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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
Erben fodern wollen. Jch sage eben nicht, daß
ich sie, mein Herr, für einen solchen Marktschrey-
er halte; aber das werden sie mir doch erlauben,
zu sagen, daß sie die Miene eines solchen Char-
latans eher haben, als die Miene eines erfahr-
nen Leibarztes. - - - - Jm Ernste? und sie
sind wirklich ein Leibarzt? und durch den
Ruhm ihrer Schriften sind sie das geworden?
Wer hätte sich dieses sollen träumen lassen!
Aber, mein Herr, unter uns gesprochen: Ma-
chen sie sich denn gar kein Gewissen, ein Leib-
arzt zu seyn, und sich einen Gelehrten zu nen-
nen? Jch habe nur einige Augenblicke mit ih-
nen gesprochen, und doch habe ich auch in die-
sen wenigen Minuten Gelegenheit genug ge-
habt, mich zu überzeugen, daß sie beides nicht
sind. Gestehn sie mir es aufrichtig: Wir sind
hier ganz allein, und es hört uns keine Seele!
- - - - - - - Nun das war in der That aufrich-
tig! Also ist es nur die Thorheit der Kranken,
und die Unwissenheit ihrer Leser, welche sie zum
Boerhave macht? Jch will ihre Treuherzigkeit
nicht misbrauchen; die Welt mag auf ihre
eigne Gefahr glauben, was sie will. Und, mein
Herr, wenn sie mich nicht tödten wollen, so
will ich ihnen einen wichtigen Dienst leisten.
Sie sollen das Recht erlangen, selbst im Ernste
zu glauben, daß sie wirklich geschickt und gelehrt
sind, und kein Mensch soll das Recht haben, sie
in dieser Einbildung zu stören, wofern sie einen
Beytrag zu meiner Gedankensteuer geben. Er-

legen
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
Erben fodern wollen. Jch ſage eben nicht, daß
ich ſie, mein Herr, fuͤr einen ſolchen Marktſchrey-
er halte; aber das werden ſie mir doch erlauben,
zu ſagen, daß ſie die Miene eines ſolchen Char-
latans eher haben, als die Miene eines erfahr-
nen Leibarztes. ‒ ‒ ‒ ‒ Jm Ernſte? und ſie
ſind wirklich ein Leibarzt? und durch den
Ruhm ihrer Schriften ſind ſie das geworden?
Wer haͤtte ſich dieſes ſollen traͤumen laſſen!
Aber, mein Herr, unter uns geſprochen: Ma-
chen ſie ſich denn gar kein Gewiſſen, ein Leib-
arzt zu ſeyn, und ſich einen Gelehrten zu nen-
nen? Jch habe nur einige Augenblicke mit ih-
nen geſprochen, und doch habe ich auch in die-
ſen wenigen Minuten Gelegenheit genug ge-
habt, mich zu uͤberzeugen, daß ſie beides nicht
ſind. Geſtehn ſie mir es aufrichtig: Wir ſind
hier ganz allein, und es hoͤrt uns keine Seele!
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Nun das war in der That aufrich-
tig! Alſo iſt es nur die Thorheit der Kranken,
und die Unwiſſenheit ihrer Leſer, welche ſie zum
Boerhave macht? Jch will ihre Treuherzigkeit
nicht misbrauchen; die Welt mag auf ihre
eigne Gefahr glauben, was ſie will. Und, mein
Herr, wenn ſie mich nicht toͤdten wollen, ſo
will ich ihnen einen wichtigen Dienſt leiſten.
Sie ſollen das Recht erlangen, ſelbſt im Ernſte
zu glauben, daß ſie wirklich geſchickt und gelehrt
ſind, und kein Menſch ſoll das Recht haben, ſie
in dieſer Einbildung zu ſtoͤren, wofern ſie einen
Beytrag zu meiner Gedankenſteuer geben. Er-

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[339/0361] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. Erben fodern wollen. Jch ſage eben nicht, daß ich ſie, mein Herr, fuͤr einen ſolchen Marktſchrey- er halte; aber das werden ſie mir doch erlauben, zu ſagen, daß ſie die Miene eines ſolchen Char- latans eher haben, als die Miene eines erfahr- nen Leibarztes. ‒ ‒ ‒ ‒ Jm Ernſte? und ſie ſind wirklich ein Leibarzt? und durch den Ruhm ihrer Schriften ſind ſie das geworden? Wer haͤtte ſich dieſes ſollen traͤumen laſſen! Aber, mein Herr, unter uns geſprochen: Ma- chen ſie ſich denn gar kein Gewiſſen, ein Leib- arzt zu ſeyn, und ſich einen Gelehrten zu nen- nen? Jch habe nur einige Augenblicke mit ih- nen geſprochen, und doch habe ich auch in die- ſen wenigen Minuten Gelegenheit genug ge- habt, mich zu uͤberzeugen, daß ſie beides nicht ſind. Geſtehn ſie mir es aufrichtig: Wir ſind hier ganz allein, und es hoͤrt uns keine Seele! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Nun das war in der That aufrich- tig! Alſo iſt es nur die Thorheit der Kranken, und die Unwiſſenheit ihrer Leſer, welche ſie zum Boerhave macht? Jch will ihre Treuherzigkeit nicht misbrauchen; die Welt mag auf ihre eigne Gefahr glauben, was ſie will. Und, mein Herr, wenn ſie mich nicht toͤdten wollen, ſo will ich ihnen einen wichtigen Dienſt leiſten. Sie ſollen das Recht erlangen, ſelbſt im Ernſte zu glauben, daß ſie wirklich geſchickt und gelehrt ſind, und kein Menſch ſoll das Recht haben, ſie in dieſer Einbildung zu ſtoͤren, wofern ſie einen Beytrag zu meiner Gedankenſteuer geben. Er- legen Y 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/361>, abgerufen am 22.11.2024.