jhnen einmal wahrſagen? Wollen Sie wiſſen, wie es gehen wird? Hier ha- ben Sie Jhren Lebenslauf: Fruͤh um ſechs Uhr ſteht die junge Frau auf, Um ſieben Uhr wird Thee, oder Caffee ge- Um Y 3
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Satyriſche Briefe.
wie heute. Unmoͤglich iſt es Jhr Ernſt, daß Sie
dieſen ſchematiſchen Mann heirathen wollen. Ver-
zeihn Sie mir dieſen Ausdruck; mein Bruder
nennte ihn ſo, und lachte erſchrecklich dazu. Es
muß wohl ein artiges Wort ſeyn; denn mein Bru-
der iſt witzig, wie der Henker! Wie geſagt, Jhr
Ernſt kann es unmoͤglich ſeyn, oder Sie ſollten
mich ſehr dauern. Bedenken Sie einmal, was
ſoll das fuͤr eine Zucht werden? Einen Tag, wie
den andern, beſtaͤndig ordentlich, das iſt ja gar
unertraͤglich! Soll ich Jhnen einmal wahrſagen?
Wollen Sie wiſſen, wie es gehen wird? Hier ha-
ben Sie Jhren Lebenslauf:
Fruͤh um ſechs Uhr ſteht die junge Frau auf,
nachdem ſie dreymal gegaͤhnt, und zweymal die
Augen gewiſcht hat. Sie zieht ſich an, und zwar
gleich reinlich und ſorgfaͤltig, damit ſie das ſeltne
Gluͤck hat, ihrem theuern Gemahle zu gefallen. Es
wundert mich, Liebe Jungfer Muhme, daß Jh-
nen Jhr Liebhaber nicht auch vorgeſchrieben hat,
wie lang der Morgenſeegen ſeyn ſoll. Wie leicht
koͤnnten Sie laͤnger beten, als er es ausgerechnet
hat, daß Sie beten ſollten. Weiter:
Um ſieben Uhr wird Thee, oder Caffee ge-
trunken, drey, hoͤchſtens vier Taſſen, mehr nicht,
junge Frau, bey Leibe nicht mehr, daß ja die
Wirthſchaft nicht in Unordnung geraͤth. Mit
dem Schlage achte muß auch das Fruͤhſtuͤck ver-
zehrt, und alles wieder abgeraͤumt, und an ſeinen
Ort geſetzt ſeyn.
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