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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
stimmt habe, weil die Obrigkeit zu großem Scha-
den des Landes für ihren Unterhalt gar nicht sorgt,
und sie eben dadurch in die verzweifelte Nothwen-
digkeit setzt, das zu seyn, was sie sind, und wel-
ches sie gewiß nicht seyn würden, wenn sie nur ei-
nigermaßen Mittel wüßten, sich auf andre Art zu
nähren. Die wenigen Beweise, die ich hier an-
führe, werden von dem großen Umfange meines
Geistes, und meiner großen Einsicht in die Kunst
zu regieren zeugen.

Unmittelbar nach den Raupen und Heuschrek-
ken kommen die Rabulisten; ein gefräßiges Un-
geziefer; Man kennt sie; ich habe also nicht nö-
thig, sie zu beschreiben. Man weis die allgemeine
Verwüstung, die sie in einem Lande anrichten, und
doch duldet man sie, und giebt ihnen Ehrentitel:
Man scheut sie, und sucht doch ihre Freundschaft.
Und erwacht auch einmal die Gerechtigkeit wider
sie, und giebt neue Gesetze zu ihrer Vertilgung:
Wer soll darüber halten? Vielleicht die Richter?
Viele Richter würden untröstbar seyn, wenn alle
Advocaten gewissenhaft wären. Dazu habe ich
zu viel Menschenliebe, daß ich glauben sollte, die
Bosheit eines Rabulisten sey eine Handlung, de-
ren ein Mensch freywillig, und ohne von der äu-
ßersten Noth gedrungen, fähig seyn könne. Zur
Ehre meiner Mitmenschen glaube ich das nicht.
Die größte Verzweiflung muß es seyn, die ein
vernünftiges Geschöpf zu einer so abscheulichen
Nahrung treibt. Nicht im Willen, nicht im

Her-
R 2

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſtimmt habe, weil die Obrigkeit zu großem Scha-
den des Landes fuͤr ihren Unterhalt gar nicht ſorgt,
und ſie eben dadurch in die verzweifelte Nothwen-
digkeit ſetzt, das zu ſeyn, was ſie ſind, und wel-
ches ſie gewiß nicht ſeyn wuͤrden, wenn ſie nur ei-
nigermaßen Mittel wuͤßten, ſich auf andre Art zu
naͤhren. Die wenigen Beweiſe, die ich hier an-
fuͤhre, werden von dem großen Umfange meines
Geiſtes, und meiner großen Einſicht in die Kunſt
zu regieren zeugen.

Unmittelbar nach den Raupen und Heuſchrek-
ken kommen die Rabuliſten; ein gefraͤßiges Un-
geziefer; Man kennt ſie; ich habe alſo nicht noͤ-
thig, ſie zu beſchreiben. Man weis die allgemeine
Verwuͤſtung, die ſie in einem Lande anrichten, und
doch duldet man ſie, und giebt ihnen Ehrentitel:
Man ſcheut ſie, und ſucht doch ihre Freundſchaft.
Und erwacht auch einmal die Gerechtigkeit wider
ſie, und giebt neue Geſetze zu ihrer Vertilgung:
Wer ſoll daruͤber halten? Vielleicht die Richter?
Viele Richter wuͤrden untroͤſtbar ſeyn, wenn alle
Advocaten gewiſſenhaft waͤren. Dazu habe ich
zu viel Menſchenliebe, daß ich glauben ſollte, die
Bosheit eines Rabuliſten ſey eine Handlung, de-
ren ein Menſch freywillig, und ohne von der aͤu-
ßerſten Noth gedrungen, faͤhig ſeyn koͤnne. Zur
Ehre meiner Mitmenſchen glaube ich das nicht.
Die groͤßte Verzweiflung muß es ſeyn, die ein
vernuͤnftiges Geſchoͤpf zu einer ſo abſcheulichen
Nahrung treibt. Nicht im Willen, nicht im

Her-
R 2
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[259/0281] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. ſtimmt habe, weil die Obrigkeit zu großem Scha- den des Landes fuͤr ihren Unterhalt gar nicht ſorgt, und ſie eben dadurch in die verzweifelte Nothwen- digkeit ſetzt, das zu ſeyn, was ſie ſind, und wel- ches ſie gewiß nicht ſeyn wuͤrden, wenn ſie nur ei- nigermaßen Mittel wuͤßten, ſich auf andre Art zu naͤhren. Die wenigen Beweiſe, die ich hier an- fuͤhre, werden von dem großen Umfange meines Geiſtes, und meiner großen Einſicht in die Kunſt zu regieren zeugen. Unmittelbar nach den Raupen und Heuſchrek- ken kommen die Rabuliſten; ein gefraͤßiges Un- geziefer; Man kennt ſie; ich habe alſo nicht noͤ- thig, ſie zu beſchreiben. Man weis die allgemeine Verwuͤſtung, die ſie in einem Lande anrichten, und doch duldet man ſie, und giebt ihnen Ehrentitel: Man ſcheut ſie, und ſucht doch ihre Freundſchaft. Und erwacht auch einmal die Gerechtigkeit wider ſie, und giebt neue Geſetze zu ihrer Vertilgung: Wer ſoll daruͤber halten? Vielleicht die Richter? Viele Richter wuͤrden untroͤſtbar ſeyn, wenn alle Advocaten gewiſſenhaft waͤren. Dazu habe ich zu viel Menſchenliebe, daß ich glauben ſollte, die Bosheit eines Rabuliſten ſey eine Handlung, de- ren ein Menſch freywillig, und ohne von der aͤu- ßerſten Noth gedrungen, faͤhig ſeyn koͤnne. Zur Ehre meiner Mitmenſchen glaube ich das nicht. Die groͤßte Verzweiflung muß es ſeyn, die ein vernuͤnftiges Geſchoͤpf zu einer ſo abſcheulichen Nahrung treibt. Nicht im Willen, nicht im Her- R 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/281>, abgerufen am 22.11.2024.