Dieses Sprüchwort wird auf zweyerley Art verstanden. Die erste Art ist zu wichtig, und allzu ernsthaft, als daß ich in gegenwärtiger Abhandlung weitläuftiger davon reden sollte. Der andere Verstand, in welchem es die meisten neh- men, gehört zu meinen Absichten, und ich will mich darüber erklären.
Schon unsere Vorfahren haben das Geheim- niß erfunden, ihre Thorheiten dem Himmel Schuld zu geben. Wir sind noch thörichter, als unsere Vor- fahren; und, wenn der alte Satz wahr ist, so wer- den unsere Nachkommen noch mehrere Thorheiten begehen, als wir, wo es anders möglich ist. Um deßwillen ist es sehr ersprießlich, daß wir das Ge- heimniß beybehalten, und auf unsere Nachwelt fortpflanzen. Nichts schmeichelt unsrer Eigen- liebe mehr, als das Vergnügen, sich zu entschul- digen, und jemanden auszufinden, dem wir unser Vergehen zur Last legen können.
Je grösser dieses ist, desto sorgfältiger sehen wir uns nach einer Ausflucht um. Und da einer von den griechischen Weisen angemerkt haben will,
daß
Ehen werden im Himmel geſchloſſen.
Dieſes Spruͤchwort wird auf zweyerley Art verſtanden. Die erſte Art iſt zu wichtig, und allzu ernſthaft, als daß ich in gegenwaͤrtiger Abhandlung weitlaͤuftiger davon reden ſollte. Der andere Verſtand, in welchem es die meiſten neh- men, gehoͤrt zu meinen Abſichten, und ich will mich daruͤber erklaͤren.
Schon unſere Vorfahren haben das Geheim- niß erfunden, ihre Thorheiten dem Himmel Schuld zu geben. Wir ſind noch thoͤrichter, als unſere Vor- fahren; und, wenn der alte Satz wahr iſt, ſo wer- den unſere Nachkommen noch mehrere Thorheiten begehen, als wir, wo es anders moͤglich iſt. Um deßwillen iſt es ſehr erſprießlich, daß wir das Ge- heimniß beybehalten, und auf unſere Nachwelt fortpflanzen. Nichts ſchmeichelt unſrer Eigen- liebe mehr, als das Vergnuͤgen, ſich zu entſchul- digen, und jemanden auszufinden, dem wir unſer Vergehen zur Laſt legen koͤnnen.
Je groͤſſer dieſes iſt, deſto ſorgfaͤltiger ſehen wir uns nach einer Ausflucht um. Und da einer von den griechiſchen Weiſen angemerkt haben will,
daß
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0229"n="207"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Ehen werden im Himmel<lb/>
geſchloſſen.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ieſes Spruͤchwort wird auf zweyerley Art<lb/>
verſtanden. Die erſte Art iſt zu wichtig,<lb/>
und allzu ernſthaft, als daß ich in gegenwaͤrtiger<lb/>
Abhandlung weitlaͤuftiger davon reden ſollte. Der<lb/>
andere Verſtand, in welchem es die meiſten neh-<lb/>
men, gehoͤrt zu meinen Abſichten, und ich will<lb/>
mich daruͤber erklaͤren.</p><lb/><p>Schon unſere Vorfahren haben das Geheim-<lb/>
niß erfunden, ihre Thorheiten dem Himmel Schuld<lb/>
zu geben. Wir ſind noch thoͤrichter, als unſere Vor-<lb/>
fahren; und, wenn der alte Satz wahr iſt, ſo wer-<lb/>
den unſere Nachkommen noch mehrere Thorheiten<lb/>
begehen, als wir, wo es anders moͤglich iſt. Um<lb/>
deßwillen iſt es ſehr erſprießlich, daß wir das Ge-<lb/>
heimniß beybehalten, und auf unſere Nachwelt<lb/>
fortpflanzen. Nichts ſchmeichelt unſrer Eigen-<lb/>
liebe mehr, als das Vergnuͤgen, ſich zu entſchul-<lb/>
digen, und jemanden auszufinden, dem wir unſer<lb/>
Vergehen zur Laſt legen koͤnnen.</p><lb/><p>Je groͤſſer dieſes iſt, deſto ſorgfaͤltiger ſehen<lb/>
wir uns nach einer Ausflucht um. Und da einer<lb/>
von den griechiſchen Weiſen angemerkt haben will,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">daß</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[207/0229]
Ehen werden im Himmel
geſchloſſen.
Dieſes Spruͤchwort wird auf zweyerley Art
verſtanden. Die erſte Art iſt zu wichtig,
und allzu ernſthaft, als daß ich in gegenwaͤrtiger
Abhandlung weitlaͤuftiger davon reden ſollte. Der
andere Verſtand, in welchem es die meiſten neh-
men, gehoͤrt zu meinen Abſichten, und ich will
mich daruͤber erklaͤren.
Schon unſere Vorfahren haben das Geheim-
niß erfunden, ihre Thorheiten dem Himmel Schuld
zu geben. Wir ſind noch thoͤrichter, als unſere Vor-
fahren; und, wenn der alte Satz wahr iſt, ſo wer-
den unſere Nachkommen noch mehrere Thorheiten
begehen, als wir, wo es anders moͤglich iſt. Um
deßwillen iſt es ſehr erſprießlich, daß wir das Ge-
heimniß beybehalten, und auf unſere Nachwelt
fortpflanzen. Nichts ſchmeichelt unſrer Eigen-
liebe mehr, als das Vergnuͤgen, ſich zu entſchul-
digen, und jemanden auszufinden, dem wir unſer
Vergehen zur Laſt legen koͤnnen.
Je groͤſſer dieſes iſt, deſto ſorgfaͤltiger ſehen
wir uns nach einer Ausflucht um. Und da einer
von den griechiſchen Weiſen angemerkt haben will,
daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/229>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.