fen und Briefstellern in ziemlicher Men- ge versorgt. Bald werden wir wün- schen, daß unsre Landsleute sich mit ei- ner andern Art von Witze beschäfftigen möchten.
Es ist vielen unter unsern Deutschen sehr gewöhnlich, daß ihr Witz langsam und spat erwacht; erwacht er aber auch einmal, so sind sie bis zum Ekel witzig. Der Beyfall, den einige anakreontische Oden verdienten, machte das halbe Land anakreontisch. Man sang von Wein und Liebe, man tändelte mit Wein und Liebe, und die Leser gähnten bey Wein und Liebe. Ein Heldengedichte, dessen Vorzüge vielleicht erst in hundert Jah- ren den verdienten Beyfall allgemein ha- ben werden, macht zwey Drittheile des Volks episch. Aus allen Winkeln, wo ein Autor schwitzt, kriechen epische Hoch- zeitwünsche, epische Todenflüche, epische
Wiegen-
Vorbericht.
fen und Briefſtellern in ziemlicher Men- ge verſorgt. Bald werden wir wuͤn- ſchen, daß unſre Landsleute ſich mit ei- ner andern Art von Witze beſchaͤfftigen moͤchten.
Es iſt vielen unter unſern Deutſchen ſehr gewoͤhnlich, daß ihr Witz langſam und ſpat erwacht; erwacht er aber auch einmal, ſo ſind ſie bis zum Ekel witzig. Der Beyfall, den einige anakreontiſche Oden verdienten, machte das halbe Land anakreontiſch. Man ſang von Wein und Liebe, man taͤndelte mit Wein und Liebe, und die Leſer gaͤhnten bey Wein und Liebe. Ein Heldengedichte, deſſen Vorzuͤge vielleicht erſt in hundert Jah- ren den verdienten Beyfall allgemein ha- ben werden, macht zwey Drittheile des Volks epiſch. Aus allen Winkeln, wo ein Autor ſchwitzt, kriechen epiſche Hoch- zeitwuͤnſche, epiſche Todenfluͤche, epiſche
Wiegen-
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[0004]
Vorbericht.
fen und Briefſtellern in ziemlicher Men-
ge verſorgt. Bald werden wir wuͤn-
ſchen, daß unſre Landsleute ſich mit ei-
ner andern Art von Witze beſchaͤfftigen
moͤchten.
Es iſt vielen unter unſern Deutſchen
ſehr gewoͤhnlich, daß ihr Witz langſam
und ſpat erwacht; erwacht er aber auch
einmal, ſo ſind ſie bis zum Ekel witzig.
Der Beyfall, den einige anakreontiſche
Oden verdienten, machte das halbe Land
anakreontiſch. Man ſang von Wein
und Liebe, man taͤndelte mit Wein und
Liebe, und die Leſer gaͤhnten bey Wein
und Liebe. Ein Heldengedichte, deſſen
Vorzuͤge vielleicht erſt in hundert Jah-
ren den verdienten Beyfall allgemein ha-
ben werden, macht zwey Drittheile des
Volks epiſch. Aus allen Winkeln, wo
ein Autor ſchwitzt, kriechen epiſche Hoch-
zeitwuͤnſche, epiſche Todenfluͤche, epiſche
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/4>, abgerufen am 23.11.2024.
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