Mein Project soll alle die unentbehrlichen Ei- genschaften haben, die den meisten Projecten feh- len. Es soll, ohne Ansehen der Person, eine durchgängige Gleichheit beobachtet werden; der Arme, und der gemeine Mann soll entweder gar frey gelassen, oder doch am meisten geschont, der Vornehme aber, nach Beschaffenheit seiner Um- stände, und Absichten, am meisten zur Mitleiden- heit gezogen werden; die innländischen Manufa- cturen sollen dadurch auf keinerley Art niederge- drückt, und eben so wenig der freye Handel mit den Ausländern gehemmet werden; die Einkünfte von diesem Projecte sollen nicht durch die eigen- nützigen Hände einiger Privatpersonen dem gemei- nen Besten entrissen, sondern vor den Augen des ganzen Landes so vertheilt, und angewendet wer- den, daß es gewissen preßhaften Personen vorzüg- lich zu Nutzen gereicht, und dieser Nutzen sich her- nach wieder durch das ganze Land zertheilt. Jch will es so einrichten, daß alle diese Einkünfte nur durch wenige Bediente verwaltet werden können, und also dem gemeinen Wesen wenig dadurch ent- zogen wird. Jch schmeichle mir, daß man bey meinem Projecte nicht nöthig haben wird, die ge- ringsten Zwangsmittel anzuwenden: Es ist für alle Stände so vortheilhaft, daß sich gewiß ein je- der von selbst beeifern wird, seinen Beytrag zu entrichten, und des Vortheils öffentlich zu genies- sen, den er durch seine Beysteuer erlangt. So gar Ausländer werden sich dazu drängen, und zur Bereicherung unsers Landes die Schätze aus
ganz
R
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
Mein Project ſoll alle die unentbehrlichen Ei- genſchaften haben, die den meiſten Projecten feh- len. Es ſoll, ohne Anſehen der Perſon, eine durchgaͤngige Gleichheit beobachtet werden; der Arme, und der gemeine Mann ſoll entweder gar frey gelaſſen, oder doch am meiſten geſchont, der Vornehme aber, nach Beſchaffenheit ſeiner Um- ſtaͤnde, und Abſichten, am meiſten zur Mitleiden- heit gezogen werden; die innlaͤndiſchen Manufa- cturen ſollen dadurch auf keinerley Art niederge- druͤckt, und eben ſo wenig der freye Handel mit den Auslaͤndern gehemmet werden; die Einkuͤnfte von dieſem Projecte ſollen nicht durch die eigen- nuͤtzigen Haͤnde einiger Privatperſonen dem gemei- nen Beſten entriſſen, ſondern vor den Augen des ganzen Landes ſo vertheilt, und angewendet wer- den, daß es gewiſſen preßhaften Perſonen vorzuͤg- lich zu Nutzen gereicht, und dieſer Nutzen ſich her- nach wieder durch das ganze Land zertheilt. Jch will es ſo einrichten, daß alle dieſe Einkuͤnfte nur durch wenige Bediente verwaltet werden koͤnnen, und alſo dem gemeinen Weſen wenig dadurch ent- zogen wird. Jch ſchmeichle mir, daß man bey meinem Projecte nicht noͤthig haben wird, die ge- ringſten Zwangsmittel anzuwenden: Es iſt fuͤr alle Staͤnde ſo vortheilhaft, daß ſich gewiß ein je- der von ſelbſt beeifern wird, ſeinen Beytrag zu entrichten, und des Vortheils oͤffentlich zu genieſ- ſen, den er durch ſeine Beyſteuer erlangt. So gar Auslaͤnder werden ſich dazu draͤngen, und zur Bereicherung unſers Landes die Schaͤtze aus
ganz
R
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0279"n="257"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.</hi></fw><lb/><p>Mein Project ſoll alle die unentbehrlichen Ei-<lb/>
genſchaften haben, die den meiſten Projecten feh-<lb/>
len. Es ſoll, ohne Anſehen der Perſon, eine<lb/>
durchgaͤngige Gleichheit beobachtet werden; der<lb/>
Arme, und der gemeine Mann ſoll entweder gar<lb/>
frey gelaſſen, oder doch am meiſten geſchont, der<lb/>
Vornehme aber, nach Beſchaffenheit ſeiner Um-<lb/>ſtaͤnde, und Abſichten, am meiſten zur Mitleiden-<lb/>
heit gezogen werden; die innlaͤndiſchen Manufa-<lb/>
cturen ſollen dadurch auf keinerley Art niederge-<lb/>
druͤckt, und eben ſo wenig der freye Handel mit<lb/>
den Auslaͤndern gehemmet werden; die Einkuͤnfte<lb/>
von dieſem Projecte ſollen nicht durch die eigen-<lb/>
nuͤtzigen Haͤnde einiger Privatperſonen dem gemei-<lb/>
nen Beſten entriſſen, ſondern vor den Augen des<lb/>
ganzen Landes ſo vertheilt, und angewendet wer-<lb/>
den, daß es gewiſſen preßhaften Perſonen vorzuͤg-<lb/>
lich zu Nutzen gereicht, und dieſer Nutzen ſich her-<lb/>
nach wieder durch das ganze Land zertheilt. Jch<lb/>
will es ſo einrichten, daß alle dieſe Einkuͤnfte nur<lb/>
durch wenige Bediente verwaltet werden koͤnnen,<lb/>
und alſo dem gemeinen Weſen wenig dadurch ent-<lb/>
zogen wird. Jch ſchmeichle mir, daß man bey<lb/>
meinem Projecte nicht noͤthig haben wird, die ge-<lb/>
ringſten Zwangsmittel anzuwenden: Es iſt fuͤr<lb/>
alle Staͤnde ſo vortheilhaft, daß ſich gewiß ein je-<lb/>
der von ſelbſt beeifern wird, ſeinen Beytrag zu<lb/>
entrichten, und des Vortheils oͤffentlich zu genieſ-<lb/>ſen, den er durch ſeine Beyſteuer erlangt. So<lb/>
gar Auslaͤnder werden ſich dazu draͤngen, und<lb/>
zur Bereicherung unſers Landes die Schaͤtze aus<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R</fw><fwplace="bottom"type="catch">ganz</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[257/0279]
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
Mein Project ſoll alle die unentbehrlichen Ei-
genſchaften haben, die den meiſten Projecten feh-
len. Es ſoll, ohne Anſehen der Perſon, eine
durchgaͤngige Gleichheit beobachtet werden; der
Arme, und der gemeine Mann ſoll entweder gar
frey gelaſſen, oder doch am meiſten geſchont, der
Vornehme aber, nach Beſchaffenheit ſeiner Um-
ſtaͤnde, und Abſichten, am meiſten zur Mitleiden-
heit gezogen werden; die innlaͤndiſchen Manufa-
cturen ſollen dadurch auf keinerley Art niederge-
druͤckt, und eben ſo wenig der freye Handel mit
den Auslaͤndern gehemmet werden; die Einkuͤnfte
von dieſem Projecte ſollen nicht durch die eigen-
nuͤtzigen Haͤnde einiger Privatperſonen dem gemei-
nen Beſten entriſſen, ſondern vor den Augen des
ganzen Landes ſo vertheilt, und angewendet wer-
den, daß es gewiſſen preßhaften Perſonen vorzuͤg-
lich zu Nutzen gereicht, und dieſer Nutzen ſich her-
nach wieder durch das ganze Land zertheilt. Jch
will es ſo einrichten, daß alle dieſe Einkuͤnfte nur
durch wenige Bediente verwaltet werden koͤnnen,
und alſo dem gemeinen Weſen wenig dadurch ent-
zogen wird. Jch ſchmeichle mir, daß man bey
meinem Projecte nicht noͤthig haben wird, die ge-
ringſten Zwangsmittel anzuwenden: Es iſt fuͤr
alle Staͤnde ſo vortheilhaft, daß ſich gewiß ein je-
der von ſelbſt beeifern wird, ſeinen Beytrag zu
entrichten, und des Vortheils oͤffentlich zu genieſ-
ſen, den er durch ſeine Beyſteuer erlangt. So
gar Auslaͤnder werden ſich dazu draͤngen, und
zur Bereicherung unſers Landes die Schaͤtze aus
ganz
R
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/279>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.