Jch vergnüge mich oft durch die Unterredung mit einem Knaben, der bereits in seinem dreyzehn- ten Jahre alle Eitelkeiten eines Theatermarqvis hat. Er beschäfftigt sich beständig mit der Erhal- tung seiner glatten Haut, er lockt seine gelben Haare sorgfältig, und kleidet sich so reinlich, als es die Armuth seiner Aeltern erlaubt. Er lächelt immer, er verliert niemals seine kleine erobernde Miene, und so gar alsdenn sieht er noch süße und zärtlich aus, wenn er meinem alten Onkel in seine stäupenden Hände fällt. So bald er einige Kreu- zer zusammen gespart hat, so kauft er sich ein Bändchen, oder eine andere dergleichen Tändeley. Er geht sehr ehrerbietig und geheimnißvoll damit um; und wenn er endlich die andern Jungen neu- gierig gemacht hat, so läßt er sich mit vieler Mühe das Geheimniß ablocken, daß dieses Bändchen ein vertrautes Geschenk von Nachbars Lieschen sey. Er geht oft in Gedanken, sieht traurig aus, und seufzet; zu einer andern Zeit stolpert er trium- phirend durch die Gasse, und läßt die armen Mäd- chen verzweifeln. Jch bin sein Vertrauter. Er entdeckt mir alle Anfälle, die die Mädchen auf ihn thun, und weil ich weis, daß diese Art von Nar- ren nicht leicht anders, als durch die Zeit zu bessern ist, so lasse ich ihn ruhig in dieser Narrheit, damit er nicht in eine noch grössere fallen möge. Die einzige Sorge, die ich mir dabey mache, ist seine Dreistigkeit, mit welcher er sich in die Gesellschaft von Mädchen drängt, bey denen er oft, und beson- ders seit einigen Wochen, so unverschämt wird,
daß
Antons Panßa von Mancha
Jch vergnuͤge mich oft durch die Unterredung mit einem Knaben, der bereits in ſeinem dreyzehn- ten Jahre alle Eitelkeiten eines Theatermarqvis hat. Er beſchaͤfftigt ſich beſtaͤndig mit der Erhal- tung ſeiner glatten Haut, er lockt ſeine gelben Haare ſorgfaͤltig, und kleidet ſich ſo reinlich, als es die Armuth ſeiner Aeltern erlaubt. Er laͤchelt immer, er verliert niemals ſeine kleine erobernde Miene, und ſo gar alsdenn ſieht er noch ſuͤße und zaͤrtlich aus, wenn er meinem alten Onkel in ſeine ſtaͤupenden Haͤnde faͤllt. So bald er einige Kreu- zer zuſammen geſpart hat, ſo kauft er ſich ein Baͤndchen, oder eine andere dergleichen Taͤndeley. Er geht ſehr ehrerbietig und geheimnißvoll damit um; und wenn er endlich die andern Jungen neu- gierig gemacht hat, ſo laͤßt er ſich mit vieler Muͤhe das Geheimniß ablocken, daß dieſes Baͤndchen ein vertrautes Geſchenk von Nachbars Lieschen ſey. Er geht oft in Gedanken, ſieht traurig aus, und ſeufzet; zu einer andern Zeit ſtolpert er trium- phirend durch die Gaſſe, und laͤßt die armen Maͤd- chen verzweifeln. Jch bin ſein Vertrauter. Er entdeckt mir alle Anfaͤlle, die die Maͤdchen auf ihn thun, und weil ich weis, daß dieſe Art von Nar- ren nicht leicht anders, als durch die Zeit zu beſſern iſt, ſo laſſe ich ihn ruhig in dieſer Narrheit, damit er nicht in eine noch groͤſſere fallen moͤge. Die einzige Sorge, die ich mir dabey mache, iſt ſeine Dreiſtigkeit, mit welcher er ſich in die Geſellſchaft von Maͤdchen draͤngt, bey denen er oft, und beſon- ders ſeit einigen Wochen, ſo unverſchaͤmt wird,
daß
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Antons Panßa von Mancha
Jch vergnuͤge mich oft durch die Unterredung
mit einem Knaben, der bereits in ſeinem dreyzehn-
ten Jahre alle Eitelkeiten eines Theatermarqvis
hat. Er beſchaͤfftigt ſich beſtaͤndig mit der Erhal-
tung ſeiner glatten Haut, er lockt ſeine gelben
Haare ſorgfaͤltig, und kleidet ſich ſo reinlich, als
es die Armuth ſeiner Aeltern erlaubt. Er laͤchelt
immer, er verliert niemals ſeine kleine erobernde
Miene, und ſo gar alsdenn ſieht er noch ſuͤße und
zaͤrtlich aus, wenn er meinem alten Onkel in ſeine
ſtaͤupenden Haͤnde faͤllt. So bald er einige Kreu-
zer zuſammen geſpart hat, ſo kauft er ſich ein
Baͤndchen, oder eine andere dergleichen Taͤndeley.
Er geht ſehr ehrerbietig und geheimnißvoll damit
um; und wenn er endlich die andern Jungen neu-
gierig gemacht hat, ſo laͤßt er ſich mit vieler Muͤhe
das Geheimniß ablocken, daß dieſes Baͤndchen
ein vertrautes Geſchenk von Nachbars Lieschen
ſey. Er geht oft in Gedanken, ſieht traurig aus,
und ſeufzet; zu einer andern Zeit ſtolpert er trium-
phirend durch die Gaſſe, und laͤßt die armen Maͤd-
chen verzweifeln. Jch bin ſein Vertrauter. Er
entdeckt mir alle Anfaͤlle, die die Maͤdchen auf ihn
thun, und weil ich weis, daß dieſe Art von Nar-
ren nicht leicht anders, als durch die Zeit zu beſſern
iſt, ſo laſſe ich ihn ruhig in dieſer Narrheit, damit
er nicht in eine noch groͤſſere fallen moͤge. Die
einzige Sorge, die ich mir dabey mache, iſt ſeine
Dreiſtigkeit, mit welcher er ſich in die Geſellſchaft
von Maͤdchen draͤngt, bey denen er oft, und beſon-
ders ſeit einigen Wochen, ſo unverſchaͤmt wird,
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/214>, abgerufen am 25.11.2024.
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