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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
lächelnd auf ihre Hand, oder in den Spiegel sieht:
so ist dieses vermöge der öftern Erfahrung ein Zei-
chen, daß sie entweder gar nichts denkt, oder, wel-
ches fast einerley ist, nur an sich denkt, oder daß
sie die Stunde mit einer zärtlichen Ungeduld er-
wartet, in welcher sie eine Zusammenkunft mit
ihrem Seladon abgeredet hat.
Wenn ein Frauenzimmer auf dem Spatzier-
gange einem ihrer seufzenden Sclaven begegnet,
und den Fächer auf die Erde fallen läßt; so muß
dieser sehr neu, oder sehr einfältig seyn, wenn er
sich einen so glücklichen Umstand nicht zu Nutze
zu machen weis. Sind noch mehrere in der Ge-
sellschaft, welche mit ihm zugleich seufzen, und
um die Göttinn herumflattern; so ist für ihn
dieser Fächer eine eben so deutliche Wahl, als das
Tuch des Großsultans.
Das Frauenzimmer hat eine gewisse Art,
mit dem Fächer zu schlagen. Wer die Sprache
der Fächer so wohl versteht, als ich mir schmeichle,
sie zu verstehn, der weis, daß ein solcher Schlag,
der sich besser nachmachen, als beschreiben läßt,
ungefähr so viel sagen will: "Gehn sie, mein
"Herr, sie sind gefährlich! Sie sagen mir eine
"schalkhafte Zweydeutigkeit, über die ich erröthen
"muß, weil wir nicht allein sind. Sie werden mir
"einen Gefallen thun, wenn sie ein wenig verweg-
"ner seyn wollen. - - - - Wer sollte so viel Be-
redsamkeit in dem Schlage eines Fächers suchen?
Cap. XVII.
Vom Gange. Hätte ich dieses Capitel vor funfzig Jah-
ren geschrieben, so würde der Nutzen davon weit allgemeiner
gewesen
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
laͤchelnd auf ihre Hand, oder in den Spiegel ſieht:
ſo iſt dieſes vermoͤge der oͤftern Erfahrung ein Zei-
chen, daß ſie entweder gar nichts denkt, oder, wel-
ches faſt einerley iſt, nur an ſich denkt, oder daß
ſie die Stunde mit einer zaͤrtlichen Ungeduld er-
wartet, in welcher ſie eine Zuſammenkunft mit
ihrem Seladon abgeredet hat.
Wenn ein Frauenzimmer auf dem Spatzier-
gange einem ihrer ſeufzenden Sclaven begegnet,
und den Faͤcher auf die Erde fallen laͤßt; ſo muß
dieſer ſehr neu, oder ſehr einfaͤltig ſeyn, wenn er
ſich einen ſo gluͤcklichen Umſtand nicht zu Nutze
zu machen weis. Sind noch mehrere in der Ge-
ſellſchaft, welche mit ihm zugleich ſeufzen, und
um die Goͤttinn herumflattern; ſo iſt fuͤr ihn
dieſer Faͤcher eine eben ſo deutliche Wahl, als das
Tuch des Großſultans.
Das Frauenzimmer hat eine gewiſſe Art,
mit dem Faͤcher zu ſchlagen. Wer die Sprache
der Faͤcher ſo wohl verſteht, als ich mir ſchmeichle,
ſie zu verſtehn, der weis, daß ein ſolcher Schlag,
der ſich beſſer nachmachen, als beſchreiben laͤßt,
ungefaͤhr ſo viel ſagen will: „Gehn ſie, mein
„Herr, ſie ſind gefaͤhrlich! Sie ſagen mir eine
„ſchalkhafte Zweydeutigkeit, uͤber die ich erroͤthen
„muß, weil wir nicht allein ſind. Sie werden mir
„einen Gefallen thun, wenn ſie ein wenig verweg-
„ner ſeyn wollen. ‒ ‒ ‒ ‒ Wer ſollte ſo viel Be-
redſamkeit in dem Schlage eines Faͤchers ſuchen?
Cap. XVII.
Vom Gange. Haͤtte ich dieſes Capitel vor funfzig Jah-
ren geſchrieben, ſo wuͤrde der Nutzen davon weit allgemeiner
geweſen
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[387/0409] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. laͤchelnd auf ihre Hand, oder in den Spiegel ſieht: ſo iſt dieſes vermoͤge der oͤftern Erfahrung ein Zei- chen, daß ſie entweder gar nichts denkt, oder, wel- ches faſt einerley iſt, nur an ſich denkt, oder daß ſie die Stunde mit einer zaͤrtlichen Ungeduld er- wartet, in welcher ſie eine Zuſammenkunft mit ihrem Seladon abgeredet hat. Wenn ein Frauenzimmer auf dem Spatzier- gange einem ihrer ſeufzenden Sclaven begegnet, und den Faͤcher auf die Erde fallen laͤßt; ſo muß dieſer ſehr neu, oder ſehr einfaͤltig ſeyn, wenn er ſich einen ſo gluͤcklichen Umſtand nicht zu Nutze zu machen weis. Sind noch mehrere in der Ge- ſellſchaft, welche mit ihm zugleich ſeufzen, und um die Goͤttinn herumflattern; ſo iſt fuͤr ihn dieſer Faͤcher eine eben ſo deutliche Wahl, als das Tuch des Großſultans. Das Frauenzimmer hat eine gewiſſe Art, mit dem Faͤcher zu ſchlagen. Wer die Sprache der Faͤcher ſo wohl verſteht, als ich mir ſchmeichle, ſie zu verſtehn, der weis, daß ein ſolcher Schlag, der ſich beſſer nachmachen, als beſchreiben laͤßt, ungefaͤhr ſo viel ſagen will: „Gehn ſie, mein „Herr, ſie ſind gefaͤhrlich! Sie ſagen mir eine „ſchalkhafte Zweydeutigkeit, uͤber die ich erroͤthen „muß, weil wir nicht allein ſind. Sie werden mir „einen Gefallen thun, wenn ſie ein wenig verweg- „ner ſeyn wollen. ‒ ‒ ‒ ‒ Wer ſollte ſo viel Be- redſamkeit in dem Schlage eines Faͤchers ſuchen? Cap. XVII. Vom Gange. Haͤtte ich dieſes Capitel vor funfzig Jah- ren geſchrieben, ſo wuͤrde der Nutzen davon weit allgemeiner geweſen B b 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/409>, abgerufen am 22.11.2024.