Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
Satyrische Briefe.
Antwort von einem andern Jnhalte.
Gnädiger Herr,

Urtheilen Sie selbst, wie groß mein Verlangen
seyn muß, adlich zu werden, da mich nicht
einmal Jhr Brief hat beleidigen können, so grob
und pöbelmäßig er auch abgefaßt ist. Jch verzei-
he Jhnen diese Kleinigkeiten, um bey meinen
großen Absichten desto glücklicher zu seyn. Da
ich schon so lange vergebens auf einen dergleichen
ernsthaften Antrag gewartet habe: so greife ich itzt
mit beiden Händen zu, ohne auf Jhre Person zu
sehn, die zu einem Manne, und wozu ich Sie
brauchen will, gut genug, im übrigen aber ganz
unerträglich ist. Nehme ich die hohe und unver-
schämte Mine aus, die Sie haben: so finde ich
gar nichts, was Sie von den Livreybedienten
unterscheiden könnte. Selbst in den prächtigsten
Kleidern behalten Sie den Anstand eines Kutschers,
und Sie haben nöthig, allen Leuten, wie Sie es
in dem Briefe an mich gethan, sehr umständlich
zu sagen, wie sorgfältig Jhre Aeltern sich gehütet,
ihr adliches Blut mit keinem Bürgerblute zu be-
flecken; sonst würde, wenn man dieses nicht weiß,
Jhre selige Frau Mutter in einen Verdacht kom-
men, der ihr weniger Ehre machte, als ihrem
Vorreiter. Jhre Aufführung, Gnädiger Herr,
mag vielleicht zu manchen Zeiten der Antichamber
Ehre machen, wie Sie mich versichern; ausserdem

aber
Satyriſche Briefe.
Antwort von einem andern Jnhalte.
Gnaͤdiger Herr,

Urtheilen Sie ſelbſt, wie groß mein Verlangen
ſeyn muß, adlich zu werden, da mich nicht
einmal Jhr Brief hat beleidigen koͤnnen, ſo grob
und poͤbelmaͤßig er auch abgefaßt iſt. Jch verzei-
he Jhnen dieſe Kleinigkeiten, um bey meinen
großen Abſichten deſto gluͤcklicher zu ſeyn. Da
ich ſchon ſo lange vergebens auf einen dergleichen
ernſthaften Antrag gewartet habe: ſo greife ich itzt
mit beiden Haͤnden zu, ohne auf Jhre Perſon zu
ſehn, die zu einem Manne, und wozu ich Sie
brauchen will, gut genug, im uͤbrigen aber ganz
unertraͤglich iſt. Nehme ich die hohe und unver-
ſchaͤmte Mine aus, die Sie haben: ſo finde ich
gar nichts, was Sie von den Livreybedienten
unterſcheiden koͤnnte. Selbſt in den praͤchtigſten
Kleidern behalten Sie den Anſtand eines Kutſchers,
und Sie haben noͤthig, allen Leuten, wie Sie es
in dem Briefe an mich gethan, ſehr umſtaͤndlich
zu ſagen, wie ſorgfaͤltig Jhre Aeltern ſich gehuͤtet,
ihr adliches Blut mit keinem Buͤrgerblute zu be-
flecken; ſonſt wuͤrde, wenn man dieſes nicht weiß,
Jhre ſelige Frau Mutter in einen Verdacht kom-
men, der ihr weniger Ehre machte, als ihrem
Vorreiter. Jhre Auffuͤhrung, Gnaͤdiger Herr,
mag vielleicht zu manchen Zeiten der Antichamber
Ehre machen, wie Sie mich verſichern; auſſerdem

aber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <pb facs="#f0412" n="384"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi> </fw><lb/>
            <div n="2">
              <head> <hi rendition="#b">Antwort von einem andern Jnhalte.</hi> </head><lb/>
              <div type="letter">
                <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Gna&#x0364;diger Herr,</hi> </hi> </salute><lb/>
                <p><hi rendition="#in">U</hi>rtheilen Sie &#x017F;elb&#x017F;t, wie groß mein Verlangen<lb/>
&#x017F;eyn muß, adlich zu werden, da mich nicht<lb/>
einmal Jhr Brief hat beleidigen ko&#x0364;nnen, &#x017F;o grob<lb/>
und po&#x0364;belma&#x0364;ßig er auch abgefaßt i&#x017F;t. Jch verzei-<lb/>
he Jhnen die&#x017F;e Kleinigkeiten, um bey meinen<lb/>
großen Ab&#x017F;ichten de&#x017F;to glu&#x0364;cklicher zu &#x017F;eyn. Da<lb/>
ich &#x017F;chon &#x017F;o lange vergebens auf einen dergleichen<lb/>
ern&#x017F;thaften Antrag gewartet habe: &#x017F;o greife ich itzt<lb/>
mit beiden Ha&#x0364;nden zu, ohne auf Jhre Per&#x017F;on zu<lb/>
&#x017F;ehn, die zu einem Manne, und wozu ich Sie<lb/>
brauchen will, gut genug, im u&#x0364;brigen aber ganz<lb/>
unertra&#x0364;glich i&#x017F;t. Nehme ich die hohe und unver-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;mte Mine aus, die Sie haben: &#x017F;o finde ich<lb/>
gar nichts, was Sie von den Livreybedienten<lb/>
unter&#x017F;cheiden ko&#x0364;nnte. Selb&#x017F;t in den pra&#x0364;chtig&#x017F;ten<lb/>
Kleidern behalten Sie den An&#x017F;tand eines Kut&#x017F;chers,<lb/>
und Sie haben no&#x0364;thig, allen Leuten, wie Sie es<lb/>
in dem Briefe an mich gethan, &#x017F;ehr um&#x017F;ta&#x0364;ndlich<lb/>
zu &#x017F;agen, wie &#x017F;orgfa&#x0364;ltig Jhre Aeltern &#x017F;ich gehu&#x0364;tet,<lb/>
ihr adliches Blut mit keinem Bu&#x0364;rgerblute zu be-<lb/>
flecken; &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rde, wenn man die&#x017F;es nicht weiß,<lb/>
Jhre &#x017F;elige Frau Mutter in einen Verdacht kom-<lb/>
men, der ihr weniger Ehre machte, als ihrem<lb/>
Vorreiter. Jhre Auffu&#x0364;hrung, Gna&#x0364;diger Herr,<lb/>
mag vielleicht zu manchen Zeiten der Antichamber<lb/>
Ehre machen, wie Sie mich ver&#x017F;ichern; au&#x017F;&#x017F;erdem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0412] Satyriſche Briefe. Antwort von einem andern Jnhalte. Gnaͤdiger Herr, Urtheilen Sie ſelbſt, wie groß mein Verlangen ſeyn muß, adlich zu werden, da mich nicht einmal Jhr Brief hat beleidigen koͤnnen, ſo grob und poͤbelmaͤßig er auch abgefaßt iſt. Jch verzei- he Jhnen dieſe Kleinigkeiten, um bey meinen großen Abſichten deſto gluͤcklicher zu ſeyn. Da ich ſchon ſo lange vergebens auf einen dergleichen ernſthaften Antrag gewartet habe: ſo greife ich itzt mit beiden Haͤnden zu, ohne auf Jhre Perſon zu ſehn, die zu einem Manne, und wozu ich Sie brauchen will, gut genug, im uͤbrigen aber ganz unertraͤglich iſt. Nehme ich die hohe und unver- ſchaͤmte Mine aus, die Sie haben: ſo finde ich gar nichts, was Sie von den Livreybedienten unterſcheiden koͤnnte. Selbſt in den praͤchtigſten Kleidern behalten Sie den Anſtand eines Kutſchers, und Sie haben noͤthig, allen Leuten, wie Sie es in dem Briefe an mich gethan, ſehr umſtaͤndlich zu ſagen, wie ſorgfaͤltig Jhre Aeltern ſich gehuͤtet, ihr adliches Blut mit keinem Buͤrgerblute zu be- flecken; ſonſt wuͤrde, wenn man dieſes nicht weiß, Jhre ſelige Frau Mutter in einen Verdacht kom- men, der ihr weniger Ehre machte, als ihrem Vorreiter. Jhre Auffuͤhrung, Gnaͤdiger Herr, mag vielleicht zu manchen Zeiten der Antichamber Ehre machen, wie Sie mich verſichern; auſſerdem aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/412
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/412>, abgerufen am 23.11.2024.