[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.Vorbericht. genden Zeiten, die Unwissenheit, der Aberglau-be, und die dumme Bosheit so unglücklich ge- misbraucht haben; * Dieser Labienus las ein- mal eine von ihm gefertigte Geschichte öffentlich vor, überschlug aber einen großen Theil davon, und sagte: Das, was ich hier überschlage, soll man erst nach meinem Tode lesen! Seneca kann sich nicht enthalten, hiebey aus- zurufen: "Wie verwegen muß der Jnnhalt die- "ser Stelle gewesen seyn, daß auch so gar La- "bienus sich gescheut hat, sie bekannt zu "machen! * Seine Schriften wurden auf Befehl des Raths verbrannt.
Seneca ist in seiner Praefatione L. V. Controversiarum sehr bitter, da er auf diese Stelle kömmt. Er hält es für das erste Exempel, wo verdächtige Schriften auf Befehl des Raths verbrannt worden wären, und vermuthlich mag er sich auf die Verbrennung der Schriften des Numa Pompi- lius nicht besonnen haben, die Livius im neun und zwan- zigsten Capitel des vierzigsten Buchs anführt. Seneca freut sich, daß diese Grausamkeit erst zu der Zeit erfunden wor- den, da es schon weniger große Geister gegeben habe. Jch will seine eignen Worte hier anführen; sie sind sehr prophe- tisch: In hunc (Labienum) primum excogitata est noua poena: effectum est enim per inimicos, vt omnes ejus libri incenderentur. Res noua et insueta, supplicia de studiis sumi. Bono hercle publico ista in poenas ingeniosa crudelitas post Ciceronem inuenta est. Quid enim futurum fuit, si ingeni- um Ciceronis triumuiris libuisset proscribere. etc. etc. Facem studiis subdere et in monumenta disciplinarum animaduer- tere, quanta, et quam non contenta certa materia saeuitia est! Dii melius, quod eo seculo ista ingeniorum supplicia coeperunt, quo et ingenia desierunt etc. Vorbericht. genden Zeiten, die Unwiſſenheit, der Aberglau-be, und die dumme Bosheit ſo ungluͤcklich ge- misbraucht haben; * Dieſer Labienus las ein- mal eine von ihm gefertigte Geſchichte oͤffentlich vor, uͤberſchlug aber einen großen Theil davon, und ſagte: Das, was ich hier uͤberſchlage, ſoll man erſt nach meinem Tode leſen! Seneca kann ſich nicht enthalten, hiebey aus- zurufen: „Wie verwegen muß der Jnnhalt die- „ſer Stelle geweſen ſeyn, daß auch ſo gar La- „bienus ſich geſcheut hat, ſie bekannt zu „machen! * Seine Schriften wurden auf Befehl des Raths verbrannt.
Seneca iſt in ſeiner Praefatione L. V. Controverſiarum ſehr bitter, da er auf dieſe Stelle koͤmmt. Er haͤlt es fuͤr das erſte Exempel, wo verdaͤchtige Schriften auf Befehl des Raths verbrannt worden waͤren, und vermuthlich mag er ſich auf die Verbrennung der Schriften des Numa Pompi- lius nicht beſonnen haben, die Livius im neun und zwan- zigſten Capitel des vierzigſten Buchs anfuͤhrt. Seneca freut ſich, daß dieſe Grauſamkeit erſt zu der Zeit erfunden wor- den, da es ſchon weniger große Geiſter gegeben habe. Jch will ſeine eignen Worte hier anfuͤhren; ſie ſind ſehr prophe- tiſch: In hunc (Labienum) primum excogitata eſt noua poena: effectum eſt enim per inimicos, vt omnes ejus libri incenderentur. Res noua et inſueta, ſupplicia de ſtudiis ſumi. Bono hercle publico iſta in poenas ingenioſa crudelitas poſt Ciceronem inuenta eſt. Quid enim futurum fuit, ſi ingeni- um Ciceronis triumuiris libuiſſet proſcribere. etc. etc. Facem ſtudiis ſubdere et in monumenta diſciplinarum animaduer- tere, quanta, et quam non contenta certa materia ſaeuitia eſt! Dii melius, quod eo ſeculo iſta ingeniorum ſupplicia coeperunt, quo et ingenia deſierunt etc. <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorbericht.</hi></fw><lb/> genden Zeiten, die Unwiſſenheit, der Aberglau-<lb/> be, und die dumme Bosheit ſo ungluͤcklich ge-<lb/> misbraucht haben; <note place="foot" n="*">Seine Schriften wurden auf Befehl des Raths verbrannt.<lb/> Seneca iſt in ſeiner <hi rendition="#aq">Praefatione L. V. Controverſiarum</hi> ſehr<lb/> bitter, da er auf dieſe Stelle koͤmmt. Er haͤlt es fuͤr das<lb/> erſte Exempel, wo verdaͤchtige Schriften auf Befehl des<lb/> Raths verbrannt worden waͤren, und vermuthlich mag er<lb/> ſich auf die Verbrennung der Schriften des Numa Pompi-<lb/> lius nicht beſonnen haben, die Livius im neun und zwan-<lb/> zigſten Capitel des vierzigſten Buchs anfuͤhrt. Seneca freut<lb/> ſich, daß dieſe Grauſamkeit erſt zu der Zeit erfunden wor-<lb/> den, da es ſchon weniger große Geiſter gegeben habe. Jch<lb/> will ſeine eignen Worte hier anfuͤhren; ſie ſind ſehr prophe-<lb/> tiſch: <hi rendition="#aq">In hunc (Labienum) primum excogitata eſt noua<lb/> poena: effectum eſt enim per inimicos, vt omnes ejus libri<lb/> incenderentur. Res noua et inſueta, ſupplicia de ſtudiis ſumi.<lb/> Bono hercle publico iſta in poenas ingenioſa crudelitas poſt<lb/> Ciceronem inuenta eſt. Quid enim futurum fuit, ſi ingeni-<lb/> um Ciceronis triumuiris libuiſſet proſcribere. etc. etc. Facem<lb/> ſtudiis ſubdere et in monumenta diſciplinarum animaduer-<lb/> tere, quanta, et quam non contenta certa materia ſaeuitia<lb/> eſt! Dii melius, quod eo ſeculo iſta ingeniorum ſupplicia<lb/> coeperunt, quo et ingenia deſierunt etc.</hi></note> Dieſer Labienus las ein-<lb/> mal eine von ihm gefertigte Geſchichte oͤffentlich<lb/> vor, uͤberſchlug aber einen großen Theil davon,<lb/> und ſagte: <hi rendition="#fr">Das, was ich hier uͤberſchlage,<lb/> ſoll man erſt nach meinem Tode leſen!</hi><lb/> Seneca kann ſich nicht enthalten, hiebey aus-<lb/> zurufen: „Wie verwegen muß der Jnnhalt die-<lb/> „ſer Stelle geweſen ſeyn, daß auch ſo gar La-<lb/> „bienus ſich geſcheut hat, ſie bekannt zu<lb/> <fw place="bottom" type="catch">„machen!</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [0018]
Vorbericht.
genden Zeiten, die Unwiſſenheit, der Aberglau-
be, und die dumme Bosheit ſo ungluͤcklich ge-
misbraucht haben; * Dieſer Labienus las ein-
mal eine von ihm gefertigte Geſchichte oͤffentlich
vor, uͤberſchlug aber einen großen Theil davon,
und ſagte: Das, was ich hier uͤberſchlage,
ſoll man erſt nach meinem Tode leſen!
Seneca kann ſich nicht enthalten, hiebey aus-
zurufen: „Wie verwegen muß der Jnnhalt die-
„ſer Stelle geweſen ſeyn, daß auch ſo gar La-
„bienus ſich geſcheut hat, ſie bekannt zu
„machen!
* Seine Schriften wurden auf Befehl des Raths verbrannt.
Seneca iſt in ſeiner Praefatione L. V. Controverſiarum ſehr
bitter, da er auf dieſe Stelle koͤmmt. Er haͤlt es fuͤr das
erſte Exempel, wo verdaͤchtige Schriften auf Befehl des
Raths verbrannt worden waͤren, und vermuthlich mag er
ſich auf die Verbrennung der Schriften des Numa Pompi-
lius nicht beſonnen haben, die Livius im neun und zwan-
zigſten Capitel des vierzigſten Buchs anfuͤhrt. Seneca freut
ſich, daß dieſe Grauſamkeit erſt zu der Zeit erfunden wor-
den, da es ſchon weniger große Geiſter gegeben habe. Jch
will ſeine eignen Worte hier anfuͤhren; ſie ſind ſehr prophe-
tiſch: In hunc (Labienum) primum excogitata eſt noua
poena: effectum eſt enim per inimicos, vt omnes ejus libri
incenderentur. Res noua et inſueta, ſupplicia de ſtudiis ſumi.
Bono hercle publico iſta in poenas ingenioſa crudelitas poſt
Ciceronem inuenta eſt. Quid enim futurum fuit, ſi ingeni-
um Ciceronis triumuiris libuiſſet proſcribere. etc. etc. Facem
ſtudiis ſubdere et in monumenta diſciplinarum animaduer-
tere, quanta, et quam non contenta certa materia ſaeuitia
eſt! Dii melius, quod eo ſeculo iſta ingeniorum ſupplicia
coeperunt, quo et ingenia deſierunt etc.
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