Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Satyrische Briefe.
hiesige Landesart, wohl versteht, denn darauf kömmt
viel an, sonst sind sie gleich im ersten Jahre ruinirt.
Jch überlasse alles Jhrer Einsicht, denn ich bin kei-
ner von denen, welche die Vocationes mit solchen
Bedingungen übergeben, die eigennützig sind, oder
dem Candidaten zur Last fallen können. Melden Sie
mir Jhre Entschließung, und ob Sie eine Gastpre-
digt thun können. Da ich als Officier wenig auf
meinem Guthe, und unverheirathet bin, auch keine
eigene Wirthschaft habe, und auf dem Schlosse bauen
lasse: so will ich Ordre stellen, daß Sie in der Pfar-
re abtreten können, wenn Sie die Gastpredigt thun.
Die Wittwe wird Jhnen alle Höflichkeit erweisen.
Schreiben Sie mir, so bald Sie können. Mein
Reitknecht soll die Antwort bey der Wittwe ab-
holen.

Leben Sie wohl!

N. S. Sie sind doch nicht schon mit einem Mäd-
chen versprochen?

Gnädiger Herr,

Da ich größten Theils nur um deswillen Theolo-
gie studirt habe, um bald ein Amt, und eine
Frau zu bekommen: so sehe ich das Anerbieten
Ew. Gnaden, die Austräglichkeit des Amts, eine
junge Wittwe, mit einem einzigen, und noch dar-
zu kränklichen Kinde, ihr Vermögen, und eine ganz
eingerichtete Wirthschaft, billig als einen göttlichen

Beruf

Satyriſche Briefe.
hieſige Landesart, wohl verſteht, denn darauf koͤmmt
viel an, ſonſt ſind ſie gleich im erſten Jahre ruinirt.
Jch uͤberlaſſe alles Jhrer Einſicht, denn ich bin kei-
ner von denen, welche die Vocationes mit ſolchen
Bedingungen uͤbergeben, die eigennuͤtzig ſind, oder
dem Candidaten zur Laſt fallen koͤnnen. Melden Sie
mir Jhre Entſchließung, und ob Sie eine Gaſtpre-
digt thun koͤnnen. Da ich als Officier wenig auf
meinem Guthe, und unverheirathet bin, auch keine
eigene Wirthſchaft habe, und auf dem Schloſſe bauen
laſſe: ſo will ich Ordre ſtellen, daß Sie in der Pfar-
re abtreten koͤnnen, wenn Sie die Gaſtpredigt thun.
Die Wittwe wird Jhnen alle Hoͤflichkeit erweiſen.
Schreiben Sie mir, ſo bald Sie koͤnnen. Mein
Reitknecht ſoll die Antwort bey der Wittwe ab-
holen.

Leben Sie wohl!

N. S. Sie ſind doch nicht ſchon mit einem Maͤd-
chen verſprochen?

Gnaͤdiger Herr,

Da ich groͤßten Theils nur um deswillen Theolo-
gie ſtudirt habe, um bald ein Amt, und eine
Frau zu bekommen: ſo ſehe ich das Anerbieten
Ew. Gnaden, die Austraͤglichkeit des Amts, eine
junge Wittwe, mit einem einzigen, und noch dar-
zu kraͤnklichen Kinde, ihr Vermoͤgen, und eine ganz
eingerichtete Wirthſchaft, billig als einen goͤttlichen

Beruf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <p><pb facs="#f0059" n="31"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi></fw><lb/>
hie&#x017F;ige Landesart, wohl ver&#x017F;teht, denn darauf ko&#x0364;mmt<lb/>
viel an, &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ind &#x017F;ie gleich im er&#x017F;ten Jahre ruinirt.<lb/>
Jch u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;e alles Jhrer Ein&#x017F;icht, denn ich bin kei-<lb/>
ner von denen, welche die Vocationes mit &#x017F;olchen<lb/>
Bedingungen u&#x0364;bergeben, die eigennu&#x0364;tzig &#x017F;ind, oder<lb/>
dem Candidaten zur La&#x017F;t fallen ko&#x0364;nnen. Melden Sie<lb/>
mir Jhre Ent&#x017F;chließung, und ob Sie eine Ga&#x017F;tpre-<lb/>
digt thun ko&#x0364;nnen. Da ich als Officier wenig auf<lb/>
meinem Guthe, und unverheirathet bin, auch keine<lb/>
eigene Wirth&#x017F;chaft habe, und auf dem Schlo&#x017F;&#x017F;e bauen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e: &#x017F;o will ich Ordre &#x017F;tellen, daß Sie in der Pfar-<lb/>
re abtreten ko&#x0364;nnen, wenn Sie die Ga&#x017F;tpredigt thun.<lb/>
Die Wittwe wird Jhnen alle Ho&#x0364;flichkeit erwei&#x017F;en.<lb/>
Schreiben Sie mir, &#x017F;o bald Sie ko&#x0364;nnen. Mein<lb/>
Reitknecht &#x017F;oll die Antwort bey der Wittwe ab-<lb/>
holen.</p>
              <closer>
                <salute>Leben Sie wohl!</salute>
              </closer><lb/>
              <postscript>
                <p>N. S. Sie &#x017F;ind doch nicht &#x017F;chon mit einem Ma&#x0364;d-<lb/>
chen ver&#x017F;prochen?</p>
              </postscript>
            </div><lb/>
            <div type="letter">
              <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Gna&#x0364;diger Herr,</hi> </hi> </salute><lb/>
              <p><hi rendition="#in">D</hi>a ich gro&#x0364;ßten Theils nur um deswillen Theolo-<lb/>
gie &#x017F;tudirt habe, um bald ein Amt, und eine<lb/>
Frau zu bekommen: &#x017F;o &#x017F;ehe ich das Anerbieten<lb/>
Ew. Gnaden, die Austra&#x0364;glichkeit des Amts, eine<lb/>
junge Wittwe, mit einem einzigen, und noch dar-<lb/>
zu kra&#x0364;nklichen Kinde, ihr Vermo&#x0364;gen, und eine ganz<lb/>
eingerichtete Wirth&#x017F;chaft, billig als einen go&#x0364;ttlichen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Beruf</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0059] Satyriſche Briefe. hieſige Landesart, wohl verſteht, denn darauf koͤmmt viel an, ſonſt ſind ſie gleich im erſten Jahre ruinirt. Jch uͤberlaſſe alles Jhrer Einſicht, denn ich bin kei- ner von denen, welche die Vocationes mit ſolchen Bedingungen uͤbergeben, die eigennuͤtzig ſind, oder dem Candidaten zur Laſt fallen koͤnnen. Melden Sie mir Jhre Entſchließung, und ob Sie eine Gaſtpre- digt thun koͤnnen. Da ich als Officier wenig auf meinem Guthe, und unverheirathet bin, auch keine eigene Wirthſchaft habe, und auf dem Schloſſe bauen laſſe: ſo will ich Ordre ſtellen, daß Sie in der Pfar- re abtreten koͤnnen, wenn Sie die Gaſtpredigt thun. Die Wittwe wird Jhnen alle Hoͤflichkeit erweiſen. Schreiben Sie mir, ſo bald Sie koͤnnen. Mein Reitknecht ſoll die Antwort bey der Wittwe ab- holen. Leben Sie wohl! N. S. Sie ſind doch nicht ſchon mit einem Maͤd- chen verſprochen? Gnaͤdiger Herr, Da ich groͤßten Theils nur um deswillen Theolo- gie ſtudirt habe, um bald ein Amt, und eine Frau zu bekommen: ſo ſehe ich das Anerbieten Ew. Gnaden, die Austraͤglichkeit des Amts, eine junge Wittwe, mit einem einzigen, und noch dar- zu kraͤnklichen Kinde, ihr Vermoͤgen, und eine ganz eingerichtete Wirthſchaft, billig als einen goͤttlichen Beruf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/59
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/59>, abgerufen am 23.11.2024.