Rolle in London gelernt, wo er sich etliche Mo- nate aufgehalten: Aber er ist eine eben so un- glückliche Copie von einem schwermüthigen En- gelländer, wie viele unsrer abgeschmackten Landes- leute närrische Copien eines lebhaften, und gau- kelnden Franzosen sind, welchen sie sich bey ihrem kurzen Aufenthalte in Paris zum Originale ge- wählt haben. Diese hüpfen und pfeifen, wenn sie am meisten Ursache haben, ernsthaft, oder trau- rig zu seyn: Und jener wird gemeiniglich zu der Zeit, wo er am wenigsten Ursache hat, misver- gnügt zu seyn, und wo er es auch in der That am wenigsten ist, dennoch am meisten vom Erhängen und Erschießen reden. Noch zur Zeit bin ich un- gewiß, wer von beiden der größte Narr ist: Aber, ohne es weiter zu untersuchen, will ich mir beider Thorheit zu Nutze machen.
Vor mir saßen zween Kaufleute, welche, wie ich aus ihrem eifrigen Gespräche abnehmen konnte, sehr unzufrieden mit ihrer Obrigkeit waren. Sie eiferten heftig wider einige erhöhte Auflagen; sie seufzeten über den Verfall der Nahrung, über theure Zeiten, über Mangel des Silbergeldes, und über die große Verschwendung: Denn, in ih- rer Jugend ward ganz anders gewirthschaftet, und da konnte man doch einen Thaler Geld zurück legen.
Jch werde sie bey meiner Gedankensteuer ge- wiß nicht vergessen. Sie überlegen nicht, daß die Obrigkeit besser, als sie, einsehen muß, was zum
Besten
Antons Panßa von Mancha
Rolle in London gelernt, wo er ſich etliche Mo- nate aufgehalten: Aber er iſt eine eben ſo un- gluͤckliche Copie von einem ſchwermuͤthigen En- gellaͤnder, wie viele unſrer abgeſchmackten Landes- leute naͤrriſche Copien eines lebhaften, und gau- kelnden Franzoſen ſind, welchen ſie ſich bey ihrem kurzen Aufenthalte in Paris zum Originale ge- waͤhlt haben. Dieſe huͤpfen und pfeifen, wenn ſie am meiſten Urſache haben, ernſthaft, oder trau- rig zu ſeyn: Und jener wird gemeiniglich zu der Zeit, wo er am wenigſten Urſache hat, misver- gnuͤgt zu ſeyn, und wo er es auch in der That am wenigſten iſt, dennoch am meiſten vom Erhaͤngen und Erſchießen reden. Noch zur Zeit bin ich un- gewiß, wer von beiden der groͤßte Narr iſt: Aber, ohne es weiter zu unterſuchen, will ich mir beider Thorheit zu Nutze machen.
Vor mir ſaßen zween Kaufleute, welche, wie ich aus ihrem eifrigen Geſpraͤche abnehmen konnte, ſehr unzufrieden mit ihrer Obrigkeit waren. Sie eiferten heftig wider einige erhoͤhte Auflagen; ſie ſeufzeten uͤber den Verfall der Nahrung, uͤber theure Zeiten, uͤber Mangel des Silbergeldes, und uͤber die große Verſchwendung: Denn, in ih- rer Jugend ward ganz anders gewirthſchaftet, und da konnte man doch einen Thaler Geld zuruͤck legen.
Jch werde ſie bey meiner Gedankenſteuer ge- wiß nicht vergeſſen. Sie uͤberlegen nicht, daß die Obrigkeit beſſer, als ſie, einſehen muß, was zum
Beſten
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Antons Panßa von Mancha
Rolle in London gelernt, wo er ſich etliche Mo-
nate aufgehalten: Aber er iſt eine eben ſo un-
gluͤckliche Copie von einem ſchwermuͤthigen En-
gellaͤnder, wie viele unſrer abgeſchmackten Landes-
leute naͤrriſche Copien eines lebhaften, und gau-
kelnden Franzoſen ſind, welchen ſie ſich bey ihrem
kurzen Aufenthalte in Paris zum Originale ge-
waͤhlt haben. Dieſe huͤpfen und pfeifen, wenn ſie
am meiſten Urſache haben, ernſthaft, oder trau-
rig zu ſeyn: Und jener wird gemeiniglich zu der
Zeit, wo er am wenigſten Urſache hat, misver-
gnuͤgt zu ſeyn, und wo er es auch in der That am
wenigſten iſt, dennoch am meiſten vom Erhaͤngen
und Erſchießen reden. Noch zur Zeit bin ich un-
gewiß, wer von beiden der groͤßte Narr iſt: Aber,
ohne es weiter zu unterſuchen, will ich mir beider
Thorheit zu Nutze machen.
Vor mir ſaßen zween Kaufleute, welche, wie
ich aus ihrem eifrigen Geſpraͤche abnehmen konnte,
ſehr unzufrieden mit ihrer Obrigkeit waren. Sie
eiferten heftig wider einige erhoͤhte Auflagen; ſie
ſeufzeten uͤber den Verfall der Nahrung, uͤber
theure Zeiten, uͤber Mangel des Silbergeldes,
und uͤber die große Verſchwendung: Denn, in ih-
rer Jugend ward ganz anders gewirthſchaftet, und
da konnte man doch einen Thaler Geld zuruͤck
legen.
Jch werde ſie bey meiner Gedankenſteuer ge-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/388>, abgerufen am 22.11.2024.
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