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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Meine Herren,

Ich finde in der Utrechter Zeitung, dass Sie
heuer den ordentlichen Preis für eine kurze
Abhandlung in Prosa bestimmet haben, in wel-
cher untersuchet werden soll: Ob die Begierde,
von andern Uebels zu reden, eben sowohl von dem
Stolze, als von der Bosheit des Herzens herkomme?
*

Ich werde Gelegenheit haben, Ihnen zu er-
zaehlen, wie ich bey dieser Aufgabe durch einen
sonderbaren Zufall aufmerksam geworden bin.
Dieser ist die Ursache gegenwaertiger Schrift;
aber zugleich auch die Ursache, warum ich be-
wiesen habe: Dass die Begierde, Uebels von andern
zu reden, weder vom Stolze, noch von der Bosheit
des Herzens, sondern von einer wahren Menschen-
liebe herrühre.

In der That beweise ich also das, was Sie
nicht wollen bewiesen haben. Aber ich hoffe,
Sie, meine Herren, sollen eben so grossmüthig
seyn, als es die Academie zu Dijon war. Ia ich

habe
* In der Utrechter Zeitung Num. XXV. ao. 1754. L'Aca-
demie Royale des Sciences, et des beaux Arts etablie
a Pau dans le Bearn adjugera le Prix ordinaire de cha-
que annee a un Ouvrage en Prose, qui n'excedera pas une
demie heure de lecture, et dont le sujet sera: La medi-
sance, est-elle autant l'effet de l'orgueil, qui de la ma-
lignite?


Meine Herren,

Ich finde in der Utrechter Zeitung, daſs Sie
heuer den ordentlichen Preis für eine kurze
Abhandlung in Proſa beſtimmet haben, in wel-
cher unterſuchet werden ſoll: Ob die Begierde,
von andern Uebels zu reden, eben ſowohl von dem
Stolze, als von der Bosheit des Herzens herkomme?
*

Ich werde Gelegenheit haben, Ihnen zu er-
zaehlen, wie ich bey dieſer Aufgabe durch einen
ſonderbaren Zufall aufmerkſam geworden bin.
Dieſer iſt die Urſache gegenwaertiger Schrift;
aber zugleich auch die Urſache, warum ich be-
wieſen habe: Daſs die Begierde, Uebels von andern
zu reden, weder vom Stolze, noch von der Bosheit
des Herzens, ſondern von einer wahren Menſchen-
liebe herrühre.

In der That beweiſe ich alſo das, was Sie
nicht wollen bewieſen haben. Aber ich hoffe,
Sie, meine Herren, ſollen eben ſo groſsmüthig
ſeyn, als es die Academie zu Dijon war. Ia ich

habe
* In der Utrechter Zeitung Num. XXV. ao. 1754. L’Aca-
demie Royale des Sciences, et des beaux Arts établie
a Pau dans le Bearn adjugera le Prix ordinaire de cha-
que année â un Ouvrage en Proſe, qui n’excédera pas une
demie heure de lecture, et dont le ſujet ſera: La médi-
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[393/0415] Meine Herren, Ich finde in der Utrechter Zeitung, daſs Sie heuer den ordentlichen Preis für eine kurze Abhandlung in Proſa beſtimmet haben, in wel- cher unterſuchet werden ſoll: Ob die Begierde, von andern Uebels zu reden, eben ſowohl von dem Stolze, als von der Bosheit des Herzens herkomme? * Ich werde Gelegenheit haben, Ihnen zu er- zaehlen, wie ich bey dieſer Aufgabe durch einen ſonderbaren Zufall aufmerkſam geworden bin. Dieſer iſt die Urſache gegenwaertiger Schrift; aber zugleich auch die Urſache, warum ich be- wieſen habe: Daſs die Begierde, Uebels von andern zu reden, weder vom Stolze, noch von der Bosheit des Herzens, ſondern von einer wahren Menſchen- liebe herrühre. In der That beweiſe ich alſo das, was Sie nicht wollen bewieſen haben. Aber ich hoffe, Sie, meine Herren, ſollen eben ſo groſsmüthig ſeyn, als es die Academie zu Dijon war. Ia ich habe * In der Utrechter Zeitung Num. XXV. ao. 1754. L’Aca- demie Royale des Sciences, et des beaux Arts établie a Pau dans le Bearn adjugera le Prix ordinaire de cha- que année â un Ouvrage en Proſe, qui n’excédera pas une demie heure de lecture, et dont le ſujet ſera: La médi- ſance, eſt-elle autant l’effét de l’orgueil, qui de la mâ- lignité?

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/415>, abgerufen am 22.11.2024.