Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Antons Panßa von Mancha
Traume ihrer eignen Verdienste zu stören; so will
ich zufrieden seyn, daß sie sich für ihr Geld darin-
nen unterhalten: Und an statt, daß sie bisher nur
schüchtern und im Winkel ihrer Eigenliebe ge-
schmeichelt haben; so mögen sie sich nunmehr das
Recht erkaufen, es öffentlich zu thun.

Aber erkaufen müssen sie dieses Recht; denn
das können sie unmöglich verlangen, daß sie um-
sonst Narren seyn dürfen.

Sie sollen jährlich eine gewisse Steuer erlegen,
und sich dafür die Freyheit lösen, öffentlich dasje-
nige von sich zu rühmen, was sie bisher nur heim-
lich gedacht haben.

So bald sie diese Gedankensteuer erlegen,
bekommen sie einen Schein, und damit zugleich
das Recht, daß niemand ihrer Eigenliebe wider-
sprechen darf.

Dieser Schein soll sie wider alle Einwürfe
mürrischer Philosophen, und wider alle bittre Sa-
tiren der Spötter schützen. Macht jemand in Ge-
sellschaft die geringste Miene, als wolle er an ih-
rer Weisheit, an ihrer Tapferkeit, an ihrer Ge-
lehrsamkeit, an ihrer Schönheit, an ihrem Reich-
thume, mit einem Worte, an ihren Verdiensten
zweifeln; so dürfen sie nur ihren Gedanken-
schein
vorzeigen, und die ganze Gesellschaft muß
verstummen. Denn dieser Schein macht ihre
Verdienste eben so unwidersprechlich, und vor Ge-
richte gültig, als das öffentliche Zeugniß von Ge-

schick-

Antons Panßa von Mancha
Traume ihrer eignen Verdienſte zu ſtoͤren; ſo will
ich zufrieden ſeyn, daß ſie ſich fuͤr ihr Geld darin-
nen unterhalten: Und an ſtatt, daß ſie bisher nur
ſchuͤchtern und im Winkel ihrer Eigenliebe ge-
ſchmeichelt haben; ſo moͤgen ſie ſich nunmehr das
Recht erkaufen, es oͤffentlich zu thun.

Aber erkaufen muͤſſen ſie dieſes Recht; denn
das koͤnnen ſie unmoͤglich verlangen, daß ſie um-
ſonſt Narren ſeyn duͤrfen.

Sie ſollen jaͤhrlich eine gewiſſe Steuer erlegen,
und ſich dafuͤr die Freyheit loͤſen, oͤffentlich dasje-
nige von ſich zu ruͤhmen, was ſie bisher nur heim-
lich gedacht haben.

So bald ſie dieſe Gedankenſteuer erlegen,
bekommen ſie einen Schein, und damit zugleich
das Recht, daß niemand ihrer Eigenliebe wider-
ſprechen darf.

Dieſer Schein ſoll ſie wider alle Einwuͤrfe
muͤrriſcher Philoſophen, und wider alle bittre Sa-
tiren der Spoͤtter ſchuͤtzen. Macht jemand in Ge-
ſellſchaft die geringſte Miene, als wolle er an ih-
rer Weisheit, an ihrer Tapferkeit, an ihrer Ge-
lehrſamkeit, an ihrer Schoͤnheit, an ihrem Reich-
thume, mit einem Worte, an ihren Verdienſten
zweifeln; ſo duͤrfen ſie nur ihren Gedanken-
ſchein
vorzeigen, und die ganze Geſellſchaft muß
verſtummen. Denn dieſer Schein macht ihre
Verdienſte eben ſo unwiderſprechlich, und vor Ge-
richte guͤltig, als das oͤffentliche Zeugniß von Ge-

ſchick-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0292" n="270"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
Traume ihrer eignen Verdien&#x017F;te zu &#x017F;to&#x0364;ren; &#x017F;o will<lb/>
ich zufrieden &#x017F;eyn, daß &#x017F;ie &#x017F;ich fu&#x0364;r ihr Geld darin-<lb/>
nen unterhalten: Und an &#x017F;tatt, daß &#x017F;ie bisher nur<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;chtern und im Winkel ihrer Eigenliebe ge-<lb/>
&#x017F;chmeichelt haben; &#x017F;o mo&#x0364;gen &#x017F;ie &#x017F;ich nunmehr das<lb/>
Recht erkaufen, es o&#x0364;ffentlich zu thun.</p><lb/>
          <p>Aber erkaufen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie die&#x017F;es Recht; denn<lb/>
das ko&#x0364;nnen &#x017F;ie unmo&#x0364;glich verlangen, daß &#x017F;ie um-<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t Narren &#x017F;eyn du&#x0364;rfen.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;ollen ja&#x0364;hrlich eine gewi&#x017F;&#x017F;e Steuer erlegen,<lb/>
und &#x017F;ich dafu&#x0364;r die Freyheit lo&#x0364;&#x017F;en, o&#x0364;ffentlich dasje-<lb/>
nige von &#x017F;ich zu ru&#x0364;hmen, was &#x017F;ie bisher nur heim-<lb/>
lich gedacht haben.</p><lb/>
          <p>So bald &#x017F;ie die&#x017F;e <hi rendition="#fr">Gedanken&#x017F;teuer</hi> erlegen,<lb/>
bekommen &#x017F;ie einen Schein, und damit zugleich<lb/>
das Recht, daß niemand ihrer Eigenliebe wider-<lb/>
&#x017F;prechen darf.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er Schein &#x017F;oll &#x017F;ie wider alle Einwu&#x0364;rfe<lb/>
mu&#x0364;rri&#x017F;cher Philo&#x017F;ophen, und wider alle bittre Sa-<lb/>
tiren der Spo&#x0364;tter &#x017F;chu&#x0364;tzen. Macht jemand in Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft die gering&#x017F;te Miene, als wolle er an ih-<lb/>
rer Weisheit, an ihrer Tapferkeit, an ihrer Ge-<lb/>
lehr&#x017F;amkeit, an ihrer Scho&#x0364;nheit, an ihrem Reich-<lb/>
thume, mit einem Worte, an ihren Verdien&#x017F;ten<lb/>
zweifeln; &#x017F;o du&#x0364;rfen &#x017F;ie nur ihren <hi rendition="#fr">Gedanken-<lb/>
&#x017F;chein</hi> vorzeigen, und die ganze Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft muß<lb/>
ver&#x017F;tummen. Denn die&#x017F;er Schein macht ihre<lb/>
Verdien&#x017F;te eben &#x017F;o unwider&#x017F;prechlich, und vor Ge-<lb/>
richte gu&#x0364;ltig, als das o&#x0364;ffentliche Zeugniß von Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chick-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0292] Antons Panßa von Mancha Traume ihrer eignen Verdienſte zu ſtoͤren; ſo will ich zufrieden ſeyn, daß ſie ſich fuͤr ihr Geld darin- nen unterhalten: Und an ſtatt, daß ſie bisher nur ſchuͤchtern und im Winkel ihrer Eigenliebe ge- ſchmeichelt haben; ſo moͤgen ſie ſich nunmehr das Recht erkaufen, es oͤffentlich zu thun. Aber erkaufen muͤſſen ſie dieſes Recht; denn das koͤnnen ſie unmoͤglich verlangen, daß ſie um- ſonſt Narren ſeyn duͤrfen. Sie ſollen jaͤhrlich eine gewiſſe Steuer erlegen, und ſich dafuͤr die Freyheit loͤſen, oͤffentlich dasje- nige von ſich zu ruͤhmen, was ſie bisher nur heim- lich gedacht haben. So bald ſie dieſe Gedankenſteuer erlegen, bekommen ſie einen Schein, und damit zugleich das Recht, daß niemand ihrer Eigenliebe wider- ſprechen darf. Dieſer Schein ſoll ſie wider alle Einwuͤrfe muͤrriſcher Philoſophen, und wider alle bittre Sa- tiren der Spoͤtter ſchuͤtzen. Macht jemand in Ge- ſellſchaft die geringſte Miene, als wolle er an ih- rer Weisheit, an ihrer Tapferkeit, an ihrer Ge- lehrſamkeit, an ihrer Schoͤnheit, an ihrem Reich- thume, mit einem Worte, an ihren Verdienſten zweifeln; ſo duͤrfen ſie nur ihren Gedanken- ſchein vorzeigen, und die ganze Geſellſchaft muß verſtummen. Denn dieſer Schein macht ihre Verdienſte eben ſo unwiderſprechlich, und vor Ge- richte guͤltig, als das oͤffentliche Zeugniß von Ge- ſchick-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/292
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/292>, abgerufen am 22.11.2024.