Aus der Sache wollen wir bald kommen. Kön- nen Sie schwören? Jn einer Viertelstunde kann man zehn Wechsel abschwören. Jch weiß, das ich mit einem Cavalier rede, der die gemeinen Vorurtheile nicht hat, die man den Pöbel läßt; sonst würde ich nicht so gerade zu mit Jhnen reden. Jch verlange gar nicht, daß Sie einen falschen Eid thun sollen. Sie sollen nur bey dem Eide etwas anders denken, als der Kläger denkt, und als Sie gefragt werden. Sie schwören alsdann kei- nen falschen Eid, sondern nur den Eid nicht, den man von Jhnen verlangt hat. Wie man das ei- gentlich mache, das will ich Jhnen mündlich sa- gen, wenn ich die Gnade habe, Jhnen aufzuwar- ten, denn ich denke übermorgen wieder aus zu gehen, so Gott will, und mein Medicus. Sollten Die- selben wider alles Vermuthen, nehmen Sie mir es ja nicht ungnädig, daß ich dergleichen von ei- nem so artigen Hofmanne denke, sollten Sie wi- der alles Vermuthen, ein Bedenken dabey finden, und, in der Sprache des gemeinen Mannes zu reden, zu gewissenhaft dazu seyn, so wollen wir es an einem andern Ende angreifen. Wie alt sind Ew. Gnaden gewesen, als Sie den Wechsel über die 2000 Thlr. ausstellten? Und wenn nur noch zwo Minuten an fünf und zwanzig Jahren fehlen: so soll Herr N. nicht so viel - - - kriegen. Das wird Jhnen doch keine Gewissensbisse machen,
wenn
Satyriſche Briefe.
Gnaͤdiger Herr,
Aus der Sache wollen wir bald kommen. Koͤn- nen Sie ſchwoͤren? Jn einer Viertelſtunde kann man zehn Wechſel abſchwoͤren. Jch weiß, das ich mit einem Cavalier rede, der die gemeinen Vorurtheile nicht hat, die man den Poͤbel laͤßt; ſonſt wuͤrde ich nicht ſo gerade zu mit Jhnen reden. Jch verlange gar nicht, daß Sie einen falſchen Eid thun ſollen. Sie ſollen nur bey dem Eide etwas anders denken, als der Klaͤger denkt, und als Sie gefragt werden. Sie ſchwoͤren alsdann kei- nen falſchen Eid, ſondern nur den Eid nicht, den man von Jhnen verlangt hat. Wie man das ei- gentlich mache, das will ich Jhnen muͤndlich ſa- gen, wenn ich die Gnade habe, Jhnen aufzuwar- ten, denn ich denke uͤbermorgen wieder aus zu gehen, ſo Gott will, und mein Medicus. Sollten Die- ſelben wider alles Vermuthen, nehmen Sie mir es ja nicht ungnaͤdig, daß ich dergleichen von ei- nem ſo artigen Hofmanne denke, ſollten Sie wi- der alles Vermuthen, ein Bedenken dabey finden, und, in der Sprache des gemeinen Mannes zu reden, zu gewiſſenhaft dazu ſeyn, ſo wollen wir es an einem andern Ende angreifen. Wie alt ſind Ew. Gnaden geweſen, als Sie den Wechſel uͤber die 2000 Thlr. ausſtellten? Und wenn nur noch zwo Minuten an fuͤnf und zwanzig Jahren fehlen: ſo ſoll Herr N. nicht ſo viel ‒ ‒ ‒ kriegen. Das wird Jhnen doch keine Gewiſſensbiſſe machen,
wenn
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><pbfacs="#f0425"n="397"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Satyriſche Briefe.</hi></fw><lb/><divtype="letter"><salute><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Gnaͤdiger Herr,</hi></hi></salute><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>us der Sache wollen wir bald kommen. Koͤn-<lb/>
nen Sie ſchwoͤren? Jn einer Viertelſtunde<lb/>
kann man zehn Wechſel abſchwoͤren. Jch weiß,<lb/>
das ich mit einem Cavalier rede, der die gemeinen<lb/>
Vorurtheile nicht hat, die man den Poͤbel laͤßt;<lb/>ſonſt wuͤrde ich nicht ſo gerade zu mit Jhnen reden.<lb/>
Jch verlange gar nicht, daß Sie einen falſchen Eid<lb/>
thun ſollen. Sie ſollen nur bey dem Eide etwas<lb/>
anders denken, als der Klaͤger denkt, und als<lb/>
Sie gefragt werden. Sie ſchwoͤren alsdann kei-<lb/>
nen falſchen Eid, ſondern nur den Eid nicht, den<lb/>
man von Jhnen verlangt hat. Wie man das ei-<lb/>
gentlich mache, das will ich Jhnen muͤndlich ſa-<lb/>
gen, wenn ich die Gnade habe, Jhnen aufzuwar-<lb/>
ten, denn ich denke uͤbermorgen wieder aus zu gehen,<lb/>ſo Gott will, und mein Medicus. Sollten Die-<lb/>ſelben wider alles Vermuthen, nehmen Sie mir<lb/>
es ja nicht ungnaͤdig, daß ich dergleichen von ei-<lb/>
nem ſo artigen Hofmanne denke, ſollten Sie wi-<lb/>
der alles Vermuthen, ein Bedenken dabey finden,<lb/>
und, in der Sprache des gemeinen Mannes zu<lb/>
reden, zu gewiſſenhaft dazu ſeyn, ſo wollen wir es<lb/>
an einem andern Ende angreifen. Wie alt ſind<lb/>
Ew. Gnaden geweſen, als Sie den Wechſel uͤber<lb/>
die 2000 Thlr. ausſtellten? Und wenn nur noch<lb/>
zwo Minuten an fuͤnf und zwanzig Jahren fehlen:<lb/>ſo ſoll Herr N. nicht ſo viel ‒‒‒ kriegen. Das<lb/>
wird Jhnen doch keine Gewiſſensbiſſe machen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wenn</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[397/0425]
Satyriſche Briefe.
Gnaͤdiger Herr,
Aus der Sache wollen wir bald kommen. Koͤn-
nen Sie ſchwoͤren? Jn einer Viertelſtunde
kann man zehn Wechſel abſchwoͤren. Jch weiß,
das ich mit einem Cavalier rede, der die gemeinen
Vorurtheile nicht hat, die man den Poͤbel laͤßt;
ſonſt wuͤrde ich nicht ſo gerade zu mit Jhnen reden.
Jch verlange gar nicht, daß Sie einen falſchen Eid
thun ſollen. Sie ſollen nur bey dem Eide etwas
anders denken, als der Klaͤger denkt, und als
Sie gefragt werden. Sie ſchwoͤren alsdann kei-
nen falſchen Eid, ſondern nur den Eid nicht, den
man von Jhnen verlangt hat. Wie man das ei-
gentlich mache, das will ich Jhnen muͤndlich ſa-
gen, wenn ich die Gnade habe, Jhnen aufzuwar-
ten, denn ich denke uͤbermorgen wieder aus zu gehen,
ſo Gott will, und mein Medicus. Sollten Die-
ſelben wider alles Vermuthen, nehmen Sie mir
es ja nicht ungnaͤdig, daß ich dergleichen von ei-
nem ſo artigen Hofmanne denke, ſollten Sie wi-
der alles Vermuthen, ein Bedenken dabey finden,
und, in der Sprache des gemeinen Mannes zu
reden, zu gewiſſenhaft dazu ſeyn, ſo wollen wir es
an einem andern Ende angreifen. Wie alt ſind
Ew. Gnaden geweſen, als Sie den Wechſel uͤber
die 2000 Thlr. ausſtellten? Und wenn nur noch
zwo Minuten an fuͤnf und zwanzig Jahren fehlen:
ſo ſoll Herr N. nicht ſo viel ‒ ‒ ‒ kriegen. Das
wird Jhnen doch keine Gewiſſensbiſſe machen,
wenn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/425>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.