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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
5.) N. N. 27. Jahre alt, ist übersichtig, re-
det lateinisch und griechisch, kann aber kein Deutsch.
Desto besser schickt er sich zu einem Jnformator
in ein adliches Haus. Es ist ewig zu bejammern,
daß man itzt anfangen will, nicht allein von Ge-
lehrten, sondern auch von dem Adel zu verlangen,
daß sie die sogenannten deutschen witzigen Schrif-
ten mit Geschmack lesen, und Deutsch lernen sol-
len. Als wenn ein Deutscher nöthig hätte, Deutsch
zu lernen. Quae! qualis! quanta! Er verlangt
c c I I c H. S. sage 2000. Sesterzen, thut,
nach unserer Münze, etwan siebenzig Thaler leich-
te Geld.
6.) N. Seines Handwerks ein Poet, schreibt
einen fließenden Vers, alles in Reimen, und ist ein
Todfeind von den itzigen schweren strotzenden Ge-
dichten ohne Reime. Dem Himmel sey Dank,
daß es noch hin und wieder Leute giebt, die Ge-
schmack haben! Ausser der Mythologie, die er
Trotz zehn andern versteht, hat er nichts gelernt.
Er hat itzt ein wichtiges Werk unter der Feder, da
er alle Sonn- und Festtagsepisteln in Reime
bringt, ohne ein Wort vom Grundtexte zu ändern,
oder zu versetzen. Wenn er damit fertig ist, will
er sich ein wenig auf die Humaniora legen. Cor-
deri Colloqvia exponirt er ziemlich. Jn Wün-
schen ist er unerschöpflich. Er erbietet sich, ohne
Besoldung zu dienen, wenn ihm für eine jede Gra-
tulation
Satyriſche Briefe.
5.) N. N. 27. Jahre alt, iſt uͤberſichtig, re-
det lateiniſch und griechiſch, kann aber kein Deutſch.
Deſto beſſer ſchickt er ſich zu einem Jnformator
in ein adliches Haus. Es iſt ewig zu bejammern,
daß man itzt anfangen will, nicht allein von Ge-
lehrten, ſondern auch von dem Adel zu verlangen,
daß ſie die ſogenannten deutſchen witzigen Schrif-
ten mit Geſchmack leſen, und Deutſch lernen ſol-
len. Als wenn ein Deutſcher noͤthig haͤtte, Deutſch
zu lernen. Quæ! qualis! quanta! Er verlangt
c c I I ↄ ↄ c H. S. ſage 2000. Seſterzen, thut,
nach unſerer Muͤnze, etwan ſiebenzig Thaler leich-
te Geld.
6.) N. Seines Handwerks ein Poet, ſchreibt
einen fließenden Vers, alles in Reimen, und iſt ein
Todfeind von den itzigen ſchweren ſtrotzenden Ge-
dichten ohne Reime. Dem Himmel ſey Dank,
daß es noch hin und wieder Leute giebt, die Ge-
ſchmack haben! Auſſer der Mythologie, die er
Trotz zehn andern verſteht, hat er nichts gelernt.
Er hat itzt ein wichtiges Werk unter der Feder, da
er alle Sonn- und Feſttagsepiſteln in Reime
bringt, ohne ein Wort vom Grundtexte zu aͤndern,
oder zu verſetzen. Wenn er damit fertig iſt, will
er ſich ein wenig auf die Humaniora legen. Cor-
deri Colloqvia exponirt er ziemlich. Jn Wuͤn-
ſchen iſt er unerſchoͤpflich. Er erbietet ſich, ohne
Beſoldung zu dienen, wenn ihm fuͤr eine jede Gra-
tulation
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[20/0048] Satyriſche Briefe. 5.) N. N. 27. Jahre alt, iſt uͤberſichtig, re- det lateiniſch und griechiſch, kann aber kein Deutſch. Deſto beſſer ſchickt er ſich zu einem Jnformator in ein adliches Haus. Es iſt ewig zu bejammern, daß man itzt anfangen will, nicht allein von Ge- lehrten, ſondern auch von dem Adel zu verlangen, daß ſie die ſogenannten deutſchen witzigen Schrif- ten mit Geſchmack leſen, und Deutſch lernen ſol- len. Als wenn ein Deutſcher noͤthig haͤtte, Deutſch zu lernen. Quæ! qualis! quanta! Er verlangt c c I I ↄ ↄ c H. S. ſage 2000. Seſterzen, thut, nach unſerer Muͤnze, etwan ſiebenzig Thaler leich- te Geld. 6.) N. Seines Handwerks ein Poet, ſchreibt einen fließenden Vers, alles in Reimen, und iſt ein Todfeind von den itzigen ſchweren ſtrotzenden Ge- dichten ohne Reime. Dem Himmel ſey Dank, daß es noch hin und wieder Leute giebt, die Ge- ſchmack haben! Auſſer der Mythologie, die er Trotz zehn andern verſteht, hat er nichts gelernt. Er hat itzt ein wichtiges Werk unter der Feder, da er alle Sonn- und Feſttagsepiſteln in Reime bringt, ohne ein Wort vom Grundtexte zu aͤndern, oder zu verſetzen. Wenn er damit fertig iſt, will er ſich ein wenig auf die Humaniora legen. Cor- deri Colloqvia exponirt er ziemlich. Jn Wuͤn- ſchen iſt er unerſchoͤpflich. Er erbietet ſich, ohne Beſoldung zu dienen, wenn ihm fuͤr eine jede Gra- tulation

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/48>, abgerufen am 30.04.2024.