Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Zueignungsschrift.
macht, und mit einer stolzen Grausamkeit noch
mehr zu seiner Kränkung beygetragen haben:
Aber so ungerecht dachtest Du nicht; denn Du wa-
rest des weisen Sancho liebreicher Esel. Wie
trostlos hiengest Du die Ohren, als Dein Herr,
Sancho, durch Zulassung des Himmels und Don
Quixots geprellt ward*? Er sah flehentlich auf
Dich herab, und wenn er am höchsten flog, so
war Deine freundschaftliche Traurigkeit für ihn
die kräftigste Stärkung.

Die Gelassenheit ist überhaupt eine Fami-
lientugend der Esel: Bey Dir aber hatte sie einen
weit rühmlichern Ursprung; denn Du warest mit
Ueberlegung gelassen. Jn dem unglücklichen
Treffen mit den befreyten Galerensclaven** hieltest
Du standhaft die Steine der Undankbaren aus.
Quixot, Sancho, und Roßinante lagen um Dich
herum. Nur dich konnten die unzähligen Wür-
fe der Verräther nicht stürzen, noch zur Ungeduld
bewegen. Quixot seufzete nach seiner Dulcinee,
Sancho nach seinem Mantel, Roßinante hieb
voll Ungeduld in die Erde; aber von Dir sagt der
Geschichtschreiber, daß Du gelassen unter Deinen
Freunden gestanden, und mitleidig die Ohren ge-
schüttelt habest.

Bey dieser Deiner Mäßigkeit, Deiner geselli-
gen Freundschaft, Deiner Gelassenheit; konntest
Du wohl bey allen diesen Tugenden des geringsten
Neides fähig seyn? Nichts weniger! Dein Be-
zeigen gegen die Esel der Domherren von Toledo

ist
* B. 3. C. 17.
** B. 3. C. 22.

Zueignungsſchrift.
macht, und mit einer ſtolzen Grauſamkeit noch
mehr zu ſeiner Kraͤnkung beygetragen haben:
Aber ſo ungerecht dachteſt Du nicht; denn Du wa-
reſt des weiſen Sancho liebreicher Eſel. Wie
troſtlos hiengeſt Du die Ohren, als Dein Herr,
Sancho, durch Zulaſſung des Himmels und Don
Quixots geprellt ward*? Er ſah flehentlich auf
Dich herab, und wenn er am hoͤchſten flog, ſo
war Deine freundſchaftliche Traurigkeit fuͤr ihn
die kraͤftigſte Staͤrkung.

Die Gelaſſenheit iſt uͤberhaupt eine Fami-
lientugend der Eſel: Bey Dir aber hatte ſie einen
weit ruͤhmlichern Urſprung; denn Du wareſt mit
Ueberlegung gelaſſen. Jn dem ungluͤcklichen
Treffen mit den befreyten Galerenſclaven** hielteſt
Du ſtandhaft die Steine der Undankbaren aus.
Quixot, Sancho, und Roßinante lagen um Dich
herum. Nur dich konnten die unzaͤhligen Wuͤr-
fe der Verraͤther nicht ſtuͤrzen, noch zur Ungeduld
bewegen. Quixot ſeufzete nach ſeiner Dulcinee,
Sancho nach ſeinem Mantel, Roßinante hieb
voll Ungeduld in die Erde; aber von Dir ſagt der
Geſchichtſchreiber, daß Du gelaſſen unter Deinen
Freunden geſtanden, und mitleidig die Ohren ge-
ſchuͤttelt habeſt.

Bey dieſer Deiner Maͤßigkeit, Deiner geſelli-
gen Freundſchaft, Deiner Gelaſſenheit; konnteſt
Du wohl bey allen dieſen Tugenden des geringſten
Neides faͤhig ſeyn? Nichts weniger! Dein Be-
zeigen gegen die Eſel der Domherren von Toledo

iſt
* B. 3. C. 17.
** B. 3. C. 22.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="dedication">
        <p><pb facs="#f0036" n="14"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zueignungs&#x017F;chrift.</hi></fw><lb/>
macht, und mit einer &#x017F;tolzen Grau&#x017F;amkeit noch<lb/>
mehr zu &#x017F;einer Kra&#x0364;nkung beygetragen haben:<lb/>
Aber &#x017F;o ungerecht dachte&#x017F;t <hi rendition="#fr">Du</hi> nicht; denn <hi rendition="#fr">Du</hi> wa-<lb/>
re&#x017F;t des wei&#x017F;en Sancho <hi rendition="#fr">liebreicher E&#x017F;el.</hi> Wie<lb/>
tro&#x017F;tlos hienge&#x017F;t <hi rendition="#fr">Du</hi> die Ohren, als <hi rendition="#fr">Dein</hi> Herr,<lb/>
Sancho, durch Zula&#x017F;&#x017F;ung des Himmels und Don<lb/>
Quixots geprellt ward<note place="foot" n="*">B. 3. C. 17.</note>? Er &#x017F;ah flehentlich auf<lb/><hi rendition="#fr">Dich</hi> herab, und wenn er am ho&#x0364;ch&#x017F;ten flog, &#x017F;o<lb/>
war <hi rendition="#fr">Deine</hi> freund&#x017F;chaftliche Traurigkeit fu&#x0364;r ihn<lb/>
die kra&#x0364;ftig&#x017F;te Sta&#x0364;rkung.</p><lb/>
        <p>Die Gela&#x017F;&#x017F;enheit i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt eine Fami-<lb/>
lientugend der E&#x017F;el: Bey <hi rendition="#fr">Dir</hi> aber hatte &#x017F;ie einen<lb/>
weit ru&#x0364;hmlichern Ur&#x017F;prung; denn <hi rendition="#fr">Du</hi> ware&#x017F;t mit<lb/>
Ueberlegung gela&#x017F;&#x017F;en. Jn dem unglu&#x0364;cklichen<lb/>
Treffen mit den befreyten Galeren&#x017F;claven<note place="foot" n="**">B. 3. C. 22.</note> hielte&#x017F;t<lb/><hi rendition="#fr">Du</hi> &#x017F;tandhaft die Steine der Undankbaren aus.<lb/>
Quixot, Sancho, und Roßinante lagen um <hi rendition="#fr">Dich</hi><lb/>
herum. Nur dich konnten die unza&#x0364;hligen Wu&#x0364;r-<lb/>
fe der Verra&#x0364;ther nicht &#x017F;tu&#x0364;rzen, noch zur Ungeduld<lb/>
bewegen. Quixot &#x017F;eufzete nach &#x017F;einer Dulcinee,<lb/>
Sancho nach &#x017F;einem Mantel, Roßinante hieb<lb/>
voll Ungeduld in die Erde; aber von <hi rendition="#fr">Dir</hi> &#x017F;agt der<lb/>
Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber, daß <hi rendition="#fr">Du</hi> gela&#x017F;&#x017F;en unter <hi rendition="#fr">Deinen</hi><lb/>
Freunden ge&#x017F;tanden, und mitleidig die Ohren ge-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;ttelt habe&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Bey die&#x017F;er <hi rendition="#fr">Deiner</hi> Ma&#x0364;ßigkeit, <hi rendition="#fr">Deiner</hi> ge&#x017F;elli-<lb/>
gen Freund&#x017F;chaft, <hi rendition="#fr">Deiner</hi> Gela&#x017F;&#x017F;enheit; konnte&#x017F;t<lb/><hi rendition="#fr">Du</hi> wohl bey allen die&#x017F;en Tugenden des gering&#x017F;ten<lb/>
Neides fa&#x0364;hig &#x017F;eyn? Nichts weniger! <hi rendition="#fr">Dein</hi> Be-<lb/>
zeigen gegen die E&#x017F;el der Domherren von Toledo<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[14/0036] Zueignungsſchrift. macht, und mit einer ſtolzen Grauſamkeit noch mehr zu ſeiner Kraͤnkung beygetragen haben: Aber ſo ungerecht dachteſt Du nicht; denn Du wa- reſt des weiſen Sancho liebreicher Eſel. Wie troſtlos hiengeſt Du die Ohren, als Dein Herr, Sancho, durch Zulaſſung des Himmels und Don Quixots geprellt ward *? Er ſah flehentlich auf Dich herab, und wenn er am hoͤchſten flog, ſo war Deine freundſchaftliche Traurigkeit fuͤr ihn die kraͤftigſte Staͤrkung. Die Gelaſſenheit iſt uͤberhaupt eine Fami- lientugend der Eſel: Bey Dir aber hatte ſie einen weit ruͤhmlichern Urſprung; denn Du wareſt mit Ueberlegung gelaſſen. Jn dem ungluͤcklichen Treffen mit den befreyten Galerenſclaven ** hielteſt Du ſtandhaft die Steine der Undankbaren aus. Quixot, Sancho, und Roßinante lagen um Dich herum. Nur dich konnten die unzaͤhligen Wuͤr- fe der Verraͤther nicht ſtuͤrzen, noch zur Ungeduld bewegen. Quixot ſeufzete nach ſeiner Dulcinee, Sancho nach ſeinem Mantel, Roßinante hieb voll Ungeduld in die Erde; aber von Dir ſagt der Geſchichtſchreiber, daß Du gelaſſen unter Deinen Freunden geſtanden, und mitleidig die Ohren ge- ſchuͤttelt habeſt. Bey dieſer Deiner Maͤßigkeit, Deiner geſelli- gen Freundſchaft, Deiner Gelaſſenheit; konnteſt Du wohl bey allen dieſen Tugenden des geringſten Neides faͤhig ſeyn? Nichts weniger! Dein Be- zeigen gegen die Eſel der Domherren von Toledo iſt * B. 3. C. 17. ** B. 3. C. 22.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/36
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/36>, abgerufen am 03.12.2024.