Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Abhandlung von Sprüchwörtern.
dahinter stecke, und auf seine arme Seele laure.
Länger als ein Jahr kann die Welt nun nicht
mehr stehen; das hat er mir gestern selbst geklagt,
da man ihn beredet hatte, daß ein starker Schoß
von den Köpfen, ohne Ansehen des Alters, und
eine erhöhete Abgabe von dem Vermögen entrich-
tet werden solle. Er bittet Gott, er möchte ihn
vor dem nächsten Termine zu sich nehmen; und
wenn er ihm ja sein kümmerliches Leben fristen
sollte, so könne er doch ganz unmöglich von seinem
bischen Armuth was geben, und wenn es auch
zum Schwure kommen müßte.

Dieser niederträchtige Greis ist in seiner Ju-
gend der größte Verschwender gewesen. Von sei-
nem funfzehnten Jahre an, hatte er sich in die
kostbarsten Ausschweifungen gestürzt. Sein Va-
ter kränkte sich über diesen ungerathenen Sohn und
starb. Die Hälfte des hinterlassenen Vermögens
reichte kaum zu, die Schulden zu bezahlen, die er
bey Lebzeiten seines Vaters durch die hungrige
Dienstfertigkeit der Wucherer gemacht hatte.
Nunmehr ward die andere Hälfte in der Gesell-
schaft der lüderlichsten Weibspersonen, und der
niederträchtigsten Schmarozer verpraßt. Seine
Anverwandten merkten, daß er nur noch einen
Schritt bis zur äußersten Armuth zu thun hätte,
und ihnen hernach zur Last fallen würde. Sie
stellten dieses der Obrigkeit vor, und man brachte
ihn, als einen Verschwender in das Zuchthaus.
Die kostbaren Kleider, und das prächtige Haus-

geräthe,
K 3

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
dahinter ſtecke, und auf ſeine arme Seele laure.
Laͤnger als ein Jahr kann die Welt nun nicht
mehr ſtehen; das hat er mir geſtern ſelbſt geklagt,
da man ihn beredet hatte, daß ein ſtarker Schoß
von den Koͤpfen, ohne Anſehen des Alters, und
eine erhoͤhete Abgabe von dem Vermoͤgen entrich-
tet werden ſolle. Er bittet Gott, er moͤchte ihn
vor dem naͤchſten Termine zu ſich nehmen; und
wenn er ihm ja ſein kuͤmmerliches Leben friſten
ſollte, ſo koͤnne er doch ganz unmoͤglich von ſeinem
bischen Armuth was geben, und wenn es auch
zum Schwure kommen muͤßte.

Dieſer niedertraͤchtige Greis iſt in ſeiner Ju-
gend der groͤßte Verſchwender geweſen. Von ſei-
nem funfzehnten Jahre an, hatte er ſich in die
koſtbarſten Ausſchweifungen geſtuͤrzt. Sein Va-
ter kraͤnkte ſich uͤber dieſen ungerathenen Sohn und
ſtarb. Die Haͤlfte des hinterlaſſenen Vermoͤgens
reichte kaum zu, die Schulden zu bezahlen, die er
bey Lebzeiten ſeines Vaters durch die hungrige
Dienſtfertigkeit der Wucherer gemacht hatte.
Nunmehr ward die andere Haͤlfte in der Geſell-
ſchaft der luͤderlichſten Weibsperſonen, und der
niedertraͤchtigſten Schmarozer verpraßt. Seine
Anverwandten merkten, daß er nur noch einen
Schritt bis zur aͤußerſten Armuth zu thun haͤtte,
und ihnen hernach zur Laſt fallen wuͤrde. Sie
ſtellten dieſes der Obrigkeit vor, und man brachte
ihn, als einen Verſchwender in das Zuchthaus.
Die koſtbaren Kleider, und das praͤchtige Haus-

geraͤthe,
K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0171" n="149"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abhandlung von Spru&#x0364;chwo&#x0364;rtern.</hi></fw><lb/>
dahinter &#x017F;tecke, und auf &#x017F;eine arme Seele laure.<lb/>
La&#x0364;nger als ein Jahr kann die Welt nun nicht<lb/>
mehr &#x017F;tehen; das hat er mir ge&#x017F;tern &#x017F;elb&#x017F;t geklagt,<lb/>
da man ihn beredet hatte, daß ein &#x017F;tarker Schoß<lb/>
von den Ko&#x0364;pfen, ohne An&#x017F;ehen des Alters, und<lb/>
eine erho&#x0364;hete Abgabe von dem Vermo&#x0364;gen entrich-<lb/>
tet werden &#x017F;olle. Er bittet Gott, er mo&#x0364;chte ihn<lb/>
vor dem na&#x0364;ch&#x017F;ten Termine zu &#x017F;ich nehmen; und<lb/>
wenn er ihm ja &#x017F;ein ku&#x0364;mmerliches Leben fri&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;ollte, &#x017F;o ko&#x0364;nne er doch ganz unmo&#x0364;glich von &#x017F;einem<lb/>
bischen Armuth was geben, und wenn es auch<lb/>
zum Schwure kommen mu&#x0364;ßte.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er niedertra&#x0364;chtige Greis i&#x017F;t in &#x017F;einer Ju-<lb/>
gend der gro&#x0364;ßte Ver&#x017F;chwender gewe&#x017F;en. Von &#x017F;ei-<lb/>
nem funfzehnten Jahre an, hatte er &#x017F;ich in die<lb/>
ko&#x017F;tbar&#x017F;ten Aus&#x017F;chweifungen ge&#x017F;tu&#x0364;rzt. Sein Va-<lb/>
ter kra&#x0364;nkte &#x017F;ich u&#x0364;ber die&#x017F;en ungerathenen Sohn und<lb/>
&#x017F;tarb. Die Ha&#x0364;lfte des hinterla&#x017F;&#x017F;enen Vermo&#x0364;gens<lb/>
reichte kaum zu, die Schulden zu bezahlen, die er<lb/>
bey Lebzeiten &#x017F;eines Vaters durch die hungrige<lb/>
Dien&#x017F;tfertigkeit der Wucherer gemacht hatte.<lb/>
Nunmehr ward die andere Ha&#x0364;lfte in der Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft der lu&#x0364;derlich&#x017F;ten Weibsper&#x017F;onen, und der<lb/>
niedertra&#x0364;chtig&#x017F;ten Schmarozer verpraßt. Seine<lb/>
Anverwandten merkten, daß er nur noch einen<lb/>
Schritt bis zur a&#x0364;ußer&#x017F;ten Armuth zu thun ha&#x0364;tte,<lb/>
und ihnen hernach zur La&#x017F;t fallen wu&#x0364;rde. Sie<lb/>
&#x017F;tellten die&#x017F;es der Obrigkeit vor, und man brachte<lb/>
ihn, als einen Ver&#x017F;chwender in das Zuchthaus.<lb/>
Die ko&#x017F;tbaren Kleider, und das pra&#x0364;chtige Haus-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 3</fw><fw place="bottom" type="catch">gera&#x0364;the,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0171] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. dahinter ſtecke, und auf ſeine arme Seele laure. Laͤnger als ein Jahr kann die Welt nun nicht mehr ſtehen; das hat er mir geſtern ſelbſt geklagt, da man ihn beredet hatte, daß ein ſtarker Schoß von den Koͤpfen, ohne Anſehen des Alters, und eine erhoͤhete Abgabe von dem Vermoͤgen entrich- tet werden ſolle. Er bittet Gott, er moͤchte ihn vor dem naͤchſten Termine zu ſich nehmen; und wenn er ihm ja ſein kuͤmmerliches Leben friſten ſollte, ſo koͤnne er doch ganz unmoͤglich von ſeinem bischen Armuth was geben, und wenn es auch zum Schwure kommen muͤßte. Dieſer niedertraͤchtige Greis iſt in ſeiner Ju- gend der groͤßte Verſchwender geweſen. Von ſei- nem funfzehnten Jahre an, hatte er ſich in die koſtbarſten Ausſchweifungen geſtuͤrzt. Sein Va- ter kraͤnkte ſich uͤber dieſen ungerathenen Sohn und ſtarb. Die Haͤlfte des hinterlaſſenen Vermoͤgens reichte kaum zu, die Schulden zu bezahlen, die er bey Lebzeiten ſeines Vaters durch die hungrige Dienſtfertigkeit der Wucherer gemacht hatte. Nunmehr ward die andere Haͤlfte in der Geſell- ſchaft der luͤderlichſten Weibsperſonen, und der niedertraͤchtigſten Schmarozer verpraßt. Seine Anverwandten merkten, daß er nur noch einen Schritt bis zur aͤußerſten Armuth zu thun haͤtte, und ihnen hernach zur Laſt fallen wuͤrde. Sie ſtellten dieſes der Obrigkeit vor, und man brachte ihn, als einen Verſchwender in das Zuchthaus. Die koſtbaren Kleider, und das praͤchtige Haus- geraͤthe, K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/171
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/171>, abgerufen am 23.11.2024.