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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
Jch will nicht weiter an diesen Elenden denken.
Meine Leser werden vielleicht mehr Vergnügen
darinnen finden, wenn ich ihnen durch einige Ex-
empel zeige, wie allgemein diese Wahrheit sey,
daß eine Hand die andere wäscht, und wie sorg-
fältig unsere Mitbürger andern Gefälligkeiten er-
zeigen, um ihren eignen Nutzen desto mehr zu be-
fördern.

Machen Sie Platz! Hier kömmt ein armer
Bauer, welcher unter der Last eines Scheffel
Mehls gebückt zu seinem Richter kriecht. Seine
Frau begleitet ihn mit sorgsamen Blicken, und
trägt einen Theil des rechtlichen Beweises in ihrer
Schürze. An der linken Hand führt sie den älte-
sten ihrer Söhne, welcher schon stark genug ist,
zwo Hüner zum Opfer zu schleppen. Armer
Freund! wo willst du hin? wessen Hand willst du
waschen? Wer ist dein Gegenpart? - - - - -
Einfältiger Tropf! Für so viele Hände soll die-
ses Wenige! Den Augenblick begegnete mir dein
Widerpart in einer Kutsche mit sechs Pferden, in
welche er ein ganzes Vorwerk aufgeladen hatte.
- - - - Die Gerechtigkeit deiner Sache?
wie thöricht denkst du? Ehrlich, wie ein Bauer,
aber eben so dumm! Eine gefüllte Börse thut
mehr, als Pergament, und zwanzig Zeugen. Und
darüber wunderst du dich noch? Nein, mein gu-
tes Weib, mit Thränen macht ihr es nicht aus!
Was soll des Amtmanns Frau mit diesem elen-
den Flachse machen - - - - Ja, das glaube

ich

Antons Panßa von Mancha
Jch will nicht weiter an dieſen Elenden denken.
Meine Leſer werden vielleicht mehr Vergnuͤgen
darinnen finden, wenn ich ihnen durch einige Ex-
empel zeige, wie allgemein dieſe Wahrheit ſey,
daß eine Hand die andere waͤſcht, und wie ſorg-
faͤltig unſere Mitbuͤrger andern Gefaͤlligkeiten er-
zeigen, um ihren eignen Nutzen deſto mehr zu be-
foͤrdern.

Machen Sie Platz! Hier koͤmmt ein armer
Bauer, welcher unter der Laſt eines Scheffel
Mehls gebuͤckt zu ſeinem Richter kriecht. Seine
Frau begleitet ihn mit ſorgſamen Blicken, und
traͤgt einen Theil des rechtlichen Beweiſes in ihrer
Schuͤrze. An der linken Hand fuͤhrt ſie den aͤlte-
ſten ihrer Soͤhne, welcher ſchon ſtark genug iſt,
zwo Huͤner zum Opfer zu ſchleppen. Armer
Freund! wo willſt du hin? weſſen Hand willſt du
waſchen? Wer iſt dein Gegenpart? ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Einfaͤltiger Tropf! Fuͤr ſo viele Haͤnde ſoll die-
ſes Wenige! Den Augenblick begegnete mir dein
Widerpart in einer Kutſche mit ſechs Pferden, in
welche er ein ganzes Vorwerk aufgeladen hatte.
‒ ‒ ‒ ‒ Die Gerechtigkeit deiner Sache?
wie thoͤricht denkſt du? Ehrlich, wie ein Bauer,
aber eben ſo dumm! Eine gefuͤllte Boͤrſe thut
mehr, als Pergament, und zwanzig Zeugen. Und
daruͤber wunderſt du dich noch? Nein, mein gu-
tes Weib, mit Thraͤnen macht ihr es nicht aus!
Was ſoll des Amtmanns Frau mit dieſem elen-
den Flachſe machen ‒ ‒ ‒ ‒ Ja, das glaube

ich
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[124/0146] Antons Panßa von Mancha Jch will nicht weiter an dieſen Elenden denken. Meine Leſer werden vielleicht mehr Vergnuͤgen darinnen finden, wenn ich ihnen durch einige Ex- empel zeige, wie allgemein dieſe Wahrheit ſey, daß eine Hand die andere waͤſcht, und wie ſorg- faͤltig unſere Mitbuͤrger andern Gefaͤlligkeiten er- zeigen, um ihren eignen Nutzen deſto mehr zu be- foͤrdern. Machen Sie Platz! Hier koͤmmt ein armer Bauer, welcher unter der Laſt eines Scheffel Mehls gebuͤckt zu ſeinem Richter kriecht. Seine Frau begleitet ihn mit ſorgſamen Blicken, und traͤgt einen Theil des rechtlichen Beweiſes in ihrer Schuͤrze. An der linken Hand fuͤhrt ſie den aͤlte- ſten ihrer Soͤhne, welcher ſchon ſtark genug iſt, zwo Huͤner zum Opfer zu ſchleppen. Armer Freund! wo willſt du hin? weſſen Hand willſt du waſchen? Wer iſt dein Gegenpart? ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Einfaͤltiger Tropf! Fuͤr ſo viele Haͤnde ſoll die- ſes Wenige! Den Augenblick begegnete mir dein Widerpart in einer Kutſche mit ſechs Pferden, in welche er ein ganzes Vorwerk aufgeladen hatte. ‒ ‒ ‒ ‒ Die Gerechtigkeit deiner Sache? wie thoͤricht denkſt du? Ehrlich, wie ein Bauer, aber eben ſo dumm! Eine gefuͤllte Boͤrſe thut mehr, als Pergament, und zwanzig Zeugen. Und daruͤber wunderſt du dich noch? Nein, mein gu- tes Weib, mit Thraͤnen macht ihr es nicht aus! Was ſoll des Amtmanns Frau mit dieſem elen- den Flachſe machen ‒ ‒ ‒ ‒ Ja, das glaube ich

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/146>, abgerufen am 23.11.2024.