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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
Scherze, kleines Fräulein, hieß. Bey zunehmen-
den Jahren fiel dieser Scherz freylich weg; aber
ich ersetzte den Verlust dadurch, daß ich mir selbst
Mühe gab, mich zu überreden, es sey nichts, als
ein übereiltes Versehn von der Natur, daß sie mich
in meiner bürgerlichen Aeltern Hause hatte lassen
gebohren werden, und ich sey vom Himmel zu
nichts geringerm, als zu einer gnädigen Frau, be-
stimmt. Durch Lesung einiger Romane kam ich
vielmals auf den wahrscheinlichen Zweifel, ob ich
nicht die Tochter eines Lords, eines Marquis,
oder sonst eines vornehmen Cavaliers, und nur
wegen einiger politischen Absichten unter dem ver-
deckten Namen des Bürgers, der mein Vater
heißt, in seinem Hause unerkannt erzogen sey.
Dem sey, wie ihm wolle; ich mag es itzt nicht un-
tersuchen. Es möchte mir sonst einfallen, daß
ich mich weit unter meinen Stand verheirathe-
te, wenn ich die Jhrige würde. Die Zeit
wird mir zu lang, auf eine glückliche Entwick-
lung des Geheimnisses von meiner Geburt
zu warten. Sie sollen mich haben, und wenn
mein Vater ein Reichsgraf wäre. Aber mit
Jhrer Erlaubniß, die Bedingungen, die Sie
mir vorschreiben, werde ich mir nicht alle gefallen
lassen. Daß Sie mich zur Pfarrfrau, und zu
Jhren Bauern verbannen wollen, daraus wird
nichts. Bürgerliche Gesellschaft habe ich in mei-
nem Leben nicht leiden können, nun werde ich nicht
erst anfangen, mich daran zu gewöhnen. Es konn-

te

Satyriſche Briefe.
Scherze, kleines Fraͤulein, hieß. Bey zunehmen-
den Jahren fiel dieſer Scherz freylich weg; aber
ich erſetzte den Verluſt dadurch, daß ich mir ſelbſt
Muͤhe gab, mich zu uͤberreden, es ſey nichts, als
ein uͤbereiltes Verſehn von der Natur, daß ſie mich
in meiner buͤrgerlichen Aeltern Hauſe hatte laſſen
gebohren werden, und ich ſey vom Himmel zu
nichts geringerm, als zu einer gnaͤdigen Frau, be-
ſtimmt. Durch Leſung einiger Romane kam ich
vielmals auf den wahrſcheinlichen Zweifel, ob ich
nicht die Tochter eines Lords, eines Marquis,
oder ſonſt eines vornehmen Cavaliers, und nur
wegen einiger politiſchen Abſichten unter dem ver-
deckten Namen des Buͤrgers, der mein Vater
heißt, in ſeinem Hauſe unerkannt erzogen ſey.
Dem ſey, wie ihm wolle; ich mag es itzt nicht un-
terſuchen. Es moͤchte mir ſonſt einfallen, daß
ich mich weit unter meinen Stand verheirathe-
te, wenn ich die Jhrige wuͤrde. Die Zeit
wird mir zu lang, auf eine gluͤckliche Entwick-
lung des Geheimniſſes von meiner Geburt
zu warten. Sie ſollen mich haben, und wenn
mein Vater ein Reichsgraf waͤre. Aber mit
Jhrer Erlaubniß, die Bedingungen, die Sie
mir vorſchreiben, werde ich mir nicht alle gefallen
laſſen. Daß Sie mich zur Pfarrfrau, und zu
Jhren Bauern verbannen wollen, daraus wird
nichts. Buͤrgerliche Geſellſchaft habe ich in mei-
nem Leben nicht leiden koͤnnen, nun werde ich nicht
erſt anfangen, mich daran zu gewoͤhnen. Es konn-

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[386/0414] Satyriſche Briefe. Scherze, kleines Fraͤulein, hieß. Bey zunehmen- den Jahren fiel dieſer Scherz freylich weg; aber ich erſetzte den Verluſt dadurch, daß ich mir ſelbſt Muͤhe gab, mich zu uͤberreden, es ſey nichts, als ein uͤbereiltes Verſehn von der Natur, daß ſie mich in meiner buͤrgerlichen Aeltern Hauſe hatte laſſen gebohren werden, und ich ſey vom Himmel zu nichts geringerm, als zu einer gnaͤdigen Frau, be- ſtimmt. Durch Leſung einiger Romane kam ich vielmals auf den wahrſcheinlichen Zweifel, ob ich nicht die Tochter eines Lords, eines Marquis, oder ſonſt eines vornehmen Cavaliers, und nur wegen einiger politiſchen Abſichten unter dem ver- deckten Namen des Buͤrgers, der mein Vater heißt, in ſeinem Hauſe unerkannt erzogen ſey. Dem ſey, wie ihm wolle; ich mag es itzt nicht un- terſuchen. Es moͤchte mir ſonſt einfallen, daß ich mich weit unter meinen Stand verheirathe- te, wenn ich die Jhrige wuͤrde. Die Zeit wird mir zu lang, auf eine gluͤckliche Entwick- lung des Geheimniſſes von meiner Geburt zu warten. Sie ſollen mich haben, und wenn mein Vater ein Reichsgraf waͤre. Aber mit Jhrer Erlaubniß, die Bedingungen, die Sie mir vorſchreiben, werde ich mir nicht alle gefallen laſſen. Daß Sie mich zur Pfarrfrau, und zu Jhren Bauern verbannen wollen, daraus wird nichts. Buͤrgerliche Geſellſchaft habe ich in mei- nem Leben nicht leiden koͤnnen, nun werde ich nicht erſt anfangen, mich daran zu gewoͤhnen. Es konn- te

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/414>, abgerufen am 23.11.2024.